Reisebeschreibungen mit poetischer Kraft
Patrick Leigh Fermor gilt als einer der großen Stilisten unter den englischen Literaten. Seine Reisebeschreibungen Griechenlands aus dem Jahr 1958 gibt es jetzt in einer Neuausgabe.
Im Jahr 1958, kurz nach einer Tour durch den mittleren und am weitesten nach Süden reichenden Finger der Peloponnes, schrieb Patrick Leigh Fermor auf der griechischen Insel Hydra das Buch, das ihm im angelsächsischen Sprachraum ewigen literarischen Ruhm eintrug: "Mani – Eine Reise durch die südliche Peloponnes".
Jahrelang war die bisherige deutsche Ausgabe dieses Buches nur antiquarisch erhältlich. Jetzt ist im Schweizer Dörlemann Verlag eine fulminante Neuausgabe in der hinreißenden Übersetzung von Manfred und Gabriele Allié erschienen. Zum rechten Zeitpunkt, denn Fermors Reisebeschreibung, so scheint es, ist gerade jetzt hochaktuell.
Sicher, die südliche Mani sieht heute nicht mehr so aus, wie Fermor sie seinerzeit geschildert hat. Seit jeher eine karge und bettelarme Region, jahrhundertelang ein Rückzugsgebiet für allerlei durch Kriege und Eroberungszüge Verfolgte aus allen Teilen des östlichen Mittelmeerraums, berüchtigt als Seeräubernest und Schauplatz blutiger Clanfehden, erlebte sie wie viele ländliche Gegenden gerade in den letzten Jahrzehnten einen immensen Bevölkerungsverlust.
Viele der von Fermor besuchten Ortschaften sind heute aufgrund der grassierenden Landflucht zu Geisterstädten geworden. Umso kostbarer ist dieser Reisebericht, in dem Fermor, wie schon in "Zeit der Gaben" und "Zwischen Wäldern und Wasser", eine verlorene Welt wiedererstehen lässt.
Denn gerade auf der Mani, erst im zehnten nachchristlichen Jahrhundert christianisiert, hatten sich, als Fermor sie bereiste, alte, anderswo in Vergessenheit geratene Bräuche und Sitten erhalten, sprachliche Eigen- und kulturelle Besonderheiten, die direkt aus der Antike oder dem byzantinischen Kaiserreich zu stammen scheinen.
Ihnen vor allem ist der Autor auf der Spur, den wundersamen, tief berührenden Klageliedern etwa, die hier bei Beerdigungen aus dem Stegreif vorgetragen werden, aber auch der ureigenen Schule byzantinischer Malerei, die auf der südlichen Peloponnes entstand.
Und natürlich schildert er die vermeintlich so öde Landschaft und ihre Bewohner mit einer poetischen Kraft, dass man sich wünscht, man dürfte danebensitzen bei den frugalen Vespern mit hartem Bauernbrot, einer Handvoll Oliven, Ziegenkäse und zwei in einer Viehtränke gekühlten Flaschen Retsina.
Denn wie stets bei Fermor ist "Mani" weit mehr als eine Reisebeschreibung. Die Tour durch und entlang dieser Halbinsel, zu Fuß, mit Jeep, Bus, Lkw, Schiff und Mauleseln, bildet nur den äußeren Rahmen für zahlreiche Exkurse in Brauchtum und Geschichte Griechenlands.
Und manchmal, angesichts der scharfen Züge und des an eine oströmische Dynastie erinnernden Namens eines Fischers etwa, lässt dieser Zauberkünstler der Reiseliteratur die nüchterne Recherche und Darstellung des Irdischen links liegen und schwingt sich zu Fantasieflügen auf, in denen wiederum wie nebenbei das ganze byzantinische Hofzeremoniell in all seinem Prunk und seiner Farbenpracht ausgebreitet wird.
Oder er entführt den Leser - in einem Kapitel über Aberglauben, Heilige und ihre direkte Abstammung aus dem hellenischen Pantheon - in die Bergwelt des thessalischen Nordens und lässt ihn dort an einer Zusammenkunft von Zentauren teilhaben, bei der sich auf einer Lichtung der Bratspieß dreht und der Wein in Strömen fließt.
Und wenn man die letzte Seite dieses Buches umgedreht hat, nachdem einem wieder einmal klar geworden ist, wo sich die Wiege Europas befindet, gönnt man den Griechen jeden Cent, den sie vom kalten Norden brauchen.
Besprochen von Georg Schmidt
Patrick Leigh Fermor: Mani – Reisen auf der südlichen Peloponnes
Aus dem Englischen von Manfred und Gabriele Allié
Dörlemann Verlag, Zürich 2010
480 Seiten, 24,90 Euro
Jahrelang war die bisherige deutsche Ausgabe dieses Buches nur antiquarisch erhältlich. Jetzt ist im Schweizer Dörlemann Verlag eine fulminante Neuausgabe in der hinreißenden Übersetzung von Manfred und Gabriele Allié erschienen. Zum rechten Zeitpunkt, denn Fermors Reisebeschreibung, so scheint es, ist gerade jetzt hochaktuell.
Sicher, die südliche Mani sieht heute nicht mehr so aus, wie Fermor sie seinerzeit geschildert hat. Seit jeher eine karge und bettelarme Region, jahrhundertelang ein Rückzugsgebiet für allerlei durch Kriege und Eroberungszüge Verfolgte aus allen Teilen des östlichen Mittelmeerraums, berüchtigt als Seeräubernest und Schauplatz blutiger Clanfehden, erlebte sie wie viele ländliche Gegenden gerade in den letzten Jahrzehnten einen immensen Bevölkerungsverlust.
Viele der von Fermor besuchten Ortschaften sind heute aufgrund der grassierenden Landflucht zu Geisterstädten geworden. Umso kostbarer ist dieser Reisebericht, in dem Fermor, wie schon in "Zeit der Gaben" und "Zwischen Wäldern und Wasser", eine verlorene Welt wiedererstehen lässt.
Denn gerade auf der Mani, erst im zehnten nachchristlichen Jahrhundert christianisiert, hatten sich, als Fermor sie bereiste, alte, anderswo in Vergessenheit geratene Bräuche und Sitten erhalten, sprachliche Eigen- und kulturelle Besonderheiten, die direkt aus der Antike oder dem byzantinischen Kaiserreich zu stammen scheinen.
Ihnen vor allem ist der Autor auf der Spur, den wundersamen, tief berührenden Klageliedern etwa, die hier bei Beerdigungen aus dem Stegreif vorgetragen werden, aber auch der ureigenen Schule byzantinischer Malerei, die auf der südlichen Peloponnes entstand.
Und natürlich schildert er die vermeintlich so öde Landschaft und ihre Bewohner mit einer poetischen Kraft, dass man sich wünscht, man dürfte danebensitzen bei den frugalen Vespern mit hartem Bauernbrot, einer Handvoll Oliven, Ziegenkäse und zwei in einer Viehtränke gekühlten Flaschen Retsina.
Denn wie stets bei Fermor ist "Mani" weit mehr als eine Reisebeschreibung. Die Tour durch und entlang dieser Halbinsel, zu Fuß, mit Jeep, Bus, Lkw, Schiff und Mauleseln, bildet nur den äußeren Rahmen für zahlreiche Exkurse in Brauchtum und Geschichte Griechenlands.
Und manchmal, angesichts der scharfen Züge und des an eine oströmische Dynastie erinnernden Namens eines Fischers etwa, lässt dieser Zauberkünstler der Reiseliteratur die nüchterne Recherche und Darstellung des Irdischen links liegen und schwingt sich zu Fantasieflügen auf, in denen wiederum wie nebenbei das ganze byzantinische Hofzeremoniell in all seinem Prunk und seiner Farbenpracht ausgebreitet wird.
Oder er entführt den Leser - in einem Kapitel über Aberglauben, Heilige und ihre direkte Abstammung aus dem hellenischen Pantheon - in die Bergwelt des thessalischen Nordens und lässt ihn dort an einer Zusammenkunft von Zentauren teilhaben, bei der sich auf einer Lichtung der Bratspieß dreht und der Wein in Strömen fließt.
Und wenn man die letzte Seite dieses Buches umgedreht hat, nachdem einem wieder einmal klar geworden ist, wo sich die Wiege Europas befindet, gönnt man den Griechen jeden Cent, den sie vom kalten Norden brauchen.
Besprochen von Georg Schmidt
Patrick Leigh Fermor: Mani – Reisen auf der südlichen Peloponnes
Aus dem Englischen von Manfred und Gabriele Allié
Dörlemann Verlag, Zürich 2010
480 Seiten, 24,90 Euro