Reiseerzählungen mit souveräner Selbstironie
Martha Gellhorn hat in den letzten Jahren eine regelrechte Renaissance erfahren. In dem Band mit Erzählungen der amerikanischen Journalistin und Schriftstellerin wird von "fünf Höllenfahrten" - nach China und Afrika, in die Karibik, nach Russland und Israel - berichtet.
Martha Gellhorn war eine so schöne und kluge wie verwegene Frau. Die Reporterin, die eine Zeit lang mit Ernest Hemingway verheiratet war, schreckte "vor keinem Kriegsgebiet ... und keinem männlichen Ego" zurück, wie ein amerikanischer Kritiker einmal über sie schrieb. Sie war im Spanischen Bürgerkrieg, in Indochina, Israel und Vietnam, um nur einige wenige ihrer Stationen zu nennen, und sie war – wenige Tage nach der Befreiung – in Dachau. Martha Gellhorn schrieb Reportagen und immer mal wieder auch Romane und Novellen – wunderbar elegante und boshafte Geschichten über Liebe, Zermürbung und Verrat. Und wenn sie einmal zu Hause blieb, dann nur, wie sie sagte, um eine symbiotische Beziehung mit ihrer Schreibmaschine einzugehen. Und das sei wiederum nichts anderes als Reisen.
Jetzt liegt ein Band mit Erzählungen von Martha Gellhorn vor: "Reisen mit mir und einem anderen" Sie berichtet von fünf Fahrten, die sie nach China und Afrika, in die Karibik, nach Russland und Israel führen. Es sind "Höllenfahrten", wie es im Untertitel heißt, und doch erzählt sie mit dem ihr eigenen trockenen Witz: politisch erfrischend, zuweilen verwerflich unkorrekt, stets unbekümmert und in jeder Hinsicht tollkühn. Sie lässt sich nicht abschrecken von feindlichen Unterseebooten, von moskitoverseuchten Gebieten im Busch, von Krankheit oder von Warnungen vor russischen Spitzeln. Wenn sie sich ein Ziel in den Kopf setzt, dann muss, dann wird sie es erreichen.
Das klingt beeindruckend, einschüchternd gar. Doch Gellhorn beschreibt ihren Wagemut mit einer so schonungslosen und souveränen Selbstironie, dass man kaum glauben mag, dass die Frau, die über Latrinengestank, über schleimiges Abhusten ihrer Reisegefährten und fleckige Bettlaken klagt, dieselbe Person sein soll, die 1941 nach China reist, in riskanten Flügen das Land durchquert, um über die gegen Japan kämpfenden chinesischen Armeen zu berichten. "M liebt die Menschheit", hat Ernest Hemingway über sie gesagt. Und doch kann Martha Gellhorn Menschen nicht ertragen.
Ihren damaligen Ehemann hat sie auf der Reise nach China im Gepäck, als "UB", als "Unwilligen Begleiter". Denn Hemingway wollte nicht nach China. Doch dann bleibt er gelassen, höflich und geduldig – auch mit seiner Frau. Trinkt Schlangenwein, schießt Fasanen mit Ortspolizisten, schlemmt mit zwielichtigen Geschäftsleuten. Er hört die Geschichten, und sie sucht die Nachrichten. Und hat, wenn man ihr glauben darf, wenig Ahnung von dem, was eigentlich vorgeht in dem Land.
Als ihr jemand ein Treffen mit dem kommunistischen Führer Zhou Enlai vermittelt, ahnt sie kaum, mit wem sie da spricht.
Das behauptet sie auf jeden Fall. Längst des eigenen Erfolgs und Ruhms gewiss, sind solche kleinen Eingeständnisse natürlich schiere anekdotische Zierde. Martha Gellhorn liebt den saloppen Ton. In ihren Reiseerzählungen pflegt sie ihre Naivität, ihre brüsken Urteile. Und sie tut es gekonnt. Zu unserem Vergnügen.
Besprochen von Gabriele von Arnim
Martha Gellhorn: "Reisen mit mir und einem anderen. Fünf Höllenfahrten"
Aus dem Englischen von Herwart Rosemann
Dörlemann Verlag, Zürich 2011
544 Seiten, 24,90 Euro
Jetzt liegt ein Band mit Erzählungen von Martha Gellhorn vor: "Reisen mit mir und einem anderen" Sie berichtet von fünf Fahrten, die sie nach China und Afrika, in die Karibik, nach Russland und Israel führen. Es sind "Höllenfahrten", wie es im Untertitel heißt, und doch erzählt sie mit dem ihr eigenen trockenen Witz: politisch erfrischend, zuweilen verwerflich unkorrekt, stets unbekümmert und in jeder Hinsicht tollkühn. Sie lässt sich nicht abschrecken von feindlichen Unterseebooten, von moskitoverseuchten Gebieten im Busch, von Krankheit oder von Warnungen vor russischen Spitzeln. Wenn sie sich ein Ziel in den Kopf setzt, dann muss, dann wird sie es erreichen.
Das klingt beeindruckend, einschüchternd gar. Doch Gellhorn beschreibt ihren Wagemut mit einer so schonungslosen und souveränen Selbstironie, dass man kaum glauben mag, dass die Frau, die über Latrinengestank, über schleimiges Abhusten ihrer Reisegefährten und fleckige Bettlaken klagt, dieselbe Person sein soll, die 1941 nach China reist, in riskanten Flügen das Land durchquert, um über die gegen Japan kämpfenden chinesischen Armeen zu berichten. "M liebt die Menschheit", hat Ernest Hemingway über sie gesagt. Und doch kann Martha Gellhorn Menschen nicht ertragen.
Ihren damaligen Ehemann hat sie auf der Reise nach China im Gepäck, als "UB", als "Unwilligen Begleiter". Denn Hemingway wollte nicht nach China. Doch dann bleibt er gelassen, höflich und geduldig – auch mit seiner Frau. Trinkt Schlangenwein, schießt Fasanen mit Ortspolizisten, schlemmt mit zwielichtigen Geschäftsleuten. Er hört die Geschichten, und sie sucht die Nachrichten. Und hat, wenn man ihr glauben darf, wenig Ahnung von dem, was eigentlich vorgeht in dem Land.
Als ihr jemand ein Treffen mit dem kommunistischen Führer Zhou Enlai vermittelt, ahnt sie kaum, mit wem sie da spricht.
Das behauptet sie auf jeden Fall. Längst des eigenen Erfolgs und Ruhms gewiss, sind solche kleinen Eingeständnisse natürlich schiere anekdotische Zierde. Martha Gellhorn liebt den saloppen Ton. In ihren Reiseerzählungen pflegt sie ihre Naivität, ihre brüsken Urteile. Und sie tut es gekonnt. Zu unserem Vergnügen.
Besprochen von Gabriele von Arnim
Martha Gellhorn: "Reisen mit mir und einem anderen. Fünf Höllenfahrten"
Aus dem Englischen von Herwart Rosemann
Dörlemann Verlag, Zürich 2011
544 Seiten, 24,90 Euro