"Wie eine Giraffe in einen Blumentopf zu zwängen"
Die im Grunde kuriose Idee, zu Tausenden über die Weltmeere zu ziehen, ist eine erfolgreiche - die vor 175 Jahren als Post- und Paketdienst begann, als der kanadische Geschäftsmann Samuel Cunard die "Cunard Line" gründete. Er brachte so die transatlantische Passagierfahrt in Schwung.
Als der kanadische Geschäftsmann Samuel Cunard am 4. Mai 1839 zusammen mit britischen Geschäftsfreunden die British & North American Royal Mail Steam Packet Company - kurz Cunard Line gründete, kam der erste reguläre - und vor allem schnelle, weil von Dampfmaschinen beschleunigte - Post- und Paketdienst zwischen Europa und der Neuen Welt zustande. Der Service wurde von der britischen Admiralität unter der Maßgabe subventioniert, dass Cunard Post und Pakete mit vier Dampfschiffen im vierzehntägigen Turnus beförderte. Als amerikanischen Hauptzielhafen wählte er Boston, dessen Bürgerschaft darüber so erfreut war, dass Cunard am Ende der Jungfernfahrt des ersten Schiffes, der Britannia, 1.873 Bostoner Dinnerparty-Einladungen erhielt.
Die Loyalität der Bostoner zeigte sich noch eindrucksvoller, als die Britannia im vereisten Bostoner Hafen stecken zu bleiben drohte. Betuchte Bürger finanzierten die Schaffung eines eisfreien Kanals, auf dem das Schiff Richtung Europa enteilen und so seinen Nimbus absoluter Pünktlichkeit bewahren konnte.
Ordentliche Besegelung und hochmoderne Dampfmaschine
Die Verträge Cunards mit seinen britischen Sponsoren sahen vor, dass der nicht für den Post- und Paketbetrieb genutzte Raum zum eigenen Vorteil für Passagiere verwendet werden konnte - damit kam die transatlantische Passagierfahrt in Schwung. 1842 entschloss sich der berühmte englische Schriftsteller Charles Dickens zu einer Überfahrt mit der Britannia. Die hatte eine ordentliche Besegelung, aber auch eine hochmoderne Dampfmaschine mit dazugehörendem Schornstein. Aus dem flogen im Betrieb Funken in die Segel, was bei Dickens Höllenängste auslöste. Auch das erste Betreten des Schiffsinneren hatte einen Schock zur Folge:
Platz knapp bemessen
"Ehe wir in die Räume des Schiffes hinabstiegen, mussten wir von Deck her durch ein langgestrecktes, schmales Gelass, nicht unähnlich dem Inneren eines gigantischen Leichenwagens, aber mit Fenstern, an dessen oberem Ende ein trostloser Ofen stand, woran sich drei oder vier fröstelnde Stewards die Hände wärmten."
Die Dimensionen seiner und seiner Gattin Kabine empfand der Dichter als so knapp bemessen, dass passable Reisekoffer in ihr unterzubringen ebenso unmöglich schien ...
"... wie eine Giraffe in einen Blumentopf zu zwängen."
Auch das Essen fand wenig Gefallen, obwohl für Frischmilch sogar eine lebende Kuh an Bord war, desgleichen Hühner für die Frühstückseier.
Reich verzierte Queen Mary als Highlight
Im April 1865 starb Samuel Cunard; sein Sohn Edward übernahm das Geschäft. Aus den Postdampfern des Vaters waren nun richtig dicke Pötte geworden, für tausende Passagiere. Richtung USA füllten Auswanderer die unteren Decks; oben gab es gediegenen Luxus. Aber das Prestige einer Atlantiküberquerung war im Schwinden begriffen. Als in den 1960er Jahren Düsenjets den Zeitaufwand für eine Atlantiküberquerung drastisch verkürzten, hatte es mit dem Atlantikverkehr zu Schiff ein Ende. Ästhetisch aber hatte die Ära Maßstäbe gesetzt; Cunards gelungenster Beitrag war sicherlich die reich verzierte Queen Mary.
In der Queen kam - selbst nach dem Zweiten Weltkrieg - einmal noch alles zusammen, was man sich als Glamour der oberen Klassen so vorstellte. Männer von Welt zündeten ihre Zigarren mit einem Zedernholzspan an, ihre Frauen verfächelten Chanel No.5. Die Unterdecks hatten, wie üblich, andere Sorgen.
Auch heute noch ist Cunard als Marke allgemein bekannt; eine ganze Reihe imposanter Kreuzfahrtschiffe - darunter eine neue Queen Mary - schippert in Cunards Namen über die Meere, da, wo das Ufer interessant ist. Das interessante Ufer aber interessiert nicht jeden. Ein Kreuzfahrtmanager der Gegenwart weiß, dass ...
"... zum Beispiel die Amerikaner, die sehr wichtig sind für den Kreuzfahrtmarkt, gern auf dem Schiff bleiben und dort etwas erleben wollen. Es gibt inzwischen Formel-1-Simulatoren, Riesenrutschen, 4-D-Kinos und schwebende Aussichtskugeln an Bord."
Wenn die Leute schon auf dem Schiff bleiben wollen, wäre es da nicht naheliegend, die Kreuzfahrt im Heimathafen zu simulieren?