Reisen ins Ungewisse

Der geplante Kontrollverlust

Ein prächtiger Panoramablick über Madrid
Madrid im Dämmerlicht - hierhin reist man gern, auch ohne es vorher geplant zu haben. © Florian Wehde/Unsplash
Von Katja Bigalke |
Neue Reiseagenturen werben mit dem Nervenkitzel des Kontrollverlusts: Ihre Kunden wissen bis zum Moment der Abreise nicht, wohin die Reise geht, mit welchem Transportmittel sie erfolgt und was sie vor Ort erwartet. Ein lohnenswertes Abenteuer?
Eine Reise zu buchen, von der man quasi nichts weiß, ist in Zeiten von Blind-Travel-Angeboten nicht sehr kompliziert. Ist man gewillt 450 Euro aufwärts für eine Drei-Tages-Reise mit zwei Übernachtungen zu zahlen, gibt es solche Reisen sogar maßgeschneidert. Zum Beispiel bei der Münchner Reiseagentur Unplanned. Für die Buchung beantworten wir einfach einen Fragebogen:
- "Was für ein Abenteuer soll es sein? City? Roadtrip? Natur?"
- "Natur mag ich nicht so gerne"
- "Wir können auch sagen: 'offen für alles.'"
- "Ja, vielleicht ist das am besten, das zeigt uns auch, wie das wirklich funktioniert."

Kein Vorab-Stress

Meine Begleitung und ich geben als Interessen Kunst, Entspannung, Spaziergänge und gutes Essen an und überlassen den Rest der Planung der Agentur.
Warum ich so etwas mache? Weil es mich manchmal überfordert zwischen Pauschalreisen ans Ende der Welt und Individualreise ins Nachbarland zu wählen, die am Ende fast das Gleiche kosten. Weil die Reiseplanung sonst immer an mir hängen bleibt, ich immer alles organisiere, Flüge buche, Ferienhäuser suche, Mietwagen reserviere, Reiseführer wälze, Bewertungen lese und Google Earth studiere. Weil ich mal loslassen und in die Rolle derer schlüpfen möchte, die üblicherweise meine Mitreisenden sind.
Katja Bigalke sitzt vor einem Café in der Sonne.
Unsere Autorin Katja Bigalke in Madrid.© Katja Bigalke / Deutschlandradio
"Was wäre denn ein Worst-Case Szenario? Was würde Ihnen den Urlaub verhageln", fragt mich die Mitarbeiterin vom Unplanned-Team am Telefon, nachdem ich per Mausklick unsere Buchung abgegeben habe. Meine Antwort erstaunt mich selbst. Sie ist im Gegensatz zu meinem üblichen Reiseperfektionismus nicht besonders wählerisch: "Ich mag keine Touristenhochburgen und ich will keinen Dauerregen."

Spannung bis zur letzten Minute

Sechs Wochen vor Abreise kennen wir lediglich unsere Reisedaten. Drei Tage vor Reisebeginn kommt eine Mail mit einer Packliste, einer Wettervorhersage und den Informationen zu unserem Treffpunkt: Zehn Uhr morgens am Flughafen Schönefeld. Am Zielort liegen die Temperaturen nachts um den Gefrierpunkt. Tagsüber ist es auch mal sonnig mit Temperaturen um die 10 Grad. Wohin es geht? Keine Ahnung. Den Umschlag mit den Reiseunterlagen dürfen wir erst am Treffpunkt öffnen. Die Aufregung steigt.
Und dann kommt er endlich: der Enthüllungsmoment. Wir sitzen am Flughafen und öffnen den Umschlag: "Wir fahren nach Madrid! Da war ich noch nie!"
Ich bin ehrlich überrascht – und freue mich wie ein Kind. Im Umschlag steckt alles, was wir brauchen: Boarding-Pässe, Taxi-Transfers, ein kleines Reisebuch mit Tipps für die Stadt und auch ein paar Überraschungen, die das Büro für uns organisiert hat. Gutscheine für eine Food Tour, eine Massage, einen Ausstellungsbesuch.

Geglückter Urlaub – mit schwieriger Urlaubbilanz

Das Hotel? Ist schön: mitten im Zentrum an der Plaza de Espana. Minimalistisch eingerichtet mit Bar im 14. Stock, von der man einen fantastischen Blick über die Stadt hat. Die Stadt? Ist inspirierend, quirlig und voll großartiger Museen. Die Foodtour? Hätte ich selbst nie gebucht, stellt sich aber als sehr lustig heraus, was auch unserem großartigen Guide Daniel zu verdanken ist. Die Massage? Wohltuend nach einer langen Nacht und etlichen Stunden im Prado.
Ein erhöhter Panoramablick über Madrid
Der Blick vom Hotel aus kann sich sehen lassen.© Katja Bigalke / Deutschlandradio
Fazit? Eine extrem dichte Reise, bei der wir viel erlebt und viel Neues gesehen haben. Ein Zeitfenster, das sich wie von Geisterhand für uns geöffnet hat. Einziger Wermutstropfen: die Umweltbilanz.
Für drei Tage irgendwohin fliegen – allein hätte ich das wohl nicht organisiert. Vielleicht das nächste Mal lieber länger und dafür langsamer Reisen. Aber gerne wieder ohne Kontrolle.
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