Auf dem Luftkissen durch die Röhre
Tesla-Chef Elon Musk hat eine utopisch anmutende Transport-Idee: Im "Hyperloop" sollen die Passagiere mit 1200 km/h durch eine Röhre schießen. Ob das machbar, gesund und wirtschaftlich ist? Das wird die Zukunft zeigen.
Elon Musk hatte die Idee zum Hyperloop, als er mal wieder in Los Angeles im Stau steckte.
Wer den Hyperloop-Antrieb verstehen will, muss als Erstes seinen Erfinder verstehen. Musk, 45 Jahre alt und geboren in Südafrika, ist einer der schillerndsten Unternehmer des Silicon Valley. Mit dem Online-Bezahldienst Paypal ist er sehr jung sehr reich geworden. Er hat seine Millionen dann aber gleich in neue Projekte gesteckt: in den Elektroautobauer Tesla, die Solarkraftfirma Solar City und das private Raumfahrtunternehmen SpaceX.
Zwischen Luxus-Auto, Öko-Energie und den Sternen − das sind die Sphären, in denen sich Elon Musk bewegt. Sein erklärtes Lebensziel ist es, eine Kolonie auf dem Mars zu gründen.
Ein Unternehmer will spielen
Musk ist diese Mischung aus träumendem Spielkind und knallhartem Unternehmer, die das Silicon Valley zur Zeit so faszinierend macht. Und vor drei Jahren hat der studierte Physiker eine weitere Idee vorgestellt: den Hyperloop. Wie Musk selbst sagt, eine Kreuzung aus einer Concorde, einem elektromagnetischen Gewehr und einem Lufthockey-Tisch.
Der Hyperloop - und das ist alles Theorie, es gibt ihn ja noch nicht − besteht aus zwei parallelen Röhren, in denen Kapseln mit um die 30 Passagieren auf Luftkissen schweben und, angetrieben durch Elektromagnete, eine Höchstgeschwindigkeit von 1200 Stundenkilometern erreichen, also knapp diesseits der Schallmauer.
"Ein Unfall ist ausgeschlossen", beschrieb Musk die Vorzüge des Hyperloop auf der Technikkonferenz D11. "Das Wetter spielt keine Rolle. Die Kapseln bewegen sich doppelt so schnell wie ein Flugzeug. Und wenn man außen auf die Röhren Solarzellen montiert, erzeugt das System mehr Energie als es verbraucht."
Bei jedem anderen hätte man den Hyperloop wohl als Hirngespinst abgetan, aber Musk hat es immerhin schon geschafft, Raketen zu einem Drittel der sonst üblichen Kosten ins All zu schicken, und seine Elektroautos waren Jahre vor den entsprechenden Modellen von BMW oder Mercedes marktreif. Allerdings sagte Musk von Anfang an, er werde die Hyperloop-Idee nicht selbst umsetzen. Dafür hat er keine Zeit, schließlich ist er ja schon Chef zweier Unternehmen, Tesla und SpaceX.
Aber er verzichtete darauf, die Technik als Patent anzumelden, und stellte seine Überlegungen als Gemeingut ins Netz. Nun forschen Teams an verschiedenen Universitäten an der Idee, und mehrere Unternehmen wurden gegründet, um aus dem Konzept Realität werden zu lassen. Hyperloop One, mit Investoren wie General Electric und der französischen Eisenbahn SNCF im Hintergrund, hat im Mai bereits einen ersten Test für den elektromagnetischen Antrieb durchgeführt.
Erster Testlauf in der Wüste
In der Wüste von Nevada bei Las Vegas hatte Hyperloop One etwa 800 Meter Schienen gebaut und beschleunigte darauf einen Waggon, im Grunde nur ein Stahlgestell, in 1,1 Sekunden von 0 auf 100 und dann noch auf 160 Stundenkilometer, bevor das Gefährt in einer aufgewirbelten Sandwolke zum Stehen kam. Der Sand diente als Bremse, weil das System selbst noch keine Bremsen hat.
Nach ein paar Sekunden war alles vorbei. Der Test war nach Auskunft der Verantwortlichen erfolgreich. Allerdings ist es sichtlich noch ein weiter Weg bis zu dem System, das Elon Musk vor drei Jahren vorgestellt hat. Trotzdem sehen viele Investoren Potenzial in der Technologie: Der drittgrößte Hafenbetreiber der Welt, die DP World Group aus Dubai, war bei der jüngsten Finanzierungsrunde von Hyperloop One der größte Geldgeber. Insgesamt hat das Startup in zwei Jahren umgerechnet mehr als 130 Millionen Euro eingesammelt. Der Hafenbetreiber prüft nach eigenen Angaben die Frage, ob man mit der Hyperloop-Technik Container zwischen im Hafen liegenden Schiffen transportieren kann.
Eine andere Firma, Hyperloop Transportation Technologies, ist eine Gruppe von 500 Ingenieuren in den USA, die sich in wöchentlichen Tele-Konferenzen austauschen, wie sich die Idee des Hyperloop umsetzen ließe. Statt Gehalt bekommen sie Optionen auf Aktien, wenn die Firma mal erfolgreich wird.
Schluss mit den Pferdekutschen!
Der Deutsche Dirk Ahlborn leitet das Unternehmen und hält immer wieder Vorträge in aller Welt, bei denen er das Besondere des Hyperloop herausstellt. Zum Beispiel im Vergleich zum alten Eisenbahnsystem: Dessen Spurweite orientiere sich mit 1,34 Metern an der Breite römischer Pferdekutschen. Oder, wie Ahlborn es zuspitzt: Auch im Jahr 2016 würden neue Schienen immer noch an der Breite zweier Pferdehintern gemessen.
Das hielt die Firma allerdings nicht davon ab, mit der Deutschen Bahn eine Kooperation einzugehen. Gemeinsam wollen die Partner einen "Innovationszug" bauen − einen eigentlich konventionellen Zug, in dem aber Technik zum Einsatz kommt, die von Ahlborns Firma für den Hyperloop entwickelt wurde. Zum Beispiel Monitore, die an die Innenwand der Kapsel montiert werden und wie Fenster nach draußen wirken, weil darauf Videos von Landschaften vorbeirauschen. Außerdem könnten die Reisenden diese Monitore durch Berührung bedienen und sich zum Beispiel die aktuelle Geschwindigkeit anzeigen lassen.
Auch drei Jahre nach Elon Musks Vorstellung des Hyperloop-Prinzips sind noch viele Fragen offen: Wie wird der Mensch auf die enorme Beschleunigung reagieren? Sollen die Kapseln auf Luftkissen gleiten oder zunächst lieber schlicht auf Rädern fahren? Das spielt mit der wichtigsten Frage zusammen: Ist das Ganze tatsächlich wirtschaftlich umsetzbar?
Elon Musk glaubt fest daran. Als er Anfang des Jahres den Startschuss für einen Wettbewerb zum Hyperloop für amerikanische Studenten gab, sagte er: "Wir wollen die Idee verwirklichen und den Leuten zeigen, dass etwas Großartiges und Neues passieren kann. Es muss nicht immer das gleiche alte Zeug sein."
Was ist aus den Utopien und Visionen von Thomas Morus geworden? Der Schwerpunkt "Zukunft denken. 500 Jahre 'Utopia'" in Deutschlandradio Kultur sucht nach Antworten vom 18. bis 27. Dezember. Die Übersicht der Themen und alle bereits gesendeten Beiträge gibt es hier zu lesen und zu hören: Utopien in Politik, Gesellschaft und Kunst − Welche anderen Welten sind möglich?