Reiseverkehr

Neues Rekordjahr für den Fernbus

Reisende warten am 22.04.2015 auf dem Zentralen Omnibushof in Berlin (ZOB) vor einem Reisebus der Firma MeinFernbus.de auf die Abfahrt.
Der Zentrale Omnibusbahnhof in Berlin (ZOB) am 22.04.2015 © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Von Dieter Nürnberger |
Enge, bröckelnder Putz, frühere Imbissbuden als Ticketshops. Seit der Fernbusverkehr liberalisiert wurde, platzt der Berliner Busbahnhof aus allen Nähten - wie viele andere auch. Das Fernbus-Geschäft boomt, doch wie lange noch?
In den Tagen vor Weihnachten herrscht am Zentralen Omnibusbahnhof in Berlin natürlich Hochbetrieb. Doch wer öfter einen Fernbus nutzt, der weiß, dass es eigentlich wie immer ist. Die Busse kommen fast schon im Minutentakt, Hunderte steigen ein und aus. Rucksäcke und Rollkoffer werden geschultert oder gezogen. Der Omnibusbahnhof in direkter Nähe des Berliner Funkturms platzt aus allen Nähten - seit der Liberalisierung des Busmarktes vor drei Jahren. Vor allem die günstigen Fernbus-Preise überzeugen:
"Ich bin vorher mit dem Auto gefahren. Der Bus ist günstiger und stressfreier."
"Der Grund, warum ich diesmal mit dem Fernbus fahre - der Preis: nach Greifswald für elf Euro."
"Ich bin früher Bahn gefahren und das ist mir zu teuer. Wir fahren immer zwischen Berlin und Hamburg - das kostet 13 Euro."
Das Jahr ist noch nicht zu Ende, doch bereits jetzt steht fest, dass es ein neues Rekordjahr für die Fernlinienbus-Branche sein wird. Über 20 Millionen Passagiere deutschlandweit, das ist zwar keine Verdopplung mehr wie in den Jahren zuvor. Doch das Wort Boom ist immer noch berechtigt, auch wenn viele Experte nun doch eher nicht mehr von einem so hohen Wachstum ausgehen. Heidi Tischmann ist Mobilitätsexpertin beim Verkehrsclub Deutschland. Sie spricht von einer Marktkonsolidierung:
"Zuerst geht es darum, die Marktanteile zu gewinnen und zu sichern. Dann tritt Ruhe ein, es wird konsolidiert. In Deutschland haben sich ja nun 'Flixbus' und 'MeinFernbus' zusammengeschlossen. Der Boom im Fernlinienbus-Markt wird sich beruhigen, aber er ist noch nicht zu Ende. Das zeigen auch die Prognosen, dass die Fahrgastzahlen noch weiter steigen."
Frühere Imbissbuden als Ticketshops
Von einem weiterhin ordentlichen Wachstum geht auch Matthias Schröter vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer aus. Er erwartet allenfalls eine Sättigung auf den bisherigen Hauptstrecken, den gut frequentierten Städteverbindungen:
"Jetzt ist natürlich immer noch ein wenig Platz da, um in den mittelgroßen Städten oder auch kleineren Städten Verbindungen zu schaffen. Da, wo man früher nur das Auto als Alternative hatte; da kommt jetzt der Fernbus dazu. Wir haben zudem weitere Liberalisierungen in Europa - auch für die deutschen Unternehmen hochinteressant. Ebenso wie Nachtlinien, die inzwischen auch angeboten werden."
Dem Zentralen Omnibusbahnhof in Berlin sieht man die Überforderung längst an. Erbaut in den 70er-Jahren - der Putz bröckelt, es ist zu eng. Die Busunternehmen nutzen frühere Imbissstationen oder Container, um die günstigen Tickets zu verkaufen. Wirklich stören tut das nicht - der Preis überzeugt:
"Das geht in Ordnung, solange man sich hier nicht länger aufhalten muss."
"Es ist sehr improvisiert. Aber ich hänge auch an diesem alten Busbahnhof, es wäre aber natürlich schon gut, wenn ein neuer Bahnhof mal kommen würde. Aber es läuft noch gut hier."
"Ach wissen Sie - ich halt mich hier ja nicht lange auf."
Eine Sanierung, ein Umbau des Omnibusbahnhofs in der Hauptstadt soll 2016 beginnen. Doch Platz für eine Ausweitung ist hier kaum, weshalb seit Jahren auch ein zweiter Zentraler Omnibusbahnhof in Berlin diskutiert wird. Entschieden ist bislang nichts. Das Kapazitätsproblem bleibt also - übrigens nicht nur in Berlin, sagt Hilmar von Lojewski. Er leitet das Dezernat Verkehr beim Deutschen Städtetag.
"Wenn man bauen will, braucht es Zeit und auch Geld. Und das Geld haben viele unserer Städte dafür nicht! Wenn der Bund ein Gesetz macht und nicht dafür Sorge trägt, dass Geld dafür beispielsweise über ein Sonderprogramm auf den Weg gebracht wird, dann dauert das eine Weile. Selbst für die Städte, die in der Lage sind, Fernbus-Haltepunkte auszubauen."
Erfolgsgeschichte trotz Problemen
In anderen Städten gibt es andere Probleme. In Köln beispielsweise sollen die Busse nicht mehr in die Innenstadt, die zentrale Haltstelle liegt nun am Flughafen. Es muss etwas geschehen, sagt auch Matthias Schröter vom Omnibusverband:
"Das müssen ja keine Glaspaläste sein, keine Kathedralen. Einfach ein funktionaler und sicherer Halteplatz für den Bus. Wo vielleicht ein Kiosk ist, wo man Reisebedarf einkaufen kann. Und ein Unterstand wäre auch ganz nett."
Heidi Tischmann vom Verkehrsclub Deutschland hat vor drei Jahren die Liberalisierung des Busmarktes begrüßt. Günstiges Reisen für jedermann und auch eine gute Umweltbilanz des Verkehrsträgers Bus waren die Hauptargumente. Für sie eine Erfolgsgeschichte, trotz einiger Probleme:
"Wenn man den Fernbus mit dem PKW vergleicht, das ist ja das Fahrzeug, mit dem die meisten Menschen unterwegs sind, oder auch mit dem Flugzeug - dann ist der Bus ja ein umweltfreundliches Verkehrsmittel. Genauso wie die Bahn."
Die meisten Experten gehen ohnehin davon aus, dass sich der Bus neben Auto, Bahn und Flugzeug als großer Mobilitätsanbieter etablieren wird. Egal, ob sich der Fernbus-Boom in Deutschland abschwächen wird oder nicht.
Mehr zum Thema