Das Ziel, nach oben zu kommen
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In jungen Jahren sind die Reitställe voller Mädchen, aber später ziehen im Reitsport die Männer nach. Im Springreiten finden sich in den Wettbewerben nur wenige Frauen in der Weltspitze.
Freitag vor einer Woche im Sommergarten unter dem Berliner Funkturm. Bei Temperaturen über 30 Grad beginnt am frühen Nachmittag die Global Champions Tour der besten Springreiter der Welt. Zum dritten Mal in Folge ist die Weltserie in der Hauptstadt zu Gast. Mit dabei auch die Deutschen Finja Bormann 23 und Marcel Marschall, 27 Jahre alt:
"Ich habe relativ spät angefangen mit dem Reitsport", sagt Marschall. "Ich war damals 18, wo ich also richtig angefangen habe. Ich war dann auch im gleichen Jahr, wo ich angefangen habe, auf meinen ersten Deutschen Meisterschaften und ein Jahr später auf meiner ersten Europameisterschaft." Und Bormann ergänzt: "Bevor ich laufen konnte, gibt es Bilder davon bei meinem Papa vorne drauf. Meine ersten Turniere dann mit drei. Normalerweise darf man mit vier Reiten."
Nur acht Frauen am Start
Die Reiterin stammt aus Niedersachsen, Marschall ist Baden-Württemberger. Beide kommen aus Reitsport-Familien und gehören bisher noch nicht zur nationalen Spitze. Gleich bei ihrem ersten Springen fällt auf, dass von 44 Reitern gerade einmal acht Frauen am Start sind. Und das, obwohl doch viele Mädchen im Kindes- und Jugendalter Pferde über alles lieben. Sei es, weil sie Pferdebücher oder Zeitschriften lesen, Filme sehen oder selbst Reitunterricht haben.
Dazu Bormann: "Das ist halt so das Leben auf dem Ponyhof. Das ist der Traum von jedem Mädchen. Klar, auch das Putzen, das Spielen, das Spazierengehen, das Leckerlis füttern, die Mähne flechten. Es fällt aber eben auf, gerade im Teenageralter, wenn das dann vielleicht auch mal losgeht, sich für die Jungs zu interessieren, dass die Mädchen dann dem Reiten teilweise den Rücken zuwenden."
Erst Fußball gespielt
Bormann, groß geworden beim RSV Harsum im Landkreis Hildesheim, startet schlecht in Berlin. Im ersten Springen wird sie Letzte. Für Marschall, der mit seinen Eltern und seiner Freundin in der Nähe von Stuttgart lebt und dort einen Zucht- und Handelsstall betreibt, läuft es als Viertletzter nicht viel besser. Die meisten Jungen probieren erstmal andere Sportarten aus, bevor sie mit dem Reiten anfangen. So war es auch bei Marschall, der zunächst mit Begeisterung Fußball spielte.
"Mein Vater hat dann zu mir gesagt, er habe ein Turnier für mich gemeldet, dass ich nicht aufs Fußballspiel kann. Erst war ich natürlich nicht so zufrieden, aber ich wollte meinen Vater natürlich auch glücklich machen. Hab' das dann auch mitgemacht, und dann war das gleich mit einem Sieg verbunden."
Dazu Bormann: "Und dann hört man oft von Männern, dass die auch wirklich erst mit 13, 14, 15 Jahren teilweise anfangen zu reiten, aber dann durch diesen extremen Ehrgeiz diesen Weg nach oben auch extrem schnell schaffen."
Im Springsport mehr Männer
In der Männer-Domäne Springreiten gibt es nur wenige Frauen in der Weltspitze. Dani G. Waldman aus Israel ist eine von ihnen. In Berlin gewann sie bereits ihren zweiten Wettbewerb in der diesjährigen Global Champions Tour. Davon kann Bormann bislang nur träumen. "Ich könnte mir halt schon diesen Aspekt vorstellen, dass die Männer mit der Action so ein bisschen mehr reizt, mit den Stangen eben zu springen, und deswegen findet man im Springsport auch mehr die Männer, als eben die Frauen."
Und dann kommt bei Frauen noch ein wesentlicher Unterschied hinzu: "Bei den Frauen ist es vielleicht ab einem gewissen Alter, dass sie dann an Familie denken, oder auch dann Kinder bekommen, und das alles so ein bisschen zurückschrauben." Andererseits ist das Reiten unter den 28 olympischen Sommersportarten die einzige Disziplin, in der Frauen und Männer gemeinsam antreten.
Gleiche Preisgelder
Es gibt keine Unterschiede bei den Preisgeldern. Bei den Deutschen Meisterschaften der Springreiter ist es sogar so, dass Frauen zwar ihren eigenen Wettkampf haben, aber außerdem zusammen mit den Männern starten dürfen.
"Wir Frauen möchten uns auch mit den Männern messen, und vielleicht hat man als Mann in manchen Situationen einen Vorteil mit ein bisschen mehr Kraft", sagt Bormann. "Vielleicht hat man als Frau in manchen Situationen den Vorteil mit ein bisschen mehr Gefühl."
Während die Reiterin vor dem Turnier in Berlin 359ste der Weltrangliste war, rangierte Marschall auf Platz 118. Beide haben also noch einen langen Weg vor sich, um den Sprung in die Weltspitze zu schaffen. "Das Ziel, nach oben zu kommen, ist da, aber da zählt halt im Reitsport auch nicht nur der eigene Körper und auch der eigene Ehrgeiz zu, sondern eben auch die Pferde", sagt Bormann.