Rekonstruktion eines Spektakels
Als die Operette "Im weißen Rössl" 1930 in Berlin uraufgeführt wurde, spielten über 100 Musiker für 3.500 Zuschauer. Anhand eines erhaltenen Klavierauszugs und des 2008 in Zagreb aufgefunden Orchestermaterials hat die Staatsoperette Dresden die Ur-Fassung rekonstruiert.
Wie "Im weißen Rössl", eine der am meisten gespielten Operetten überhaupt, bei ihrer Uraufführung 1930 geklungen haben muss, ist mehr als ein halbes Jahrhundert unbekannt geblieben. Gespielt wurde nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg "Im weißen Rössl" ausschließlich in einer Bearbeitung aus dem Jahre 1951. "Die jüdische Kitschoperette" war nämlich von den Nationalsozialisten verboten, der Musikverlag Ernst Bloch aufgelöst worden und das Notenmaterial verschollen gewesen.
Schon seit einiger Zeit hatte sich die Staatsoperette Dresden, von einem erhaltenen gebliebenen Klavierauszug ausgehend, bemüht, den originalen Sound zu rekonstruieren. Nun kam im Dezember 2008 überraschend der Fund des Orchestermaterials aus dem Archiv des Theaters Zagreb hinzu.
"Im weißen Rössl" war im Berliner Schauspielhaus 1930 allerdings ein gewaltiges Spektakel mit über 100 Musikern vor 3.500 Zuschauern gewesen: Zitherspieler, Jazz- aber auch Blasmusikkapellen waren neben dem großen Bühnenorchester auf verschiedenen Plätzen postiert. So weit kann man heute nicht gehen: Die nun auf der rekonstruierten Originalfassung basierende bühnenpraktische Orchestereinrichtung, die in der Staatsoperette gezeigt wird, kommt mit gut 50 Mann aus.
Doch der Charakter der Musik ist in der Tat anders als der gewohnte Rössl-Sound, weit herber, ein oft abrupter, sarkastischer Wechsel der Rhythmen und Stile, Folklore, Jazz, sentimentaler Gesang, der wiederum plötzlich ironisch kommentiert wird, gar nicht stilistisch so weit von der gleichzeitig erfolgreichen "Dreigroschenoper" von Kurt Weill entfernt. Es ist allerdings keine Cafehaus- oder Salonorchester-Musik, wie sie oft erklingt, wenn heutzutage Schauspielensembles das "Weiße Rössl" spielen, sondern Musiktheater mit großem Orchester, vielen Chor- und Ballettnummern, temperamentvoll und nuancenreich vom Orchester der Staatsoperette unter Christian Garbosnik umgesetzt.
Die Inszenierung ist keine Rekonstruktion. Auf der bescheidenen Bühne in Dresden-Leuben konnte die Uraufführung schon wegen des immensen Aufwandes nicht nachgestellt werden. Als Bühnenbild (Daniel Gantz) dient lediglich ein Karussell, das die einzelnen Schauplätze in Andeutungen vorführt. "Im weißen Rössl" markiert 1930 ein Ende der Operette, ihren Übergang zur Revue. Mit der Betonung des Produzenten Eric Charell gegenüber dem Komponistenkollektiv (neben Benatzky, auch Künnecke, Granichstädten, Stolz und Gilbert) scheint "Im weißen Rössl" auch das Broadway-Musical vorweggenommen zu haben.
Doch in der Inszenierung und Choreographie durch Winfried Schneider wird eine andere Metamorphose der Operette sichtbar. "Im weißen Rössl" in der Dresdner-Staatsoperette schrumpft nämlich zu einer etwas harmlosen biederen Revue in der Art von Friedrich-Stadt-Palast- Vergnügungen oder konventionellen Fernsehballett-Darbietungen ein. Von der Schwermut, der legendären Bar-jeder-Vernunft-Aufführung 1992 mit ihrer Reisesehnsucht (die Schrammelnummer "Erst wenn´s aus wird sein" fehlt in Dresden), die Kritiker das "Weiße Rössl" sogar in Tschechow-Nähe rücken ließ, aber auch von einer bissigen Tourismuskritik, wie sie mehrere ambitionierte "Im weißen Rössl"-Inszenierungen der letzten Jahre vorführten, keine Spur. Die Pointen des Librettos kommen etwas zäh.
Sicher: Das Verdienst der Staatsoperette Dresden, das Gebiet der musikalischen Theaterunterhaltung so seriös und ernsthaft zu pflegen, kann nicht genug gerühmt werden. Kein Theater in Deutschland kann noch so adäquat die traditionellen Operettenrollen – noch dazu in Doppelbesetzungen – mit souveränen Operettenprofis besetzen. Das Charisma großer Stars vermisst man allerdings in Dresden und im Gegensatz zur Uraufführung vor 3.500 Zuschauern benötigen die Darsteller heute alle ein Mikroport. Man ist bescheidener geworden.
Schon seit einiger Zeit hatte sich die Staatsoperette Dresden, von einem erhaltenen gebliebenen Klavierauszug ausgehend, bemüht, den originalen Sound zu rekonstruieren. Nun kam im Dezember 2008 überraschend der Fund des Orchestermaterials aus dem Archiv des Theaters Zagreb hinzu.
"Im weißen Rössl" war im Berliner Schauspielhaus 1930 allerdings ein gewaltiges Spektakel mit über 100 Musikern vor 3.500 Zuschauern gewesen: Zitherspieler, Jazz- aber auch Blasmusikkapellen waren neben dem großen Bühnenorchester auf verschiedenen Plätzen postiert. So weit kann man heute nicht gehen: Die nun auf der rekonstruierten Originalfassung basierende bühnenpraktische Orchestereinrichtung, die in der Staatsoperette gezeigt wird, kommt mit gut 50 Mann aus.
Doch der Charakter der Musik ist in der Tat anders als der gewohnte Rössl-Sound, weit herber, ein oft abrupter, sarkastischer Wechsel der Rhythmen und Stile, Folklore, Jazz, sentimentaler Gesang, der wiederum plötzlich ironisch kommentiert wird, gar nicht stilistisch so weit von der gleichzeitig erfolgreichen "Dreigroschenoper" von Kurt Weill entfernt. Es ist allerdings keine Cafehaus- oder Salonorchester-Musik, wie sie oft erklingt, wenn heutzutage Schauspielensembles das "Weiße Rössl" spielen, sondern Musiktheater mit großem Orchester, vielen Chor- und Ballettnummern, temperamentvoll und nuancenreich vom Orchester der Staatsoperette unter Christian Garbosnik umgesetzt.
Die Inszenierung ist keine Rekonstruktion. Auf der bescheidenen Bühne in Dresden-Leuben konnte die Uraufführung schon wegen des immensen Aufwandes nicht nachgestellt werden. Als Bühnenbild (Daniel Gantz) dient lediglich ein Karussell, das die einzelnen Schauplätze in Andeutungen vorführt. "Im weißen Rössl" markiert 1930 ein Ende der Operette, ihren Übergang zur Revue. Mit der Betonung des Produzenten Eric Charell gegenüber dem Komponistenkollektiv (neben Benatzky, auch Künnecke, Granichstädten, Stolz und Gilbert) scheint "Im weißen Rössl" auch das Broadway-Musical vorweggenommen zu haben.
Doch in der Inszenierung und Choreographie durch Winfried Schneider wird eine andere Metamorphose der Operette sichtbar. "Im weißen Rössl" in der Dresdner-Staatsoperette schrumpft nämlich zu einer etwas harmlosen biederen Revue in der Art von Friedrich-Stadt-Palast- Vergnügungen oder konventionellen Fernsehballett-Darbietungen ein. Von der Schwermut, der legendären Bar-jeder-Vernunft-Aufführung 1992 mit ihrer Reisesehnsucht (die Schrammelnummer "Erst wenn´s aus wird sein" fehlt in Dresden), die Kritiker das "Weiße Rössl" sogar in Tschechow-Nähe rücken ließ, aber auch von einer bissigen Tourismuskritik, wie sie mehrere ambitionierte "Im weißen Rössl"-Inszenierungen der letzten Jahre vorführten, keine Spur. Die Pointen des Librettos kommen etwas zäh.
Sicher: Das Verdienst der Staatsoperette Dresden, das Gebiet der musikalischen Theaterunterhaltung so seriös und ernsthaft zu pflegen, kann nicht genug gerühmt werden. Kein Theater in Deutschland kann noch so adäquat die traditionellen Operettenrollen – noch dazu in Doppelbesetzungen – mit souveränen Operettenprofis besetzen. Das Charisma großer Stars vermisst man allerdings in Dresden und im Gegensatz zur Uraufführung vor 3.500 Zuschauern benötigen die Darsteller heute alle ein Mikroport. Man ist bescheidener geworden.