Der Rabbi und der Papst
Sie haben sich in Argentinien kennengelernt, bis heute sind sie gute Freunde: Der Rabbiner Abraham Skorka hat Papst Franziskus schon mehrfach im Vatikan besucht. Jetzt reisen sie gemeinsam nach Israel - und pflegen den Dialog zwischen den Religionen.
Alles begann mit einem Scherz in der Kathedrale von Buenos Aires. An Argentiniens Nationalfeiertag waren dort Vertreter verschiedener Religionen zur katholischen Messe geladen, und Rabbiner Abraham Skorka traf zum ersten Mal den damaligen Erzbischof Jorge Bergoglio.
"Er witzelte, wie schlecht es dem Fußballklub erginge, dessen Fan ich bin, und wie gut sein geliebter Verein San Lorenzo dastehe. Er war sehr lustig, sehr sympathisch. Von da an blieben wir in Kontakt. Wir lernten uns immer besser kennen und nahmen gemeinsame Projekte in Angriff."
Das wohl wichtigste Projekt des Rabbiners und des Bischofs war ein ausführlicher christlich-jüdischer Dialog - veröffentlicht als Buch, das seit vergangenem Jahr auch auf Deutsch vorliegt. Der Titel: "Über Himmel und Erde". Die beiden Argentinier tauschen darin ihre Ansichten zu religiösen und weltlichen Themen aus: Gott, Fundamentalismus, Tod, Abtreibung, die Shoah, Globalisierung oder Armut.
Ein Besuch an der Westmauer des jüdischen Tempels
Als aus Jorge Bergoglio Papst Franziskus wurde, tat das der Freundschaft zu Abraham Skorka keinen Abbruch. Der Rabbiner hat Franziskus bereits drei Mal im Vatikan besucht. Bei einem dieser Treffen hatten beide die Idee einer gemeinsamen Reise nach Israel und Palästina.
"Diesen Traum begannen wir bei unserem ersten Wiedersehen im Vatikan zu träumen. Und Gott sei Dank sind wir nun dabei, ihn zu verwirklichen. In Jerusalem wollen wir gemeinsam die Westmauer des zweiten jüdischen Tempels besuchen – für unsere beiden Religionen ein ganz besonderer Ort."
Denn schließlich hat die sogenannte Klagemauer, die den Juden als Gebetsort heilig ist, auch für Christen Bedeutung, weil im zweiten Tempel Jesus ein und aus ging. Papst Franziskus wird bei seiner Reise in den Nahen Osten nicht nur Jerusalem und die jordanische Hauptstadt Amman besuchen, sondern auch Bethlehem. Abraham Skorka:
"Ihn dorthin zu begleiten, ist ein Zeichen des Respekts. Natürlich hat Jesus im Judentum nicht dieselbe Bedeutung wie im Christentum. Aber es geht darum, dem Papst in einem spirituellen Moment als Freund nahe zu sein und zu zeigen, dass Religionen nicht spalten, sondern verbinden sollen – trotz aller Unterschiede."
Franziskus verlieh Skorka die Ehrendoktor-Würde
Der 63-jährige Abraham Skorka ist Rektor des Lateinamerikanischen Rabbiner-Seminars in Buenos Aires. Es bildet Rabbiner für den ganzen Subkontinent aus, einige Absolventen arbeiten in Israel, den USA und Frankreich. Seit 38 Jahren leitet Skorka in der argentinischen Hauptstadt die Gemeinde "Benei Tikva" – zu deutsch "Kinder der Hoffnung". Deren Synagoge ist nach dem berühmten deutschen Rabbiner und Shoah-Überlebenden Leo Baeck benannt. Die Gemeinde "Benei Tikva" wurde Ende der 1930er-Jahre von Nazi-Flüchtlingen aus Deutschland gegründet. Abraham Skorkas eigene Wurzeln liegen in Polen.
"Da die Familien meiner Großeltern von den Nazis praktisch ausgelöscht wurden, klang Deutsch für mich früher sehr hässlich. Meine Muttersprache - neben Spanisch - ist Jiddisch, das dem Deutschen ähnlich ist. Als ich Rabbiner einer deutschstämmigen Gemeinde wurde, traf ich dort alte Menschen, die keinerlei Spanisch sprachen. Mit meinen Jiddisch- und ihren Deutschkenntnissen konnten wir uns verständigen."
Seinen Freund Papst Franziskus lud Skorka zwei Mal in die Leo Baeck-Synagoge ein – zu hohen jüdischen Feiertagen. Skorka erhielt die Ehrendoktor-Würde der Katholischen Universität Argentiniens - Jorge Bergoglio verlieh sie ihm in einer bewegenden Zeremonie. Der Rabbiner hat auch noch einen anderen Doktortitel – er ist promovierter Chemiker. Die Leidenschaft, mit der er sich religiösen und weltlichen Studien gewidmet hat, steckt Skorka auch in den interreligiösen Dialog, der in Argentinien Tradition hat.
"Franziskus und ich sind uns bei allen Themen nahe, von Nuancen abgesehen. Wir versuchen, ein tiefes Verständnis für den anderen zu entwickeln. Der Dialog ist ein grundlegender Teil der Bibel: Gott sagte zu Moses, Abraham sagte zu Gott, Gott sagte zu Adam – die Bibel ist ein einziger Dialog. Generell haben doch alle Probleme ihre Ursache im Fehlen eines Dialoges."