Religion im Computerspiel

Ballern für die Sache Gottes

Bewohnerin vor einer Christus Darstellung in einer Kirche
Screenshot der Web 3D Simulation Second Life © imago/Friedrich Stark
Von Peter Kaiser |
Die Spieleindustrie macht jedes Jahr ein Vermögen - und erreicht Millionen Daddler mit ihren Botschaften. Das brachte einige Kirchenleute auf die Idee, am PC-Spiele-Boom teilhaben zu wollen. Doch das war gar nicht so einfach.
Eine perfekte Welt braucht keine Götter...
"Es gibt Spiele, wie Black and White zum Beispiel oder Populous. Da spielen Sie eine gottähnliche Gestalt. Sie sind quasi Gott, Sie haben Ihre Geschöpfe, die haben Sie teilweise einfach geschaffen und denen gegenüber verhalten Sie sich. Gut oder böse."
Michael Walthemathe ist akademischer Oberrat am Lehrstuhl für praktische Theologie der Rhein-Universität in Bochum.
…doch wenn die Menschen beten, wird ein Gott geboren, der die Ewigkeit verändern kann...
"Das ist ganz interessant, das verzerrt so ein bisschen die Gottesvorstellungen der etablierten Religionen."
Dieser Gott bist du….
"Im Leben ist das letztendlich viel einfacher. Sie werden geboren, und da sind schon mal die Würfel gefallen. Westliche Hemisphäre, östliche Hemisphäre, Mann, Frau. Im Spiel ist das alles offen, ja."
Natascha Adamowsky ist Kulturwissenschaftlerin an der Universität in Freiburg.
"Es geht nach wie vor um das Scheitern an einer Herausforderung und das Dar-stellen dieser. Das ist gleich, seit jeher. Sogar über die Computerspiele hinaus."
Der Medienpädagoge Martin Geisler leitet das Institut für Computerspiel – Spawnpoint an der Fachhochschule in Erfurt.
...es liegt an Dir. Du bist das Schicksal. Du bist ein Gott!
Keine schlechten Voraussetzungen, um religiöse Botschaften zu vermitteln
Seit es Computer gibt, wird damit auch gespielt. Diese Spiele bringen der Computerspiele-Industrie pro Jahr mehrere Hundert Millionen Euro Gewinn. Zielgruppe sind dabei meist Jugendliche und junge Erwachsene. Die halten sich in den unzähligen virtuellen Welten wie etwa World of Warcraft, WOW, oder Warhammer nicht selten tagelang auf.
Insgesamt sind das keine schlechten Voraussetzungen, um auch religiöse Inhalte zu vermitteln. Das haben sich aufmerksame Kirchenleute schon sehr früh gesagt und versucht, am PC-Spiele-Boom zu partizipieren.
"Der Ansatz war: Wenn Jugendliche solche Spiele spielen, dann eröffnen sie sich neue Welten, erschließen sich neue Welten, sie erspielen sich neue Lebensbereiche. Und warum soll Religion nicht auch so ein erspielbarer Lebensbereich sein? Und nun würde mich die Frage interessieren, kann ich so ein Computerspiel religionspädagogisch nutzen, kann ich die Momente, an denen die Spieler da Religion erfahren für Lernprozesse nutzen?"
Wohl dieser eher "pädagogischen Stoßrichtung" mag es geschuldet sein, dass die "Godgames" der Kirchen lange Zeit erfolglos waren. Denn die fast niedlich wirkenden virtuellen Glaubenswelten wie etwa das 1997 erschienene Pastor 3D, in dem Gesangsbücher eingesammelt und gegen Teufelsfratzen verteidigt werden müssen, hielten dem Vergleich zu Welten wie Call of Duty, Destiny und anderen nicht stand. Bis neue Kirchenfachleute wie etwa Michael Walthemathe und Christoph Terno neue Religionsspiele schufen. So muss das von diesem Autoren-Duo konzipierte Spiel Destination 2064 den Vergleich zu den in den Fachgeschäften käuflichen Spielen nicht mehr scheuen.
"Das Computerspiel ist ja gemacht worden zum 450. Calvin-Jubiläum, und es geht dann logischerweise um Johannes Calvin."
Im EKD-Online-Spiel Destination 2064 muss der Spieler im Jahre 2064 in einer Bibliothek ein Praktikum absolvieren. Dabei hat er für eine Calvin-Ausstellung nach Fehlern zu suchen, die er nur mit Hilfe einer Zeitmaschine in Calvins Vergangenheit findet.
"Der Spieler kann verschiedene Stationen des Lebens von Calvin erfahren, und kann eben - und das ist der Witz daran – auch nach dem Tod von Calvin das weitere Wirken des Calvinismus so ein bisschen für sich erarbeiten. Und das Ziel des Spiels, so wie das Spiel jetzt ist, ist hinterher dann in eine Ausstellung über Calvin, die in der Jetztzeit spielt, in der Zeit, in der der Spieler spielt, zu gucken, ob die Ausstellung korrekt ist und ob Calvin vernünftig dargestellt ist."
In den God Mode versetzen
Nur, was kann Jugendliche an Calvin heute faszinieren? Ist ein Computerspiel generell geeignet religiöse Inhalte zu vermitteln? Und was empfindet ein Jugendlicher, wenn er sich in den God Mode, also in die Gottrolle versetzt? Dabei verleiht der Gott-Modus dem Spieler Superkräfte und hilft ihm, den Endgegner zu besiegen. Natascha Adamowsky sieht den God Mode gelassen.
"Die Bezeichnung gottgleich, gottähnlich, Master des Spiels, die fällt immer wieder. Die meisten Spieler benutzen dieses Wort ähnlich, wie sie sich auch begeistert in mittelalterliche Welten stürzen. Ohne vorher Mediävistik studiert zu haben. Und genauso wenig haben sie sich vorher Gedanken darüber gemacht, wie das jetzt in ihrer Religion mit Gott oder Allah – spielen ja nicht nur Christen Computerspiele, sondern auch Muslime oder Atheisten – wie es darum steht. Aber es ist eine Metapher, die Allmacht beschreibt."
Apropos Allmacht, kommen nicht Spiele, die etwa das "Ballern für die Sache Gottes" propagieren, besser an? Beispiel etwa christlich fundamentalistische US-Games wie Eternal War. Hier muss der Spieler die Seele eines Troubled Teenagers namens John Coronado retten. Der Spieler wird zum Engel, den Gott zur Rettung schickt, und der gegen Dämonen losballert. Gewalt für Gott? Der Medienpädagoge Martin Geisler vom Institut für Computerspiel – Spawnpoint an der Fachhochschule in Erfurt.
"Die gewalthaltigen Computerspiele nehmen auf den Markt eigentlich einen sehr kleinen Teil ein. 5 Prozent im Prinzip. Gleichwohl sind sie bei den Jugendlichen, oder sagen wir jungen Erwachsenen sehr beliebt. Und erreichen dort, ohne Frage, auch 80 Prozent der Beliebtheit. Und wir müssen natürlich die Frage stellen, was ist es eigentlich, was diese große Anziehung ausmacht?"
Spricht man über religiöse Games, so spricht man auch über jene anderer Religionen, etwa Islam-Games oder jüdische Computer-spiele. Gibt es sie? Und wenn, wie?
Hallo, darf ich mich vorstellen: Sansanvi. Genau San Sanvi. Ich bin ein Engel.
"Wir haben das damals speziell für die Zielgruppe Grundschüler kreiert. Also so eine Anwendungsgruppe zwischen 6 und 12 Jahren, eher 8 und 12 Jahren. Und bei dieser Gruppe wird es auch sehr gut angenommen. "
...und nunviel Spaaaß...
Auch jüdische und muslimische Spiele auf dem Markt
Mirjam Menzel leitet den museumspädagogischen Bereich im Jüdischen Museum Berlin. Das Sansanvi-Spiel, sagt sie, ist eher eine Art Führer durch den jüdischen Lebensalltag, und kein PC-Spiel mit Gewinncharakter.
"Das Spiel hat mehrere Stationen, und eine Station davon ist die Synagoge. Und ich würde schon sagen, dass das ein wesentliches Element ist bei der Vermittlung der Frage, was macht einen jüdischen Alltag aus? Und es gibt auch ein anderes Element, was wir beim Imbiss erläutern: Da geht es um die Frage der Speiseregeln. Also hier gibt es einen Partner, der koscher lebt. Und welche Essenskombinationen kann der bestellen beim Imbiss?"
Jüdische religiöse Computerspiele ähnlich den christlichen, sagt Mirjam Menzel, gibt es kaum.
Und wie ist es mit muslimischen PC-Games?
Computerspiele, sagt ein Blogger, sind haram, also verboten. Der Islam verbietet es nicht, Spaß zu haben- ebenso wenig wie Freizeit. Im Spielen geht es oft um Magier oder Hexen, zudem werden Kinder an Gewalt gewöhnt, ebenso an das Töten von Kontrahenten im Spiel. Die Folge: 99 Prozent aller Computerspiele sind nicht erlaubt, sind also haram.
Doch die Grundfrage bleibt: kann ein Computerspiel religiöse Inhalte so vermitteln, dass der Spieler danach Gefallen an der Religion findet? Michael Walthemathe sagt, dass es auf der einen Seite das Phänomen gibt, dass religiöse Spieler die Spiele auch religiös interpretieren.
"Also es gibt zum Beispiel eine amerikanische Webseite, da spielen evangelische Christen Computerspiele, und stellen sich ständig bei der Spielegeschichte die Frage, dass was ich da so erspiele, hätte auch Jesus gespielt. Das heißt, die nehmen da so ihre Religiosität, übertragen die ins Computerspiel und überlegen dann: finde ich die Story in meiner religiösen Tradition wieder? Aber ich glaube, die Spieler haben in diesen Spielen auch die Möglichkeit, ihre eigene Religiosität hineinzubringen und spielerisch zu hinterfragen. Aber das ist ein ganz spezifischer Zugang, der in vielen kommerziellen Spielen eben nicht möglich ist."
Für die, die Computerspiele frequentieren, ob Jung oder noch jünger, stellen sich viele dieser Fragen selten. Sie wollen Spaß haben, wollen unterhalten werden. Dabei ist es ihnen egal, ob sie Gott, ein gottgleicher Soldat, ein Mutant, ein Alien oder was und wer auch immer sind. Grundsätzlich aber ist schon zu sagen, dass christliche Computerspiele nicht fehl am Platz sind. Vielleicht kommt es nur darauf an, wie geschickt sie verstehen, ihre Inhalte zu vermitteln. In diesem Sinne wäre etwa die Heiligsprechung als höchster Level eher kontraproduktiv.
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