Oft setze ich gerade bewusst einen Gegenpunkt, weil diese Plattform für Schönheit steht und auch viel oberflächlich ist. Gerade Instagram als Bildmedium wird ja auch viel von Frauen genutzt, und da will ich ein Gegenpol sein, will ungeschminkt sein und ehrlich, so wie ich eben bin, äußerlich und innerlich, und das fällt mir gar nicht schwer. Gott sei Dank.
Religiöse Influencer
Progressive Theologinnen und Theologen laufen gut, aber auch konservative religiöse Influencer finden in den sozialen Medien viele Fans. © Unsplash / Priscilla du Preez
"Ein Geschenk Gottes, dieses Internet"
07:44 Minuten
Eine Fangemeinde wie Popstars haben manche US-Prediger auf Social-Media-Kanälen. Doch auch in Deutschland nutzen Religiöse zunehmend Instagram oder Youtube - und bringen es auf Tausende Follower.
Steven Furtick ist kein Popstar, auch wenn er so klingt: Furtick ist US-amerikanischer Baptisten-Pastor. Religion auf Social Media ist für ihn längst eine Selbstverständlichkeit – 3,6 Millionen Follower hat er auf Instagram.
In den USA ist der Hype um christliche Prediger so groß, dass es sogar eine Website gibt, die die Turnschuhe der bekanntesten Influencer verkauft: preachersneakers.
30.000 Follower auf Instagram
In Deutschland sehen die Dimensionen ein wenig anders aus. Aber auch hier finden Theologinnen und Theologen zunehmend ihre Bühne in den sozialen Medien. Führend auf Instagram ist die Pastorin Josephine Teske mit 30.000 Followern.
„Ich habe so wie alle ganz klein angefangen und von mir erzählt, von meiner Familie. Die Menschen, die mir gefolgt sind, waren meine Freunde, meine Geschwister oder Kolleginnen. Und irgendwann fing das an, dass ich gemerkt habe, was ich zu sagen habe und die Art, wie ich erzähle, das interessiert Menschen und das nimmt Menschen mit“, sagt sie.
„Dann habe ich angefangen, das zu intensivieren, habe mir mehr Gedanken darüber gemacht, was könnte Menschen interessierten, was wollen die wissen, von diesem Beruf, vom Glauben? Wie kann ich vom Glauben auf Social Media erzählen? Und dann hat sich das irgendwie verselbstständigt.“
Ein Gegenpol zum Insta-Schönheitsideal
Auf ihrem Kanal geht es nicht nur um Religion. Vielmehr bietet er die Gelegenheit, Teske selbst kennenzulernen – auf eine zutiefst persönliche Art. Neben ihrer Arbeit geht es viel um ihre Familie und sie selbst. Ihre Fehlgeburt ist nur eines der Themen, über die Teske ehrlich und aufrichtig spricht.
Diese Ehrlichkeit falle ihr nicht schwer, sagt sie – selbst bei einem Medium wie Instagram, auf dem vieles beschönigt und verfälscht wird.
Ein Pastorinnenehepaar als Youtube-Stars
Progressive Theologinnen laufen gut auf Social Media. Ein weiteres Beispiel ist der Kanal „Anders Amen“, geführt vom Pastorinnenehepaar Steffi und Ellen Radtke.
„Hallo, hier sind Elli, Stelli und Bibi. Wir sind gerade in der 35. Woche, das heißt, Elli ist in Elternzeit und hat free. War eine gute Entscheidung, dass Elli schwanger geworden ist, wir haben jetzt noch sechs Wochen Zweisamkeit.“
24.500 Subscriber, also Abonnenten, hat „Anders Amen“ auf Youtube. Die beiden Pastorinnen fühlen sich der LGBTQ+-Community zugehörig, die Abkürzung steht für lesbisch, gay, bisexuell, transgender, queer und andere. Die Schnittstelle aus LGBTQ+ und Religion hat die Radtkes berühmt gemacht, ebenso wie der Beweis, dass Religion nicht rückständig sein muss.
Ähnlich ist das beim Kanal des selbsternannten „breitesten Pastors Deutschlands“. Der Wuppertaler Pastor Marcus Schneider stemmt dort mit tätowierten Baumstammarmen mehr als 170 Kilo in die Luft. Ein Kirchenmann als Fitnessguru.
Auch konservative Influencer finden ihr Publikum
Dass man allerdings auch als religiös-konservative Influencerin relativ erfolgreich auf Social Media sein kann, zeigt der Kanal von li.marie. Sie hat Theologie studiert und bezeichnet sich auch selbst als „Christfluencerin“. Mit ihrem Partner spricht sie dort zum Beispiel darüber, warum sie keinen Sex vor der Ehe haben wollten. Auch das findet Publikum: 13.000 auf Instagram.
Social Media funktioniert religionsübergreifend. Aus London meldet sich Sabah Ahmedi, der zum muslimischen Institut Jamia Ahmadiyya gehört, auf verschiedenen Kanälen unter dem Titel „the young imam“ zu Wort:
„Mein Name ist Sabah Ahmedi, ich bin einer von Großbritanniens jüngsten Imamen und ich bin nach London gegangen, um Menschen zu fragen, ob sie raten können, was mein Beruf ist. Und wenn sie richtig liegen, dann bezahle ich sie dafür. Rate meinen Job und ich geb dir 20 auf die Hand!“
Was mir dieses Sozialexperiment gezeigt hat, ist, dass Menschen immer noch die Vorstellung haben, dass ein Imam niemand sein kann, der jung ist. Er muss im mittleren Alter sein und einen langen Bart haben, eine lange Robe tragen. Ich hoffe, dass Menschen von diesem Video lernen, dass ein Imam jung sein kann und jemand, mit dem man sich identifizieren kann. Es gibt viele falsche Vorstellungen da draußen, und als Muslim denke ich, Menschen denken, mit Muslimen kann man sich nicht identifizieren, weil sie Gewalt und Terror verbreiten.
Ahmedi ist überzeugt davon, dass Social Media die Zukunft der Religion ist: „Ich habe vor zweieinhalb Jahren beschlossen, auf Instagram zu gehen", erzählt er.
"Ich saß in einem Teeladen und ein Freund sagte zu mir, du musst auf Instagram, wir brauchen einen jungen Imam dort, mit dem Leute etwas anfangen können, mit dem sie sich unterhalten und von dem sie Rat bekommen können. Es gibt viel Raum für junge Religiöse auf Social Media. Ich denke, Social Media ist der Weg nach vorne in einigen Aspekten, vor allem für junge Leute, die dort sind, die nach einem Rettungsseil suchen und nach jemanden, dem sie sich verbunden fühlen.“
"Ohne Social Media kommst du nirgends mehr hin"
Auf eine sehr ähnliche Art und Weise sieht das Rabbi Manis Friedman aus New York. Als „Youtube’s Number One Rabbi“ predigt er via Bildschirm – etwa 50 Prozent seiner Zeit geht für Social Media drauf.
Friedmann erklärt religiöse Begriffe, gibt Antworten auf Fragen nach dem Wert des Lebens oder der Beziehung zwischen Mann und Frau in der Ehe, erläutert Bibelstellen, etwa um zu zeigen, was „Abraham großartig macht“. Sein Sohn hilft ihm, die verschiedenen Kanäle zu managen.
„Ich denke, heutzutage braucht jeder Social Media. Ohne kommst du nirgends mehr hin. Wenn du eine universelle Botschaft hast, ist es wirklich grundlegend. Es ist wirklich ein Geschenk Gottes, dieses Internet“, sagt er.
Als Star sieht Rabbi Friedman sich übrigens nicht. Als Prediger vielmehr, sagt er. Online kursiert der Begriff der „Sinnfluencer“ für Menschen wie ihn.
„Ach, naja“, sagt Josephine Teske. „Es gibt die Influencer, und dann mussten wir wohl als Kirche auch noch einen eigenen Begriff haben, und jetzt sind wir halt die Sinnfluencer. Na klar, ich erzähle vom Sinn des Lebens, von meinem Sinn des Lebens und dem vieler, vieler anderer Menschen und Gläubigen natürlich auch. Aber am Ende: Erzählen wir da nicht alle vom Sinn?“