Kein Fach wie Jura oder Medizin
Mit einem Festakt ist die "School of Jewish Theology" an der Universität Potsdam eröffnet worden. Es ist das erste Institut für Jüdische Theologie an einer staatlichen Universität in Deutschland.
Musik von vier Studierenden des Abraham-Geiger Kollegs, die dort das Kantorenseminar belegen und den Rahmen bildeten für die ganze Festgesellschaft und ihre Kommilitonen.
2 von 47 Studenten, die sich in diesem Wintersemester für den Bachelor-Studiengang "Jüdische Theologie" eingeschrieben haben; sie kommen aus elf Nationen, die Hälfte von ihnen ist nichtjüdischer Herkunft.
"Ich finde jüdische Kultur ist sehr interessant, sehr vielseitig, sehr reichhaltig, und sehr tiefgründig. Und ich wusste davor gar nicht, wie interessant das ist; und wie viel man auch über die Geschichte anderer Länder mitbekommt. Und ich find das sehr interessant."
"Ich studiere, um Rabbiner zu werden. Und hier an einer Uni zu studieren nicht nur mit Juden, sondern auch mit Nicht-Juden – ich finde das ganz toll."
Mit dem Festakt in Potsdam vor 400 geladenen Gäste aus aller Welt ist die "School of Jewish Theology" der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam auch offiziell eröffnet. Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) schickte ihren Staatssekretär Thomas Rachel, da sie in den Koalitionsverhandlungen in Berlin feststeckt. Er sagt: ein historisches Ereignis und verweist auf die Geschichte:
"Die jüdische Theologie wird allerdings an einer deutschen Universität nie ein Fach sein wie Medizin oder Jura. Angesichts dessen, was in den 30er oder 40er Jahre von Deutschland aus geschehen konnte, kann und darf es Normalität nicht geben."
Eigentlich auch in den schwarz-roten Koalitionsgesprächen sitzt Dietmar Woidke (SPD), der Ministerpräsident von Brandenburg, der sie aber aus Anlass der Institutseröffnung vorzeitig verlassen hatte.
Eine 200 Jahre alte Forderung
"Erstmals in der Bundesrepublik wird die jüdisch-theologische Ausbildung gleichberechtigt mit den christlichen Theologien und den Studien des Islam in der Mitte universitärer Forschung und Lehre stehen. Erstmals ist jüdische Bekenntnis-gebundene Theologie an einer Universität in Deutschland fest verankert."
Mit der Eröffnung der Jüdischen Theologie erfüllt sich die Forderung des liberalen Rabbiners Abraham Geiger. Der hatte schon 1836 erklärte, die Emanzipation der Juden sei erst dann vollendet, wenn die Ausbildung der Rabbiner mit derjenigen christlicher Geistlicher gleichgestellt sei und an einer staatlichen Universität stattfinde. Landesrabbiner Henry Brandt:
"Es ist die Erfüllung von Träumen und Hoffnungen von vor zwei Jahrhunderten. Es ist die Erfüllung einer verleugneten Notwendigkeit. Es ist eine Weg weisende Neuerung, ein Vermächtnis von den Rabbinern Geiger und Frankel, die wir ja jetzt gefeiert haben."
Da es in Brandenburg als einzigem deutschen Bundesland weder eine katholische noch eine evangelische theologische Fakultät an einer staatlichen Universität gibt, wird auch die "School of Jewish Theology" keine eigenständige jüdisch-theologische Fakultät. Allerdings besitzt sie an der Philosophischen Fakultät mehr Autonomie als die anderen Institute.
"Ein wichtiges Zeichen"
Der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman:
"Das ist ein wichtiges Zeichen. Im Zentrum der jüdischen Religion und Tradition stehen seit jeher Fragen. In der Tat sind es Fragen über Frage. Und meiner Meinung nach kann nichts symbolischer sein als ein Ort wie die 'School of Jewish Theology'. An diesem Ort wird gelernt und gelehrt, hier werden Wissenschaftler, Intellektuelle, Rabbiner und Studenten mit diesen Fragen konfrontiert; und sie werden sich mit ihnen auseinander setzen."
Die Festrede hielt Margot Käßmann, Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017. Sie rief zur kritischen Auseinandersetzung mit religiösen Schriften auf.
"Religion braucht Bildung. Das ist eine entscheidende Grundüberzeugung und sie wurde von den deutschen Juden sehr wohl geteilt. Natürlich wurden Rabbiner auch im 19. Jahrhundert und bis zum Beginn der Nazi-Diktatur ausgebildet in Deutschland, doch diese Ausbildung konnte sich eben nicht an öffentlichen Universitäten etablieren."
Jetzt also beginnt das Institut als weltweit einzigartiger Ort der gemeinsamen Ausbildung von Rabbinern unterschiedlicher Ausrichtung. Denn erst am Sonntag eröffnete das "Zacharias Frankel College" als erstes konservatives Rabbinerseminar Europas in Potsdam und arbeitet nun an der Universität mit dem schon 1999 gegründeten liberalen Rabbinerseminar zusammen.
Und die Studierenden?
"Oh, ganz liberal"
"Schon eher liberal, ja!"