Philip Gorski: Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump
Aus dem Amerikanischen von Philip Gorski und Hella Heydorn
Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2020
224 Seiten, 24 Euro
"Manche meinen sogar, Trump sei von Gott geschickt"
13:35 Minuten
Sie sind sehr konservativ, sehr weiß und treue Wähler Donald Trumps: evangelikale Christen. Der Religionssoziologe Philip Gorski untersucht ihren politischen Einfluss und hält die religiösen Überzeugungen der Evangelikalen für demokratiegefährdend.
Bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen hat Donald Trump mehr Stimmen von evangelikalen Christen erhalten als je ein Kandidat zuvor. Einer Gruppe von Menschen, die sehr streng gläubig, sehr konservativ und sehr weiß sind. Warum wählen tief religiöse Menschen einen Mann, der ein Serien-Ehebrecher ist, der lügt, schimpft und der sein eigenes Buch "The Art of the Deal" ständig mit der Bibel vergleicht?
"Manche Evangelikale fühlen sich unterdrückt und verfolgt in den heutigen USA", erklärt der Religionssoziologe Philip Gorski von der Yale-Universität den Erfolg von Trump bei dieser Gruppe. Sie hätten das Gefühl, einen "starken Beschützer" zu brauchen, den sie in Trump sähen. "Es gibt manche, die sogar meinen, er sei von Gott geschickt."
Die Wahrnehmung Trumps als streng gläubiger Christ habe mit seiner Darstellung in christlichen und konservativen Medien der USA zu tun. "Da wird er wirklich so präsentiert", so Gorski. "Dazu muss man auch sagen, dass er sehr enge und gute Beziehungen zu leitenden Evangelikalen unterhält."
Eine Gefahr für die Demokratie
Gorski untersucht den politischen Einfluss weißer evangelikaler Christen und hat das Buch "Am Scheideweg – Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump" veröffentlicht. Er warnt: Im Zusammenspiel der Evangelikalen mit Trump gehe es bei der Präsidentschaftswahl um den Bestand der US-Demokratie.
Denn: Die Bibel so wörtlich zu lesen wie evangelikale Christen, sei gefährlich für die Demokratie, ist Gorski überzeugt. "Die Mehrheit der weißen Evangelikalen erwartet die Rückkehr Christi innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahre", sagt der Religionssoziologe. Sie würden in der Zeitgeschichte nach Zeichen für bevorstehende Ereignisse deuten und die bevorstehende "Endzeit" wortwörtlich als Kampf zwischen Engeln und Dämonen und auf Erden zwischen Gut und Böse verstehen. In der Covid-19-Pandemie sehen viele die Rache Gottes für die Sünden der USA, allerdings nicht für Sünden gläubiger Christen, sondern jene der Fortschrittlichen, der Humanisten, Atheisten, Säkularisten.
"Die Demokratie setzt voraus, dass man sich die Gegenpartei als Leute guten Willens vorstellt: als verhandlungsfähig, kompromissbereit", sagt Gorski. Außerdem setze sie voraus, dass man dem Fortbestand der demokratischen Institutionen einen höheren Wert einräume als dem Erreichen der eigenen politischen Ziele. "Wenn man sich die Welt wirklich als die Szene eines Kampfes zwischen Gut und Böse vorstellt, und sich selbst als die Guten und die Gegenpartei als die Bösen, dann sind diese Voraussetzungen einfach nicht gegeben."
(jfr)