"Remapping Memories"
Das Denkmal für die Entdeckungen (Padrão dos Descobrimentos) am Ufer des Flusses Tejo in Lissabon: Zeugnis für den Umgang mit Kolonialgeschichte. © Getty Images / LightRocket / Wolfgang Kaehler
Koloniale Spuren in Lissabon und Hamburg
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Lissabon und Hamburg profitierten jahrhundertelang vom Kolonialismus, das zeigt das Projekt „Remapping Memories“. In beiden Städten werden dabei kolonialgeschichtlich geprägte Orte aufgespürt, erklärt Susanne Sporrer vom Goethe-Institut Lissabon.
Zwei Jahre lang haben sich Lissabon und Hamburg in einem gemeinsamen Projekt des Goethe-Instituts mit den Spuren und Hinterlassenschaften der Kolonialgeschichte in den beiden Hafenstädten auseinandergesetzt. Untersucht wurde, wie sich der Kolonialismus, aber auch der antikoloniale Widerstand in den städtischen Raum eingeschrieben haben: "Remapping Memories Lissboa - Hamburg: Postkoloniale Erinnerungsorte".
Zwar wurde das Projekt am Wochenende mit einem großen Festprogramm in Lissabon vorläufig abgeschlossen, doch sei mit ihm eine "breitere Debatte angeregt" worden, auf dass sie nun vielleicht noch intensiver geführt werde, sagt Susanne Sporrer, Leiterin des Goethe-Instituts in Lissabon.
"Unfassbar" seien die Entdeckungen in der Stadt, die durch dieses Projekt möglich geworden seien. Die Auseinandersetzung mit Kolonialismus allerdings stehe sowohl in Lissabon als auch in Hamburg erst am Anfang.
Zwei Städte, ein koloniales Erbe
Die Geschichte des Kolonialismus in Portugal und Hamburg seien eng miteinander verwoben, so die Politologin. "Dies geht zurück auf den Beginn des 16. Jahrhunderts." In dieser Zeit seien Hamburger Kaufleute nach Portugal gezogen: "Sie waren an vorderster Front dabei, als es um den Aufbau des Sklavenhandels ging, als es um den Aufbau von Handelsbeziehungen ging und natürlich als es darum ging, die beginnenden Kolonien auszubeuten."
Auch seien Sepharden in dieser Zeit nach Hamburg gekommen.
"Im Grunde ist die ganze Stadt von kolonialen Erinnerungsorten gezeichnet", sagt Susanne Sporrer über Lissabon. Besonders geprägt aber habe diese Zeit– und das drücke sich nun auch im Interesse der Touristen aus – den Stadtteil Bélem: "Das ist ein Zentrum der kolonialen Ehrung und der kolonialen Würdigung." Dieser Stadtteil gleiche fast einer Ausstellung über und für diese Zeit. Hier habe sich der Kolonialismus selbst gefeiert.
Koloniale Hierarchie bis vor wenigen Jahrzehnten aktiv
"In Portugal gab es ja noch bis 1974 Kolonien und das bedeutet, dass es noch sehr viele Menschen gibt, die unmittelbar mit den Kolonien persönlich auch in Kontakt waren", so Sporrer. Bis heute seien damit Erinnerungen bei vielen verbunden, die die Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte schwer machten.
Die Verzögerung der Debatte um Kolonialismus in Deutschland dagegen habe ihre Gründe vor allem darin, dass in Deutschland die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus dominant und damit kaum Platz für die Debatte um Kolonialismus gewesen sei.
Allein aber mit diesem Projekt habe vor drei Jahren ein Prozess begonnen, dessen Erfolg Sporrer daran messe, dass in Lissabon sich nun mehrere Ausstellungen mit diesem Thema befassten. Die Arbeit des vorerst abgeschlossenen Projekts werde zunächst auf der Webseite weitergeführt, aber nicht als Archiv, wie Sporrer betont.
"Wir wollen ein lebendiges Archiv schaffen. Für alle, die sich mit diesen Städten beschäftigen oder in diesen Städten leben, sollte diese Seite etwas sein, womit sie arbeiten."
Sporrer nannte hier auch Kinder- und Jugendprojekte. Für sie soll die bislang zumeist unbekannte Geschichte hinter den Orten erzählt werden: "Sodass ein Störgefühl entsteht, wenn man an diesen kolonialen Denkmälern vorbeigeht."
Ein neues Denkmal mit neuen Wegen der Partizipation
Als ein wichtiges Beispiel für die Auseinandersetzung mit diesen kolonialgeschichtlich geprägten Orten in Lissabon nennt Sporrer ein nun entstehendes Denkmal zur Würdigung versklavter Menschen. Dies sei durch die Bürgerschaft ins Leben gerufen und über einen Bürgerfonds finanziert worden: "In partizipativen Prozessen wurde ausgewählt, was man will." Hier entsteht in kurzer Zeit ein neues Denkmal, das ein anderes Gedenken möglich macht.