Ausschnitt aus dem Hörspiel "Im Westen nichts Neues":
"Die erste Granate, die einschlug, traf unser Herz, wir sind abgeschnitten vom Streben, vom Fortschritt. Daran glauben wir nicht mehr."
Als sorglose Abiturienten zogen die jungen Männer in den Ersten Weltkrieg, wer lebend zurückkam, ist gezeichnet vom Grauen der Schützengräben.
Der Krieg wird in dieser Hörspielfassung von "Im Westen nichts Neues" nicht mit Maschinengewehrgeratter oder Explosionen aus dem Geräuscharchiv vertont. Die Regisseurin Christiane Ohaus setzt stattdessen auf Akkordeon- und Klarinettenklänge, um den Schrecken und die Sinnlosigkeit des Krieges zu illustrieren.
Artifizielle Inszenierung schafft Distanz
Ausschnitt aus dem Hörspiel "Im Westen nichts Neues":
"Ich kämpfe einen verzweifelten Kampf, ich will aus der Mulde heraus und rutsche doch wieder hinein. Ich sage mir: Du musst! Du musst! Es sind Deine Kameraden, Du musst, Du musst!"
Doch so eindrucksvoll auch die Schauspieler in ihren Rollen agieren, die artifizielle Inszenierung schafft Distanz zu den Akteuren. Und nimmt so dem eindrucksvollen Buch ein Stück von seiner Wucht.
Der Hafen von Lissabon als Tor zur Freiheit
Anders ist das mit "Die Nacht von Lissabon". Die Geschichte erzählt von der Flucht vor den Nationalsozialisten - und von den Hoffnungen auf einen Neuanfang in der Ferne.
Ausschnitt aus dem Hörspiel "Die Nacht von Lissabon":
"Ich starrte auf das Schiff. Es lag ein Stück vom Kai entfernt, grell beleuchtet. Die Küste Portugals war die letzte Zuflucht geworden. Wer von hier das gelobte Land Amerika nicht erreichen konnte, war verloren."
Doch das Schiff ist ausgebucht. Am Hafen wird der Erzähler von einem Fremden angesprochen, der ihm zwei Tickets verspricht, falls er ihn durch die Nacht begleitet – und ihm zuhört. Dieser Fremde berichtet dann von dem Verrat, der ihn ins Konzentrationslager brachte und von der Flucht aus Nazi-Deutschland. Und er erzählt von seiner großen Liebe, Helen, für die er sogar noch einmal zurückkehrte.
Weniger künstlich und damit gegenwärtiger
Ausschnitt aus dem Hörspiel "Die Nacht von Lissabon":
"Im Dom waren viele Leute, es war das Ende der Abendandacht, und ich setzte mich in eine der hinteren Reihen und die Menge begann schon den Dom zu verlassen, da sah ich Helen. Sie kämpfte sich einen Weg durch die herausgehenden Menschen. Sie lebt! Und sie ist nicht krank!"
In diesem Hörspiel verschränkt Regisseurin Silke Hildebrandt gekonnt verschiedene Zeit- und Erzählebenen. Die Dialoge und die ganze Atmosphäre wirken filmischer, natürlicher, weniger künstlich und damit auch gegenwärtiger als beim Hörbuch "Im Westen nichts Neues". Die Schicksale der Menschen kommen einem näher. Der Fremde verschenkt schließlich seine Tickets in die Freiheit, Helen, seine große Liebe, ist tot. Gezeichnet von einer schweren Krankheit nahm sie sich das Leben.
So unterschiedlich beide Hörspiele sind, zeigen sie doch einmal mehr, wie aktuell Erich Maria Remarques Geschichten auch heute noch sind. Krieg, Flucht und Verlust bleiben Themen, die uns begleiten. Und so sind beide Hörbücher hörenswert. Auch wenn "Die Nacht von Lissabon" länger nachklingt.
Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues
Hörspiel mit Patrick Güldenberg, Peter Jordan, Tino Mewes
Der Audio Verlag, Berlin 2020
2 CDs, 15 Euro
Produktion: Radio Bremen
Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon
Hörspiel mit Max von Pufendorf, Max Simonischek, Lisa Hrdina
Der Audio Verlag, Berlin 2020
2 CDs, 15 Euro
Produktion: Radio Bremen / WDR