Wenn Remixe besser als das Original sind
Der Remix gehört seit den 70er-Jahren fest zur Popmusik dazu. Doch statt einzelner Remix-Singles geht der Trend zu ganzen Remix-Alben, wie das von Kelela. Was das Original ist, lässt sich oft nicht mehr erkennen, sagt der Musikjournalist Jens Balzer.
Die vielgefeierte R’n’B-Sängerin Kelela bringt zu ihrem Albumdebüt "Take Me Apart" aus dem letzten Jahr ein eigenes Remix-Album heraus. Und sie ist nicht die einzige. Müssen wir uns von der Idee des Originals vollständig verabschieden? Diese Frage kann man sich durchaus stellen, wenn man die beiden Kelela-Alben anhört, findet Jens Balzer:
"Da ist mir persönlich beim Hören gar nicht mehr richtig deutlich geworden, was jetzt eigentlich das Original ist und was das Remix-Album. Oder anders gesagt: Das sind alles Produktionen oder Songs von gleicher Wertigkeit."
Remix-Alben sind eine Art Trend. Auch MGMT und die Songwriterin St. Vincent haben Remix-Alben herausgebracht, wobei St. Vincent eher eine Art Cover-Versionen ihrer Platte aufnahm. Damit steht sie ganz in der Tradition von Depeche Mode, die schon seit den 80er-Jahren Cover-Versionen ihrer Singles herausgeben. Jens Balzer findet:
"Da waren die Remixe besser als die Originale."
Moderne Popmusik entstand aus Cover-Songs
Der Remix wurzelt in der Cover-Version, erklärt Jens Balzer. Letztendlich sei durch die Cover-Versionen alter Blues-Songs in den 50er-Jahren die moderne Pop-Musik entstanden.
"Auch da ist eigentlich immer unklar gewesen, was das Original ist. Weil man die Originale gar nicht mehr richtig rekonstruieren konnte."
Der Song "Little Red Rooster" von den Rolling Stones, 1964 aufgenommen, sei eigentlich das Cover eines Bluesstücks von Willie Dixson, der wiederum alte Songs aus den 20er-, 30er-Jahren gecovert hatte. Auch da sei es schwierig, ein Original zu rekonstruieren.
Vom Cover-Song zum Remix
Was den Remix vom Cover unterscheide, sei der Eingriff in das Material, erklärt Jens Balzer. Der sei nötig gewesen, um in Clubs einen endlosen Fluss tanzbarer Musik zu erzeugen. Später habe sich auch außerhalb der Clubs eine regelrechte Remix-Kultur mit eigenen Sound-Effekten entwickelt und Madonna, Michael Jackson ("Blood on the dancefloor") und Kraftwerk ganze Remix-Alben produziert.
Doch während bei den alten Remix-Alben eine gewisse Hierarchie zwischen Original und Remix zu erkennen gewesen sei, sei das bei dem neuen Remix-Album von Kelela zum Beispiel nicht mehr der Fall, erklärt Jens Balzer:
"Es erschließt sich beim einfachen Hören nicht, was die Henne ist und was das Ei."
Der Werkbegriff habe sich dadurch völlig verflüssigt. Stattdessen gebe es unendlich viele Möglichkeiten, zwischen denen man sich nicht mehr entscheiden könne.
(mw)