"Heimat – was ist das?" – darüber diskutiert Klaus Pokatzky am Samstag, 2. Juni von 9.05 Uhr bis 11.00 Uhr mit Aydan Özoguz und Edoardo Costadura. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Heimat - was ist das?
Nicht erst seit ein Heimatministerium ins Leben gerufen wurde, ist der Heimatbegriff wieder in aller Munde. Doch wofür steht er eigentlich? Was verbinden wir damit? Umfasst "Heimat" mittlerweile auch Europa? Und kann man mehrere Heimaten haben?
"Für mich sind Landschaften wichtig, Orte, auch die Lebensart – und natürlich die Sprache", sagt Prof. Dr. Edoardo Costadura, Romanistik-Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena über seine Heimatverbundenheit. Er ist 1962 in Genua geboren worden, hat in Frankreich und Belgien gelebt, seine italienischen Wurzeln aber sind geblieben.
Wohl jeder Italiener habe diesen "Campanilismo" verinnerlicht, sagt er, dass einem nämlich das Herz aufgehe, wenn man den Glockenturm des Ortes sehe, aus dem man stammt. Heimatgefühle wecken in ihm aber auch das Meer, sein Fußballclub – und das Essen: Es gehe nichts über Spaghetti mit der echten "Pesto alla Genovese" mit dem typischen Focaccia-Brot.
Idealisierte Erinnerung
Heimat, so der Wissenschaftler, habe viel mit einer idealisierten Erinnerung zu tun. Auch deshalb täten sich viele Menschen hierzulande schwer, wenn sich ihre Heimat verändere. Das zeige sich auch in der Debatte um die Zuwanderung. "In europäischen Gesellschaften wie Deutschland ist Heimat oft mit romantischen Idealen verbunden: Ein Haus auf dem Land, eine schöne Natur. Das hat mit unseren Glücksvorstellungen zu tun: Sie treffen auf die existenziellen Erfahrungen von Flüchtlingen, die Krieg und Verlust erlebt haben. Es gibt verschiedene Heimat-Konstrukte. Und manche Menschen sind sich nicht im Klaren darüber, dass Heimat sich sowieso verändert. Die Frage ist, wie schnell und wie drastisch."
"Meine Heimat ist ganz klar Hamburg oder vielleicht auch Istanbul – und das Meer, das ist Heimat. Beides sind Hafenstädte, das spielt eine große Rolle", sagt Aydan Özoguz.
Die SPD-Politikerin ist 1967 in Hamburg geboren worden; ihre Eltern kamen Anfang der 60er Jahre aus Istanbul in die Hansestadt. Wenn es um Heimatgefühle geht, spielt für sie auch die Sprache eine wichtige Rolle: "Ich fühle mich dort stärker verankert, wo ich die Menschen besser verstehe und leichter reagieren kann."
Das Gefühl, nie ganz dazuzugehören
Als Kind von Einwandern kennt sie das Gefühl, nie ganz dazuzugehören, auch, wenn man ein Land als Heimat ansehe. "Ist Heimat etwas Klares, oder vermitteln einem andere das Gefühl: `Du kannst 100 Mal denken, dass hier deine Heimat ist – sie es nicht.´?" Das habe sie auch in ihrer Zeit als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, von 2013 bis Anfang 2018, von vielen Zugewanderten erfahren.
Ein Heimatministerium könne sinnvoll sein, müsse aber mehr bieten, als den "Erhalt von Stammtischen". Es gebe wichtige Themen – für beide Seiten: "Zum Beispiel für die, die ihre Heimat verloren haben, aber auch für die, die das Gefühl haben, meine Heimat verändert sich. Das kann man politisch ganz stark auf die Agenda setzen."