Renate Künast und Victoria Wegner: "Rein ins Grüne – raus in die Stadt"
Callwey-Verlag 2019
176 Seiten, 29,95 Euro
"Ich kann nicht nur in Baustoffen leben"
06:55 Minuten
Die Tomatenpflanze auf dem Dach, der Bienenstock auf der Brache: Stadtgärten sind eine schöne Sache – aber können wir sie uns in Zeiten des Wohnungsmangels leisten? Ja, meint Renate Künast: Eine Stadt müsse mehr sein als Beton und Asphalt.
Gemüseanbau im öffentlichen städtischen Raum – oder neudeutsch: Urban Gardening – ist seit einigen Jahren schwer in Mode, ob auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, in der Bremer "Gemüsewerft" oder in Andernach, der selbsternannten "Essbaren Stadt".
Über diese Stadtgärten hat die Grünen-Politikerin und frühere Verbraucherschutzministerin Renate Künast jetzt ein Buch geschrieben: "Rein ins Grüne – raus in die Stadt". Eine Art Urban-Gardening-Reiseführer Deutschlands, der auch die Geschichte der aus den USA stammenden Bewegung erzählt. "Das waren so Gemeinschaftsgärten, die sich in Armenstadtvierteln auf Brachen entwickelt haben", sagt Künast. Im Gegensatz zu den individuell genutzten Schrebergärten.
Stadtgärten unter Druck
Angesichts der Wohnungsnot in den Städten stünden nun sowohl Schrebergärten als auch Urban-Gardening-Projekte unter ungeheurem Druck, so die Grünen-Politikern. Aber kann man es sich wirklich leisten, trotz Wohnraummangel große Flächen wie zum Beispiel das Tempelhofer Feld in Berlin nicht zu bebauen, sondern als öffentlichen Erholungsraum zu belassen?
"Wir brauchen in den Städten Wohnungen", räumt Künast ein und gibt gleichzeitig zu bedenken: "Wir wollen am Ende nicht eine Stadt haben, die nur Beton und Asphalt ist, wo uns in immer heißer werdenden Städten die Hitze vom Boden und von den Wänden entgegenkommt und Menschen, die dort leben, sich kaum im Freien aufhalten können."
Urban Gardening ist auch ein soziales Projekt
Insofern plädiert sie für kreative Lösungen, etwa höher zu bauen oder Autobahnen zu übertunneln und auf diesen Flächen dann Gärten anzulegen. "Es kann nicht sein, dass ich nur in Baustoffen lebe, sondern ich muss auch mal um die Ecke gehen können und mich irgendwo hinsetzen könne, genauso, wie Stadt ihren Beitrag zur Artenvielfalt machen muss."
Für die Grünen-Politikerin ist Urban Gardening auch eine soziale Angelegenheit: "Es kann auch nicht sein, dass wir gar keinen öffentlichen Raum mehr haben, in dem man sich nicht kostenlos aufhalten kann, sondern Freizeit nur noch mit hohen Eintrittsgeldern macht", betont sie.
(uko)