René Aguigah zum Streit um Enissa Amani

"Ich wäre nie auf die Idee gekommen, den Text als rassistisch zu verstehen"

07:58 Minuten
Porträtaufnahme der deutsch-iranischen Künstlerin Enissa Amani
Rassismus-Opfer? Enissa Amani, deutsche Comedian mit iranischen Wurzeln. © dpa/picture-alliance/ Henning Kaiser
Moderation: Shanli Anwar |
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Hat TV-Kritikerin Anja Rützel die deutsch-iranische Comedian Enissa Amani aufgefordert, das Land zu verlassen? So sahen es jedenfalls deren Follower. Für René Aguigah steckt dahinter etwas anderes: ein sozialer Konflikt zwischen alter und neuer Medienöffentlichkeit.
Eine Comedian, die von der Presse nicht mehr Komikerin genannt werden möchte. Und die, wenn es doch einer tut, zum Papayazüchten nach Nicaragua auswandern will. So präsentierte sich Enissa Amani jedenfalls vergangene Woche bei ihrer Rede im Rahmen der Verleihung der "About You Awards", einem Preis, mit dem der TV-Sender Pro7 Influencer auszeichnet.
Die TV-Kritikerin Anja Rützel fand die ganze Veranstaltung auf Spiegel-Online zum Fremdschämen - auch den Auftritt von Amani - und machte reichlichen Gebrauch vom Begriff "Komikerin". War das eine rassistisch motivierte Aufforderung an Amani, das Land zu verlassen? So sahen es jedenfalls zahlreiche Follower Amanis und lösten über Ostern einen riesigen Shitstorm gegen Rützel aus.

Drei Zutaten für einen guten Shitstorm

Unser Redakteur René Aguigah teilt diese Einschätzung nicht: Rützel habe lediglich einen Witz, den die Comedian selbst gemacht habe, ironisch aufgerufen: "Und das ist jedenfalls nicht der Satz: 'Du sollst das Land verlassen!'" meint er. "Insofern wäre ich jetzt, wenn ich nur diesen Text gelesen hätte, zunächst mal selber nie auf die Idee gekommen, das als rassistisch zu verstehen."
Dass es dennoch zu einem solchen Shitstorm kam, liegt Aguigah zufolge an drei weiteren Zutaten: Erstens, dem Posting eines AfD-Politikers, der Rützels Kritik zustimmend zitiere und nahelege, Amani solle das Land verlassen, und zweitens, der Verstärkung durch Amani selbst. Diese habe via Instagram ihren Followern gegenüber angedeutet, sowohl die Fernsehkritikerin als auch der AfD-Politiker hätten gefordert, sie sollen das Land verlassen, so Aguigah. Und drittens, der Eigendynamik der Sozialen Medien, in denen sich ständig alle möglichen Leute zu allem Möglichen äußerten.

Kluft zwischen alter und neuer Medienöffentlichkeit

Für Aguigah ist der interessante Aspekt, der bei dem Fall zutagetritt, die große Kluft zwischen der Kultur der "sagen wir mal, der Pro-Sieben-Awards, das war ja diese Fernsehshow und Instagram und Influencer, die eben tatsächlich auch was Migrantisches hat, also, wo bestimmte nicht-weiße Figuren eher Zugang kriegen als auf anderen Bühnen einerseits".
Und auf der anderen Seite der Kultur der etablierten Medienöffentlichkeit: "Für die in diesem Fall jetzt Spiegel-Online steht und deren Publikum die Sprachen kaum verstehen, die in diesem anderen Fernsehen und die in dieser Insta-Plattform und so weiter gesprochen wird."
Hier gebe es ein großes Unverständnis und ein Bedürfnis nach sozialer Distinktion - auf beiden Seiten: "Sowohl die Insta-Welt will nichts zu tun haben mit der vermeintlich alten überlieferten Welt, aber auch umgekehrt."
(uko)
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