Die Pensionisten-Republik
Vorruhestand ist in Österreich beliebt, und viele der Frührentner beziehen auch noch Mehrfachpensionen. Das kostet den Steuerzahler viel Geld. Geld, das bei Zukunftsinvestitionen fehlt. Verlierer sind auch hier die Jungen.
"Endlich Pensionist": Die Wiener Austropopper "Austria2" besingen den Eintritt ins Rentenalter als tolles Gefühl. So toll, dass viele Österreicher gar nicht warten wollen, bis sie das gesetzliche Rentenalter erreicht haben: 60 Jahre bei den Frauen, 65 bei den Männern. Österreich ist eine Pensionisten-Republik, rechnet Experte Bernd Marin vor.
"Weil in Österreich 90 Prozent der Leute vor der Zeit in den Ruhestand treten, haben wir zu den 1,5 Millionen Leuten, die pensionsberechtigt wären, formell gesehen, ungefähr 2,3 Millionen, die insgesamt wiederum 2,6 Millionen Pensionen beziehen, weil 15 Prozent der Bezieher Mehrfachpensionen haben. Das heißt, dass ich für 100 Pensionisten nicht 100 Pensionen, sondern im Schnitt 180 Pensionen auszahle. Das ist der Kern des Problems."
Denn im Schnitt beziehen die Österreicher 22 Jahre lang Rente, und das 14 mal im Jahr. Die Langlebigkeit kostet richtig viel Geld. Zwar zahlen auch Selbstständige und Beamte ein. Und der Rentenbeitrag auf dem Lohnzettel liegt in Österreich bei fast 23 Prozent, vier Prozentpunkte mehr als in Deutschland.
Milliarden Zuschüsse für die Frühverrentung
Aber der Steuerzahler in der Alpenrepublik muss jedes Jahr Milliarden zuschießen, rechnet Experte Marin vor. Geld, das woanders fehlt.
"Wir finden manchmal 15 Millionen nicht, um die Kinderbetreuung auszubauen, um jungen Müttern zu helfen, weil wir 15.000 Millionen, also 15 Milliarden Euro an Zuschussbedarf für die Frühverrentung haben, da sind die Dinge so aus dem Ruder gelaufen."
Dabei sind die Normalrenten laut Statistik Austria mit durchschnittlich 1100 Euro nicht besonders hoch. Dieses Wiener Rentnerpaar klagt: Sie war früher Näherin, er Kunststoff-Techniker. Die beiden sind mit 60 Jahren in den Lebensabend gestartet, und haben sich völlig auf die gesetzliche Rente verlassen.
"Das ist schon wenig, für das, dass ich 40 Jahre gearbeitet habe."
"So ein paar Jahre vor der Pension fängt man nicht mehr mit Privatvorsorge an, früher hat man davon leben können."
"So ein paar Jahre vor der Pension fängt man nicht mehr mit Privatvorsorge an, früher hat man davon leben können."
Vorsorgemuffel in Österreich
Auch Österreich versucht gegenzusteuern mit einer Art Riester Rente. Die heißt hier: prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge. Der Staat fördert die Abschlüsse mit 109 Euro im Jahr. Doch das ist nicht sehr beliebt. Gerade einmal 1,6 Millionen Verträge gibt es, Tendenz sinkend. Eine Zeitbombe, meint Rentenexperte Marin.
"Österreich hat pro forma ein Drei-Säulen-Modell, faktisch ist aber nur die erste Säule sehr großzügig ausgebaut. Die zweite Sorge macht mir die größte Sorge. Das ist die betriebliche Altersvorsorge. Derzeit haben wir in Österreich nur 0,4 Prozent Bezieher solcher Renten, das heißt wir haben hier einen starken Aufholbedarf. Ich rede gar nicht von der dritten Säule. Zwischen einem Zehntel und einem Fünftel dessen, was der OECD-Durchschnitt an Vorsorge leistet. Wir sind wirkliche Vorsorgemuffel, wenn sie so wollen."
Gewinner sind auch in Österreich Beamte, die viermal mehr aus dem Rententopf bekommen als der Durchschnittsrentner in Österreich. Und Angestellte von Nationalbank, Arbeiterkammern oder Sozialversicherungen. Verlierer sind die Jungen. Dieser 32-Jährige, der am Flughafen Wien am Check-In-Schalter arbeitet, macht sich keine Illusionen.
"Also unbedingt ein Sicherheitspolster. Und nebenbei auch noch in die private Pensionsvorsorge einzahlen. Damit überhaupt mal in der Pension was übrig bleibt. Wir werden das nehmen müssen, was wir bekommen, und das wird dann nicht viel sein. Wenn man Glück hat, hat man ein Eigenheim geschaffen, dass die Miet-Fixkosten wegfallen. Aber die Rechnung geht so oder so nicht auf."
Und die Politik ? Im Schneckentempo wird das Rentenalter von Frau und Mann angepasst. Auch die Beamten müssen etwas verzichten lernen. Doch die Reformfreude ist nicht sehr ausgeprägt, meint Experte Marin.
"Bezeichnenderweise hat der letzte sogenannte Pensionsgipfel am 29. Februar stattgefunden. Den wird es das nächste Mal in vier Jahren geben. Und irgendetwas, das in die Nähe einer Pensionsreform kommt, wird es vorher auch nicht geben. Leider."