"Es geht um Demokratie und Transparenz"
04:23 Minuten
Vor einem Londoner Gericht soll am Montag die Entscheidung fallen, ob Julian Assange, Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, an die USA ausgeliefert wird. Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen sagt, eine Auslieferung hätte fatale Auswirkungen.
Für manche ist er ein Held der Pressefreiheit, für andere der gefährlichste Mann der Welt: Julian Assange, der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks. Am morgigen Montag entscheidet ein Gericht in London über die Auslieferung des Australiers an die USA. Dort soll ihm der Prozess wegen Spionage gemacht werden.
Petition gegen die Auslieferung
Jahrelang hatte sich der 49-jährige Australier in der Botschaft von Ecuador in London aufgehalten - im Asyl. Jetzt sitzt Assange in einem Hochsicherheitsgefängnis. Das Verfahren läuft seit fast einem Jahr. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat es kontinuierlich verfolgt. Geschäftsführer Christian Mihr war mehrfach im Zusammenhang mit Julian Assange in London und überreichte zuletzt der britischen Regierung eine Petition – mit mehr als 100.000 Unterschriften gegen eine Auslieferung.
"Wenn man das Verfahren ernst nimmt, kann nur eine Entscheidung anstehen, die gegen eine Auslieferung spricht", sagt Mihr mit Blick auf Montag. Angesichts dessen, dass das Verfahren aber ein durch und durch politisches sei, mit politischem Druck, gehe er eher davon aus, dass das Gericht für eine Auslieferung plädiere. Leider, betont Mihr. Aber es gebe ja noch weitere juristische Instanzen.
"Wenn Julian Assange in die USA ausgeliefert werden sollte, dann wäre das fatal. Und es wäre ein Präzedenzfall für die Pressefreiheit", erklärt der ROG-Geschäftsführer die Bedeutung des Verfahrens für die Demokratie und Pressefreiheit aus seiner Sicht. Alle, die geheime Informationen veröffentlichen – so, wie das zahllose Medien auf der ganzen Welt machen –, könnten dann im Prinzip auch ausgeliefert werden an die USA, ob es Journalisten, Whistleblower oder sonstige Herausgeber von Informationen seien. "Denn Julian Assange und Wikileaks haben nichts anderes gemacht, als interessante, für die Öffentlichkeit relevante Informationen zu veröffentlichen."
Mihr fragt zudem, welches Signal eine Auslieferung an autoritäre Regierungen sende. "Was macht zum Beispiel Saudi-Arabien, wenn eine britische oder deutsche Journalistin wahre Informationen über den Mord an Jamal Khashoggi veröffentlicht – beantragen die dann die Auslieferung?" Eine Auslieferung wäre auch daher ein ganz fataler Präzedenzfall, meint Mihr.
Grundsatzfragen des Journalismus
Zu den Vorwürfen, die es gegen Julian Assange gibt – etwa der Vorwurf der Vergewaltigung in Schweden oder Vorwürfe wegen mancher Veröffentlichungsprinzipien von Wikileaks – betont Christian Mihr, da müsse man gut unterscheiden. "Es geht natürlich auch um die Person Julian Assange, aber es geht hier letztlich um Demokratie und Transparenz."
Zur Veröffentlichungspraxis von Wikileaks seien "Falschdarstellungen der USA" verbreitet worden. Alle Zeugen der Verteidigung, darunter auch deutsche Journalisten und Herausgeber, hätten klargemacht, dass nach journalistischen Prinzipien vorgegangen wurde.
Bei den Vergewaltigungsvorwürfen gebe es sicher Fragen und Widersprüche, doch die Ermittlungen seien erst einmal eingestellt. "Aber das ist nicht das Thema, worum es morgen geht. Morgen geht es um Pressefreiheit und Grundsatzfragen von Journalismus."
(abr)