Reporterin Katrin Eigendorf
Entscheidend für die Berichterstattung ist für Katrin Eigendorf „Augenzeugenschaft“ – sprich: vor Ort zu sein. © ZDF / Klaus Weddig
Dort sein, wo sich der Lauf der Welt entscheidet
36:48 Minuten
Sie hat aus vielen Kriegs- und Krisengebieten berichtet: Die ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf sprach mit den Taliban in Afghanistan, traf Flüchtlinge in Syrien, filmte im Irak und Tschetschenien. Zuletzt hat sie den Ukraine-Krieg hautnah miterlebt.
Körperlich sei sie zwar zurück aus der Ukraine, „mit dem Kopf“ aber noch nicht, sagt Katrin Eigendorf. In den letzten fünf Wochen war die Reporterin das Gesicht des ZDF in der Ukraine. Der russische Angriffskrieg beschäftige sie aber nicht nur politisch, „auch seelisch lässt einen das so schnell nicht los.“
Gerade einmal drei Tage war sie zurück aus Afghanistan, wo sie für eine Reportage unterwegs war, als sie in die Ukraine aufbrach, um von dort über die Folgen des russischen Überfalls zu berichten.
Zugeben, was man nicht weiß
Um die Kinder der Ukraine mache sie sich besonders Sorgen, die „brutalst“ aus ihrem Alltag gerissen worden seien und „von einem Tag auf den anderen zu Erwachsenen geworden sind“.
Als Reporterin gehe es ihr darum, „in dieser Fülle an Informationen zu versuchen, authentische Berichte zu liefern“. Authentisch heißt für sie, „mit einer gewissen Distanz, aber nicht empathielos“ über die Geschehnisse zu informieren.
Ihre Anteilnahme an dem Schicksal der Zivilbevölkerung, die dabei immer professionell blieb, konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer in den letzten Wochen regelmäßig beobachten. Sie selbst sieht sich als Teil einer „neuen Generation von Journalisten“, in deren Arbeitsverständnis „nicht nur der Verstand, sondern auch das Herz“ Platz hat.
Entscheidend für die Berichterstattung sei für sie „Augenzeugenschaft“ – sprich: vor Ort zu sein – und zuzugeben, „was man nicht weiß“.
„Wo ist es jetzt spannend? Wo bewegt sich die Welt?“
Katrin Eigendorf, die selbst mehrere Jahre in Russland gelebt hat, u.a. als Korrespondentin für RTL, war schon 2014 als Reporterin bei den ukrainischen Protesten auf dem Maidan-Platz in Kiew dabei. Sie hat aus dem Donbass berichtet, vom Krieg in Tschetschenien, zuletzt aber auch vom Wiederaufstieg der Taliban in Afghanistan.
Nach dem Abitur in Krefeld, das sie als „schönsten Moment meines Lebens“ bezeichnet, weil sie wusste, von nun an in die Welt ziehen zu können, studierte sie und ging ohne nennenswerte Französischkenntnisse nach Paris, wo sie später unter Ulrich Wickert lernte, „Fernsehen zu machen“. Sie habe immer dort sein wollen, „wo über den Lauf der Welt entschieden wird“ – ob das nun der Fall der Mauer, der Arabische Frühling oder der Aufstieg der Taliban war.
Von Anfang an habe sie sich immer die Frage gestellt: „Wo ist es jetzt spannend? Wo bewegt sich die Welt?“ Anfang der 90er-Jahre war das Russland, eine „bis 1991 völlig abgeriegelte, isolierte Welt“. Sie kündigte ihre Festanstellung beim NDR und ging zusammen mit ihrem Mann nach Moskau, wo auch ihre beiden Kinder in den ersten Jahren aufwuchsen.
Verein im Gedenken an den Sohn
Ihre Tochter Alexandra ist mittlerweile erfolgreiche Musikerin. Katrin Eigendorfs Sohn Philip Julius kam mit einer schweren Behinderung zur Welt, die ihn „ungefähr im Zustand eines Koma-Patienten“ hielt. Er sei „komplett pflegebedürftig“ gewesen, erzählt Katrin Eigendorf, habe sich aber gefreut, mit dem Kinderwagen über „rumplige Wege“ gefahren zu werden, auf dem Petziball zu sitzen und gut gewürzte Gerichte zu essen. Er starb mit nur 17 Jahren an den Folgen seiner Stoffwechselerkrankung.
Mit der Erfahrung, was eine solch schwere Behinderung nicht nur für das Kind, sondern auch für die Familie bedeutet, haben Katrin Eigendorf und ihr Mann den Verein „Philip Julius e.V.“ gegründet. Eltern mit schwerstbehinderten Kindern stünden „vor riesigen Herausforderungen“. Immer noch fehlten geschulte Pflegekräfte und spezialisierte Einrichtungen.
Ohne die entsprechende Unterstützung seien Eltern schnell „am Anschlag ihrer Kräfte“. Mit dem Verein wollen sie informieren und einen Teil dieser Unterstützung leisten.
Mit ebenso großer Kraft und Engagement verfolgt die knapp 60-Jährige auch ihre Arbeit als Reporterin weiter: Wann sie zurück in die Ukraine fährt, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Ein Krisenberichterstattungsgen kann Katrin Eigendorf allerdings nicht an sich erkennen. Sie sei durchaus in der Lage, entspannt zu Hause zu bleiben oder Urlaub zu machen, aber es sei einfach „nicht der Zeitpunkt, jetzt drei Wochen in Südfrankreich in der Sonne zu liegen“.
(era)