Stiftungen im Ausland unter Druck
In mehr als 60 Ländern wurden zuletzt zivilgesellschaftliche Gruppen und Nichtregierungsorganisationen an die Leine gelegt. Das betrifft auch parteinahe Stiftungen aus Deutschland. Sie suchen nun nach Wegen für Austausch und Meinungsbildung.
Das Altai-Gebirge im Süden Russlands. Schneebedeckte Berge, türkisfarbene Seen, Tannenwälder, dazwischen Steppenlandschaft. Die Straßen: oft unbefestigt. Die Dörfer: zumeist aus Holzhäusern. Die Menschen: häufig auf Pferden unterwegs. Hier, im entlegenen süd-sibirischen Winkel, wollte die Friedrich-Naumann-Stiftung im vergangenen Jahr eine Konferenz veranstalten. Auf dem Programm standen Debatten über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und Russland - Debatten in Zeiten internationaler Sanktionen. Doch plötzlich sollte alles ins Wasser fallen.
"Da hat das Hotel angerufen und hat gesagt, ihre Leitungen seien eingefroren. Da haben wir gesagt, das ist aber ein sehr milder Winter. Wie habt ihr das geschafft bei acht Grad plus? Und dann haben die gesagt: Ok, wir geben es zu, wir wurden angerufen." - Julius von Freytag-Loringhoven leitet das Moskauer Büro der FDP-nahen Stiftung. Er vermutet, dass hinter der Absage eine russische Sicherheitsbehörde steht – vielleicht sogar der Kreml.
"Und das zweite Hotel hat gesagt: Ja, wir nehmen euch auf, Politik ist uns egal, wir sind unpolitisch, ihr könnt bei uns die Konferenz machen. Und dann rufen die am Tag des Abflugs an und sagen zu uns: Ihr könnt nicht mehr kommen. Aber nicht, weil jemand angerufen hat. Sondern es ist jetzt eine Grippe-Epidemie verhängt worden über uns und alle Nachbarhotels."
Im Hotel des Freundes eines Oppositionellen
Trotzdem konnte die Konferenz noch stattfinden: Ein Freund eines Oppositionellen stellte sein Hotel zur Verfügung, diplomatische Gespräche im Hintergrund halfen – und am Ende war es vor allem der drohende politische Eklat, der die Behörden einknicken ließ. Kein Einzelfall, sagt Freytag-Loringhoven. Immer wieder baue die russische Bürokratie Hürden auf, wenn seine Stiftung zu Veranstaltungen einlädt über freie Marktwirtschaft oder über Menschenrechte.
"Problematisch wird es meistens dann, wenn die Behörden das Gefühl haben, dass da zu viele Menschen zu so einer Diskussion gehen. Dass zu Großes passiert, was in irgendeiner Weise politisch mobilisieren könnte. Und dann greifen sie ein."
Noch schlimmer erging es anderen deutschen Stiftungen in Russland. So klagt Kurt Beck, Chef der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin, über Repressionen:
"Wir haben erlebt vor zwei Jahren, dass in Russland unsere Büros durchsucht worden sind. Also man hat die PCs zunächst mal mitgenommen und ausgewertet. Da ist damals unter steuerrechtlichen Gründen untersucht worden, kein Mensch wusste genau, was wirklich der Vorhalt war, am Ende ging's um irgendeine bezahlte Rechnung mit Devisen in Größenordnung von einigen wenigen Euro. Also es war an den Haaren herbei gezogen – auch entsprechend ergebnislos."
Bereits 2013 hatte es bei der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Razzia gegeben – genauso wie bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Zwei Jahre später wurde ein Einreiseverbot erlassen für einen Mitarbeiter der Adenauer-Stiftung. Und 2016 luden russische Sicherheitsbehörden den Leiter der Moskauer Ebert-Stiftung vor, um ihn mehrere Stunden lang zu verhören. Angeblich gab es Probleme mit seinem Visum. Die Bundesregierung musste eingreifen, so Beck.
"Nach Intervention über das Auswärtige Amt und Gesprächen hier mit der Botschaft ist das in Ordnung gebracht worden."
Rußland? - Kein Einzelfall
Die parteinahen Stiftungen in Russland: Grundsätzlich dürfen sie zwar Büros unterhalten und Konferenzen durchführen zu Verkehrs- und Städteplanung oder Klima- und Energiefragen. Auch Seminare zu Geschlechterpolitik sind möglich, mitunter auch zu Meinungsfreiheit. Außerdem können die Deutschen einflussreiche Beamte und Politiker beider Seiten zu Hintergrundgesprächen zusammen bringen. Bei all den Aktivitäten müssen sie jedoch ständig auf der Hut sein, dass in den Augen des Kreml nicht zu viel Demokratie "importiert" wird. Allerdings: Das autokratische Russland ist kein Einzelfall.
"Wir erleben weltweit eine richtige Repressionswelle gegenüber Nichtregierungs-organisationen und sozialen Bewegungen. Die Menschen lassen sich politische Willkür, Machtmissbrauch nicht mehr gefallen – gehen auf die Straße und protestieren. Hier schlagen Regierungen zu, um eben Massenproteste im Keim zu ersticken." (Barbara Unmüßig vom Vorstand der Grünen-nahen Heinrich Böll-Stiftung)
"Autoritäre Regierungen befürchten, dass die Art westliche Demokratie, Pluralismus, für sie machtbedrohend ist." (Frank Pries, Vizechef für internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung)
"Also man hat in den Stiftungen eben auch eine wichtige politische Kraft erkannt, die es gilt einzudämmen und vor allem zu kontrollieren." (Nicole Renvert, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik)
"Da müssen wir ganz vorsichtig sein und dafür sorgen, dass wir unsere Identität nicht abgeben unter diesem Druck. Zur Not muss man halt sich rausbewegen aus dem Land – aber sich zu verbiegen, das bringt nichts." (Dieter Dettke, langjähriger Leiter des Washingtoner Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung)
Stiftungsexperten aller Couleur klagen: Ob bei Seminaren zum Umweltschutz oder zu Frauenrechten, ob bei Workshops über freien Journalismus oder fairen Wahlkampf - die politische Arbeit werde selbst in demokratischen Staaten immer häufiger eingeschränkt. So hat Israel im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet, dass regierungskritische Nichtregierungsorganisationen benachteiligt, wenn sie ausländische Staatsgelder erhalten. Auch Ungarn möchte neuerdings den Einfluss ausländischer Stiftungen eindämmen.
Angriff von Regierungen - und von Hackern
"Bis nach Europa! In Polen ist es teilweise unglaublich, wie auch mir uns umgegangen wird! Wir haben über Jahrzehnte mit Solidarność engst zusammen gearbeitet. Dann kriege ich irgendwann einen Brief vor anderthalb Jahren, dass die Zusammenarbeit von den jetzigen Solidarność-Leuten nicht mehr erwünscht seisei. Ja, ich habe mit Lech Wałęsa zusammen gearbeitet und wir kennen uns – also natürlich gibt es diese Tendenzen."
Kurt Beck, SPD-Politiker und ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, spürt inzwischen auch Druck aus dem Internet: Im Frühjahr wurde die Friedrich-Ebert-Stiftung von unbekannten Hackern angegriffen:
"Das Kritische daran ist – wir haben ja keine Staatsgeheimnisse in unseren Netzen – aber wir haben Adressdaten von Oppositionsgruppen et cetera gerade im Ausland. Und wir gehen davon aus, dass man auch versucht, möglichst viele Daten zusammen zu tragen – wir machen ja auch Politikberatung – um vielleicht zur Bundestagswahl dann Skandalmeldungen raus zu posaunen und Einfluss zu nehmen et cetera."
Ähnliche Sorgen beschäftigen die politische "Konkurrenz" - die konservative Konrad-Adenauer-Stiftung. Ihre Zentrale sitzt in Berlin-Tiergarten. Durch eine Drehtür geht es in eine großzügige Lobby mit braunem Ledersofa. Hier liegen Broschüren aus, wie: "Die bessere Demokratie" oder "Aufstieg und Fall regionaler Mächte". Themen, die Frank Priess vielfach beschäftigen. Als Vizechef für internationale Zusammenarbeit koordiniert er rund 90 Auslandsbüros mit zirka 750 deutschen und ausländischen Mitarbeitern. Pries berichtet von einer politischen GAU: Vor fünf Jahren musste die Adenauer-Stiftung ihr Büro in Ägypten komplett schließen:
"In Ägypten hat sich Druck aufgebaut über die Presse: Man betreibe eine illegale ausländische Organisation bis hin zu Geldwäsche und andere vorgeschobene Argumente. Obwohl wir in vielen Jahrzehnten in Ägypten arbeiten, mit Regierungsstellen auch, trotzdem ist plötzlich dieser Popanz aufgebaut worden und hat in eine Anklage gemündet."
Das Kairoer Gericht verurteilte 2013 den deutschen Büroleiter der Adenauer-Stiftung - in Abwesenheit - zu fünf Jahren Gefängnis; eine lokale Mitarbeiterin erhielt zwei Jahre. Bis heute ist die Adenauer-Stiftung nicht mehr in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land vertreten. Der Rauswurf aus Ägypten ist auch eine Folge der sogenannten Farbrevolutionen im Osten, glaubt Priess. 2003 gab es die Rosenrevolution in Georgien, 2004 die Orangene Revolution in der Ukraine und 2005 die Tulpenrevolution in Kirgistan. Sie endeten alle mit einem "Regime Change", einem Umsturz. Dabei gerieten ausländische Stiftungen in Verdacht, die Revolten mit angezettelt zu haben.
Veränderungen in Gang gebracht
"Es hat auch Organisationen gegeben – aus den USA, privat finanziert –, die sich auch durchaus damit gebrüstet haben, solche Veränderungen in Gang gebracht zu haben, was in solchen Fällen dann sicherlich auch kontraproduktiv ist und die eigene Rolle auch völlig überschätzt", sagt Frank Priess.
Die Adenauer-Stiftung - wie auch die anderen parteinahen Stiftungen – betonen: Wir provozieren keine Revolutionen, wir unterstützen lediglich demokratische Projekte vor Ort.
Frank Priess: "Und auch, wie es im arabischen Raum war, wie es in Nordafrika war, sind das Prozesse, die aus den Gesellschaften selbst kommen. Die Unzufriedenheit ist groß genug, da braucht es nicht irgendwelche NGOs aus dem Westen, die dann dort irgendwelche Regime-Change-Aktivitäten organisieren."
Doch nach Moskaus Eindruck sind die Regierungswechsel häufig vom westlichen Ausland finanziert. So unterschrieb Präsident Wladimir Putin 2012 ein Gesetz, das russische NGOs als ausländische "Agenten" einstuft, wenn sie internationale Gelder erhalten. Anschließend zogen viele autoritär regierte Länder nach - wie Ägypten, Aserbaidschan oder China, analysiert die Adenauer-Stiftung.
"Das haben viele beobachtet, wie Russland mit Zivilgesellschaft umgeht. Und ist sicherlich auch in dem einen oder anderen Fall kopiert worden, gerade was die Gesetze angeht."
Die parteinahen Stiftungen wissen: Um die Auslandsarbeit zu behindern, greifen repressive Regime häufig zu einem Hebel. Sie nehmen die lokalen, einheimischen Partner in die Zange, mit denen die Deutschen kooperieren. Vor allem Menschrechtsgruppen.
Moskau, im Theater "U Nikitskich Worot" (phon.: Warót). Hier veranstaltet die russische Bürgerrechtsorganisation Memorial, die sich um die Aufarbeitung der Stalin-Ära verdient gemacht hat, einen Geschichts-Wettbewerb für Schüler - ein Projekt, das bereits seit 18 Jahren läuft. Doch im vergangenen Jahr tauchten plötzlich Aktivisten der rechten "Nationalen Befreiungsbewegung" auf und attackierten die Gäste. Das berichtet Memorial-Aktivistin Irina Scherbakowa:
"Die Gäste, die gekommen sind, man hat sie erstens angeschrien, und dann hat man sie mit dem Grünzeug beschmiert und so."
Grünzeug - das ist eine schwer abwaschbare Flüssigkeit, die in Russland bereits mehrfach Systemkritikern über den Kopf gegossen worden ist. In der Vergangenheit hatte es noch gefährlichere Attacken gegeben: 2003 überfielen Unbekannte in St. Petersburg Memorial-Mitarbeiter; im Folgejahr wurde sogar ein Memorial-Mitglied erschossen, nachdem es als Gutachter in Neonazi-Prozessen aufgetreten war. Hinzu kommen regelmäßig behördliche Repressalien. So hatte das russische Justizministerium versucht, den Dachverband der Menschenrechtsorganisation aufzulösen, ist aber vor zwei Jahren gerichtlich gescheitert. Durch all den Druck ist es für Irina Scherbakowa sehr schwer, Unterstützer zu finden.
"Wir haben genug Beispiele, die sagen: Jaja, natürlich, wir machen gerne mit, aber wir sollen das nicht offen machen, dass das zusammen mit Memorial gemacht wird, das soll lieber im Geheimen bleiben. Das hören wir sehr, sehr oft."
"Wir haben an einigenStellen einen indirekten Druck auf unsere Ortskräfte, die werden dann besonders kontrolliert, die werden befragt. Und an vielen Stellen werden die ängstlicher, und das beeinträchtigt natürlich die offene Arbeit", resümiert Kurt Beck von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Und räumt ein: Um die lokalen Partner nicht zu gefährden, dürfe man in repressiven Ländern politisch nicht über die Stränge schlagen. "Die Partner, die Gesprächspartner, die leben dort! Und das bedenken wir von Anfang an und versuchen nicht jetzt zu zeigen, dass wir die großen Helden sind. Unsere Leute kriegen wir immer raus. Aber unsere Partner, unsere Ortskräfte, die können wir im Zweifelsfall nicht schützen, es geht nicht um den donnernden Ruf, Kämpfer zu sein der Friedrich-Ebert-Stiftung, sondern es geht darum, haben wir etwas bewegt?"
Antworten auf politisches Engagement: Verhaftung und Verfolgung
"Was wir erleben weltweit ist, dass nicht nur Oppositionspolitiker – wie gerade in der Türkei – längst eine kritische, emanzipatorische Zivilgesellschaft unter Druck gerät, politisches Engagement auch mit regelrecht mit Verhaftung, mit Diffamierung, mit Verfolgung und auch mit Tod bestraft werden kann..." - Barbara Unmüßig vom Vorstand der Grünen-nahen Heinrich Böll-Stiftung bei einem Vortrag im Arnold-Bergstraesser-Institut, einer Freiburger Kultur-Forschungseinrichtung. Ihr Thema: die Behinderung von NGOs im Ausland.
"…Wir erleben, dass Ende des Kalten Kriegs erreichten Fortschritte in der Demokratisierung – ob in Osteuropa, in Afrika oder in Lateinamerika, von vielen Regierungen wieder zurück genommen werden…"
Unmüßig, Politikwissenschaftlerin und einst bei der UN tätig im Bereich Umwelt und Entwicklung, hat einen Fachbegriff geprägt für den weltweiten Repressions-Trend: "Shrinking Spaces"– schrumpfende Spielräume für die Demokratie-Förderung. Mit diesem Schlagwort verfasst sie Thesenpapiere und tritt an Politiker und Medien heran – im Gegensatz zu anderen parteinahen Stiftungen:
"Ich publiziere und spreche über das Thema, weil es ein globaler Trend ist, der uns Sorge machen muss. Aber alleine die Tatsache, dass ich die Verantwortung für unsere Büros habe und die Verantwortung auch für Partner habe, kann nicht bedeuten, dass ich selber Teil dieses Versuchs werde, alle Kritik im Keim zu ersticken und uns a l l e mundtot zu machen. Das ist ja dann der Erfolg solcher Repressionen, solcher Diffamierungskampagnen von NGOs."
Antwort mit neuen Auslandskonzepten
Die Böll-Stiftung arbeitet an neuen Auslands-Konzepten. So will sie in arabischen Ländern Kurse für ausländische Oppositionelle anbieten, damit sie im Internet abhörsicher kommunizieren können. Wie konspirativ die Demokratieförderer bereits jetzt vorgehen müssen, zeigt das Beispiel Ägypten. Ähnlich wie die Adenauer-Stiftung kann auch die Böll-Stiftung nicht mehr in Ägypten arbeiten. Dafür hat die Grünen-nahe Stiftung aber im Nachbarland Tunesien ein Regionalbüro errichtet, das sich auch um Kairoer Oppositionelle kümmert. Das Büro wurde von Joachim Paul aufgebaut. Er hat etwa im Sommer 2015, als der umstrittene ägyptische Präsident (Abdel Fattah) el-Sisi Deutschland besuchte, Gegner des Präsidenten nach Berlin eingeladen:
"Wir haben kommuniziert hauptsächlich mit Messenger-Diensten, von denen die Aktivisten ausgingen, dass der ägyptische Geheimdienst die noch nicht komplett geknackt hat. Wir haben dann von Tunis mit unseren Partnern und Freunden verschlüsselte Nachrichten mit diesen Diensten hin- und hergeschickt."
Kurz darauftraf sich der Stiftungsvertreter in Kairo mit einem Menschenrechtler - unter vier Augen, klandestin in einem Café:
"Wir haben uns extra im Café so vor zwei großen Lautsprecherboxen hingesetzt, im Fernsehen wurde Fußball übertragen. Wir mussten uns quasi anschreien, um uns überhaupt noch verstehen zu können. Aber der Sinn der Sache ist natürlich klar: Dass man am Nachbartisch nicht hören kann, was wir sprechen."
Monate später, im Frühjahr 2016, wurde der Menschenrechtler in einem anderen Zusammenhang verhaftet – und die Böll-Stiftung stellte ihre direkten Kontakte zu ägyptischen Regimegegnern ein, um sie nicht zu gefährden. Die Demokratieförderer setzen nun auf Workshops, die zumeist im sicheren Europa stattfinden. Die Stiftung bietet auch – für mehrere Krisenländer - Auslands-Stipendien für junge Aktivisten an. Diese könnten vielleicht später – nach politischen Veränderungen - in ihre Heimat zurück kehren und dort einflussreiche Positionen einnehmen. Überwintern lautet diese Taktik, auf bessere Zeiten hoffen. Stiftungsvorstand Barbara Unmüßig überlegt auch, in den bestimmten Ländern mit gerichtlichen Klagen mehr Freiraum zu erkämpfen. Kreative Konzepte seien gefragt: "Es gibt für Stiftungsarbeit keine Blueprints."
Die parteinahen Stiftungen gehen mit den "Shrinking Spaces" jedoch ganz unterschiedlich um. So meint die Friedrich-Ebert-Stiftung, keine Debatte führen zu müssen über die neuen Hürden in der Auslandsarbeit.
"Das glaube ich ausdrücklich nicht!" sagt Vorstandschef Kurt Beck von der SPD-nahen Organisation.
"Ändere ich etwas daran, wenn ich daraus ein allgemeines Lamento mache? Das ist nicht falsch, was die Kollegen sagen. Aber es kommt nicht darauf an, wie das Presseecho oder Öffentlichkeitsecho in Deutschland ist, sondern was können wir im Sinne unserer Ziele in den einzelnen Ländern machen."
Alarm schlagen oder lieber hinter verschlossenen Türen verhandeln? Nicole Renvert von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hat jahrelang zu den parteinahen Stiftungen geforscht. Sie betont, dass die unterschiedliche Arbeitsweise der Demokratieförderer auch von der Auswahl der jeweiligen Auslandspartner abhängt. Während die Grünen-nahe Böll-Stiftung häufig mit Oppositionsgruppen kooperiere, setze die SPD-nahe Ebert-Stiftung gern – etwas diplomatischer - auf Regierungsvertreter:
"Die Stiftungen unterscheiden sich auch da nicht von ihren Parteien. Die sind sich auch nicht überall grün und haben auch nicht überall die gleiche Meinung. Also sind sie ja auch durch ihre Nähe zu ihren Parteien da sicher auch auf einer bestimmten Position."
"Die Stiftungen unterscheiden sich auch da nicht von ihren Parteien. Die sind sich auch nicht überall grün und haben auch nicht überall die gleiche Meinung. Also sind sie ja auch durch ihre Nähe zu ihren Parteien da sicher auch auf einer bestimmten Position."
Wichtig ist es, sich in den Diskurs einzuschalten
"So wie Deutschland aufgestellt ist, und bei der wichtigen Rolle der Stiftungen auch für die Außenwahrnehmung von Deutschland, ist es wichtig, sich in den verschiedenen Ländern einzuschalten in den Diskurs. Und da hängt die Qualität eben von der Arbeit von der Qualität der jeweiligen Büros ab, aber eben auch vom Kopf der Stiftung." - Revolutionen und Konterrevolutionen. Staaten, die ihre Zivilgesellschaft unterdrücken. Zudem neue Globalisierungs- und Flüchtlingsfragen. Sind die deutschen "Thinktanks" – unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung - überhaupt bereit für eine neue Auslandsarbeit? Dieter Dettke hat mehr als 20 Jahre lang das Washingtoner Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung geleitet – bis 2006. Und dabei so einige transatlantische Krisen miterlebt, etwa den Streit über eine deutsche Teilnahme am Irak-Krieg. Dettke klagt: Die Ebert-Stiftung, die in über 120 Ländern aktiv ist, werde schlecht geleitet von ihrer Berliner Zentrale.
"Ich hätte mir gewünscht, dass wir besser aufgestellt wären mit unserer politischen Führung, mit dem Kopf der Stiftung." Dettke, der nun als Honorar-Professor an der Washingtoner Georgetown University arbeitet, fordert, dass sich die parteinahen Stiftungen stärker in die Politik des jeweiligen Landes einbringen. Selbst in großen Demokratien wie den USA. Ob bei Klimawandel, Energieforschung oder bei der Gewerkschaftsförderung – die sozialdemokratisch geprägte Ebert-Stiftung sollte ihre Stimme lauter erheben. Gerade in einer Zeit, in der US-Präsident Donald Trump gegen muslimische Einwanderer Stimmung mache. "Es ist eine Botschaft gegen die Benennung des Islam als Terrorismus. Und es ist eine Botschaft für die multikulturelle Wirklichkeit. Dass man eben heutzutage eben mit einer homogenen Gesellschaft nicht mehr rechnen kann. Dazu gehört eine Menge an Nachdenken. Dazu gehören Philosophen, dazu gehören Wirtschaftler, Sozialwissenschaftler – und das muss eine Stiftung leisten können!"
Dieter Dettke hatte viele Bedenken, seine Insider-Erfahrungen öffentlich zu machen. Doch um Veränderungen anzustoßen, äußert er nun seine Kritik an der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Wenn man sich darauf beschränkt, sozusagen nur Veranstaltungen durchzuführen, also ein Konferenzzentrum zu sein, und sich sicherlich wunderschöne Gebäude dahin baut mit viel Geld, das ist nicht genug! Die Ebert-Stiftung muss einen intellektuellen und einen politischen Anspruch nach draußen vertreten! Und ich sehe zu viel Passivität. Ich sehe zu viele Veröffentlichungen für einen geschlossenen Kreis, für ein geschlossenes System, selbstreferentiell sozusagen, selbstgenügsam. Aber nicht mit dem Willen, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen!"
Bürokratisierung vermeiden
Die Ebert-Stiftung mit ihren mehr als 1200 Mitarbeitern im In- und Ausland sei zu bürokratisiert und zu stark mit sich selbst beschäftigt, kritisiert der ehemalige Büroleiter. "Man muss vermeiden, dass man ein selbstreferentielles System wird. Das ist eine Degeneration."
Kurt Beck, als Vorstandsvorsitzender "Kopf" der Friedrich-Ebert-Stiftung, weist die Generalkritik entschieden zurück: "Das halte ich für ausgemachtes dummes Zeug."
Der ehemalige Ministerpräsident spricht von einer sparsamen Stiftung und einer effektiven Auslandsarbeit. Er selbst habe zahlreiche Vorträge auch in den USA gehalten. Allerdings, räumt der SPD-Mann ein, habe er dabei keine lautstarke Konfrontation gesucht, sondern lieber nach neuen Partnern Ausschau gehalten, ganz pragmatisch.
"Ich finde es spannender mal zu gucken: Wie tritt der neue amerikanische Außenminister auf und wo sind da die Differenzen zu dem, was Trump da von sich gibt? Kann man diese Linie dann mit unterstützen? Das scheint mir dann für unsere Arbeit ertragreicher als noch irgendeine Stimme, die ja nicht die USA zum Erzittern bringt."
"Es wäre fatal, sich auf die eigene Historie allein zu berufen und zu sagen: Wir haben in der Vergangenheit gute Jobs gemacht. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass die Stiftungen ihre Arbeit kritisch evaluieren und auch neu anpassen – und eben bestimmte Programme auch verändern." - Die politischen Stiftungen werden heraus gefordert: Immer wieder müssen sie abwägen, ob sie in autoritären Staaten weiter arbeiten können. Ob sie bei Repression Alarm schlagen oder lieber leise verhandeln. Und sie müssen auf Überraschungen in Partnerländern reagieren - wie in den USA. Haben die deutschen Thinktanks genug kompetentes Personal für die heiklen Gratwanderungen? Nicole Renvert von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik beobachtet zweierlei: Zum einen gebe es durchaus Bewegung innerhalb der Stiftungen.
"Über lange Zeit galten die Stiftungen ja als reiner Versorgungsposten von ehemaligen – oft nicht so erfolgreichen – Politikern. Aber bei den Stiftungen sieht man schon, die rekrutieren viele junge Leute, oft Quereinsteiger, das verändert die Kultur der Stiftungen und das tut ihnen sehr gut."
Zum anderen warnt die Berliner Expertin die Stiftungen davor, sich bequem zurücklehnen: Im Inland gebe es nämlich längst allerhand Fachkonkurrenz – durch Unternehmens-Stiftungen, die ihre Netzwerke im politischen Berlin aufbauen.
"Ja, die Bertelsmann-Stiftung, Hertie, Mercator hat einen neuen wichtigen Platz eingenommen: Also da tut sich einiges. Und bisher habe ich den Eindruck, dass die politischen Stiftungen noch nicht richtig verstanden haben, dass die Entscheidungsträger gerne zu diesen Unternehmensstiftungen gehen und sich beraten lassen – und diese Bonner Zeiten, wo die Stiftungen eben relativ alleine waren mit ihrem Angebot, die sind eben vorbei."
Eben nicht der verlängerte Arm der Regierung sein
Renvert betont: An dem Konzept, dass unabhängige, staatlich finanzierte Stiftungen im Ausland Demokratie fördern, sollte man festhalten. Dies sei zentral für die Außendarstellung Deutschlands.
"Ganz einfach auch deswegen, weil die Stiftungen auch sagen: Wir können viele Dinge im Ausland nur machen, weil wir eben nicht der verlängerte Arm der Bundesregierung sind. Aber dadurch ist es ihnen möglich, mit Kräften auch zu arbeiten, bei denen die offizielle Diplomatie eben keine Zugänge hat."
Selbst wenn es auf höchster, zwischenstaatlicher Ebene hakt: Die Stiftungen können Kontakt halten zur Zivilgesellschaft - und auch zu Politikern eines autoritären Staates. Insider berichten, dass es solche Kanäle derzeit nach Russland und in die Türkei gibt. Davon profitiere die Bundesregierung. Auf der anderen Seite greift der deutsche Staat den Stiftungen unter die Arme, wenn es etwa Probleme mit Arbeitsgenehmigungen gibt. So kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr das autokratische Aserbaidschan, weil es jegliche Stiftungsarbeit verhindert. Kurz darauf wurden Sondierungsgespräche möglich. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, BMZ, intervenierte wiederum in China. China hat sich – nach einem neuen NGO-Gesetz Anfang dieses Jahres - quergestellt bei der Registrierung von Stiftungen. Nun zeichnet sich zwar eine Lösung ab. Aber Hans-Joachim Fuchtel, parlamentarischer Staatssekretär im BMZ und CDU-Politiker, musste dafür Druck machen in Peking:
"Mir wurde von meinen Gesprächspartnern immer wieder versichert, das richte sich nicht gegen deutsche Stiftungen, sondern gegen andere Stiftungen anderer Staaten – wobei das nicht näher spezifiziert wurde. Und man würde durch die praktische Zusammenarbeit sehen, dass das auch so sei. Aber das Ergebnis bleibt abzuwarten."
"Ich fühle mich da sehr wohl von der Bundesregierung unterstützt", betont Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung. "Wenn es allerdings zum Schwur kommt, dann bin ich jetzt auch relativ illusionslos, dass man nicht die diplomatischen Beziehungen abbricht zu einem Land, weil eine Stiftung hier nicht mehr arbeiten kann, also da bin ich Realistin. Aber wie gesagt, ich fühle mich da sehr wohl von der Bundesregierung unterstützt!"
Die sechs etablierten parteinahen Stiftungen haben im vergangenen Jahr zusammen rund 325 Millionen Euro aus der Staatskasse erhalten für ihre politische Auslandsarbeit. Dennoch arbeiteten sie unabhängig von der Regierung, versichert Kurt Beck von der Friedrich-Ebert-Stiftung:
"Wir haben eine Gepflogenheit, dass wir uns mit dem Außenminister alle paar Monate zusammensetzen, also die Stiftungsvorsitzenden, und da werden Einschätzungen ausgetauscht. Wir sind nicht weisungsgebunden, würden das auch nicht akzeptieren – man versucht es auch nicht."
Weltweit: mehr zivilgesellschaftliche Proteste – aber auch mehr staatliche Repression. Die Auslandsarbeit der parteinahen Stiftungen ist komplizierter geworden, voller Hürden. Nicole Renvert von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik prognostiziert: Die Stiftungen stünden erst am Anfang eines langen Umdenk-Prozesses:
"Die Außenpolitik befindet sich im Flux, im Wandel. Und so müssen sich eben auch die Stiftungen flexibler auf neue Herausforderungen einstellen. Und wenn sie sehen, in bestimmten Ländern werden bestimmte Projekte und Konzepte nicht mehr funktionieren, dann braucht man eben einen Plan B."