"Embryonen haben das Lebensrecht"
Hans-Peter Eiden, Geschäftsführer des Berufsverbands Reproduktionsmedizin Bayern, verteidigt die nicht-kommerzielle Vermittlung von Embryonenspenden: Mit ihr könne kinderlosen Paaren, die keine andere Chance auf ein Kind hätten, geholfen werden.
Christopher Ricke: Mit dieser Frage konfrontieren wir heute Morgen Hans-Peter Eiden, er leitet den Berufsverband Reproduktionsmedizin Bayern, er engagiert sich im Netzwerk Embryonenspenden. Herr Eiden, spenden klingt ja sehr großherzig, können Sie wirklich den Gedanken entkräften, dass es vielleicht doch wieder mal ums Geldverdienen geht?
Hans-Peter Eiden: Ja, den kann ich entkräften, und zwar genau das ist der Punkt, dass es eben nicht kommerzialisiert werden darf – das ist der Grundbestandteil unserer deutschen Rechtsprechung zu dieser Thematik, und nur aus diesem Grunde ist es möglich.
Ricke: Es gibt ja eine Rechtsprechung, es gibt eine Rechtsgrundlage, und man staunt, das Embryonenspenden auf einmal in Deutschland möglich sind. Haben Sie da einen besonderen Weg gefunden, die Probleme zu umgehen?
Im Embryonenschutzgesetzt steht nichts von einem Verbot
Eiden: Wir haben nur gelesen, und im Gesetz stand nie etwas drin, dass dieses verboten war, ganz im Gegenteil. Embryonen haben das Lebensrecht, und sie sind ihrer Verwendung zuzuführen. Dafür bestand nie ein Verbot, nur es ist für viele sehr neu.
Ricke: Aber wo fängt Kommerzialität an und wo hört sie auf? Der Mediziner, das Laborpersonal, diejenigen, die den Embryo einsetzen, die müssten ja alle bezahlt werden.
Eiden: Richtig. Das heißt, es darf keine Gewinnerzielungsabsicht in dieser Sache stecken. Es geht darum, dass die ... primär, die Vermittlung selber ist kostenlos.
Ricke: Und das unterscheidet dieses deutsche Modell, für das Sie stehen, dann von all dem, was wir zum Beispiel aus Tschechien kennen?
Eiden: Nicht nur in diesem Bereich der Kommerzialisierung unterscheidet es sich, es unterscheidet sich auch in der Nachverfolgbarkeit oder in der genetischen Nachverfolgbarkeit, die gewährleistet sein muss in Deutschland, die im Ausland eben total anonymisiert ist. Und dem Kind würde oder wird die Möglichkeit seiner genetischen Nachverfolgung im Ausland genommen, das nach bundesverfassungsrechtlichen Grundsätzen in Deutschland gegeben sein muss.
Ricke: Gilt das denn auch andersrum, können denn auch Eltern, die einen Embryo gespendet haben, irgendwann den Anspruch äußern, ihr eigentlich leibliches Kind einmal kennenzulernen?
Eiden: Prinzipiell, wenn man eine offene Spende machen würde, wäre dieses möglich. Wir haben uns im Netzwerk für eine anonyme Spende entschieden, eben um gerade am Anfang jede Chance einer möglichen Kommerzialisierung hier auszuschließen. Und die Eltern haben, das heißt die Embryonengeber oder die Spender, haben mit der Spende sämtliches Recht an dieses noch zu entstehende Kind verloren, es abgegeben an diese Eltern. An die Mutter, die gesetzlich die Mutter ist – es gibt keine zwei Mütter –, und der Vater ist gesetzlicher Vater, also der Wunschvater nun ist gesetzlicher Vater.
Etikettierung vermeiden
Ricke: Wie wählen Sie denn für ein Elternpaar den richtigen Embryo aus?
Eiden: Der Embryo wird nicht ausgewählt, sondern wir ... Eine Untersuchung der Embryonen wird nicht genehmigt oder ist nicht statthaft. Wir gleichen die Spendereltern und die Wunscheltern anhand ihrer phänotypischen Merkmale ab – das ist medizinisch nicht erforderlich, aber ...
Ricke: Phänotypisch heißt Größe, Aussehen, Haarfarbe ...
Eiden: Größe, Aussehen, der Hauttyp, Augenfarbe, Blutgruppe und so weiter. Das sind also die phänotypischen Merkmale, um eben aus dem Kindeswohl heraus das Kind nicht zu sehr unterschiedlich aussehen zu lassen wie seine Eltern, um eben diese Etikettierung am Anfang zu vermeiden.
Ricke: Diese ethische Debatte, die haben wir ja seit Langem für den gesamten Bereich der Reproduktionsmedizin. Es gibt durchaus relevante gesellschaftliche Gruppen, die darauf hinweisen, dass 100.000 Kinder im Jahr in Deutschland nicht auf die Welt kommen dürfen, weil Schwangerschaften abgebrochen werden. Wir wissen, dass Tausende ungewollt kinderlose Paare ins Ausland reisen, um sich eben mit einem Kind selbst zu verwirklichen. Sie sprechen gerade vom Kindeswohl und nicht unbedingt vom Elternwohl, die sagen, wir brauchen zur Vervollkommnung unseres Glücks ein Kind. Wie viel Verständnis haben denn Sie für die, die insgesamt höchste ethische Bedenken haben?
Eiden: In diesem Bereich habe ich kein Verständnis, weil ich sehe gerade in dieser Embryonenspende die höchste ethische und moralische Verpflichtung. Hier geht es darum, dass Embryonen, die nicht zu dieser Spende erzeugt werden, wie im Ausland, sondern aus einer durchgeführten Kinderwunschbehandlung, nicht mehr auf das Paar zurücktransferiert werden können, oder die Eltern lehnen es ab, wie auch immer, und es gibt tausend Gründe dafür, das liegt in ihrer Verantwortung. Und es geht darum, dass man sagt, diese Kinder oder diese Embryonen, die die Möglichkeit des Lebens in sich tragen, sollen nicht vernichtet werden, sondern den Paaren gegeben werden können, die sogenannt austherapiert sind, die keine andere Chance mehr auf ein Kind haben als durch eine Embryonenspende.
Ricke: Wenn man sich dieses Potenzial ansieht, das mit der Embryonenspende eröffnet wird, und die Zahlen der tiefgekühlten Embryonen, die in den Laboren lagern, ist das eine relevante Größe oder eine Marginalie?
Eiden: Man darf dieses nicht gleichsetzen. Zuerst mal muss man von diesen Embryonenspendern sprechen. Es ist eine Option für diese Menschen, für diese Paare, und viele sind äußerst glücklich, die es nicht übers Herz bringen, ihre – ich sag mal, wie in den Foren immer beschrieben – ihre Eisbärchen, Schneeflöckchen zu vernichten, sondern ihnen das Leben zu ermöglichen, wenn es schon nicht bei ihnen ist. Das ist der erste Schritt, das muss erst mal betrachtet werden. Und dieses ist nur ein Bruchteil der Paare, die kryokonservierte Embryonen in Deutschland gelagert haben. Das kann nicht für jeden eine Option sein, aber es gibt viele. Und denen sollte man diese Möglichkeit eröffnen, weil die damit glücklich sind. Der zweite Schritt ist, erst dann diese Wunscheltern, die austherapiert sind, die keine andere Chance mehr haben, nicht weil sie persönlich daran schuld sind, sondern aus medizinischen Gründen ... Ein Beispiel: Eine junge Frau mit 20 hatte eine onkologische Erkrankung, wurde bestrahlt, ihre Eierstöcke produzieren keine Eizellen mehr. Diese Frau hat mit dieser Diagnose, wie sie mir sagte, ihr zweites Todesurteil erhalten. Die ist jetzt 33 und steht auf unserer Liste. Diese Frau oder dieses Paar kann einen Embryo erhalten und kann ihn auch austragen und ihm zum Leben verhelfen. Das sehen wir als höchste ethische und moralische Verpflichtung, die möglich ist und auch legal ist.
Ricke: Auch in Deutschland kommen jetzt Kinder zur Welt, die als Embryonen gespendet wurden aus der Überschussproduktion der Reproduktionsmedizin. Hans-Peter Eiden, er leitet den Berufsverband Reproduktionsmedizin Bayern und engagiert sich im Netzwerk Embryonenspende. Vielen Dank dafür!
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