Reptilienforscher Heiko Werning

"Ekel ist bei Tieren keine Kategorie“

33:22 Minuten
Der Reptilienforscher Heiko Werning steht vor einem Nashorn-Gehege im Zoo.
Reptilienforscher und Wedding-Kenner: Heiko Werning. © Susanne Schleyer
Moderation: Ulrike Timm |
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Kriechtiere sind seine Leidenschaft: Deshalb züchtet Heiko Werning vom Aussterben bedrohte Arten und wirbt dafür, es ihm nachzumachen. Geld verdient er mit dem Schreiben über die Tierwelt und seine Wahlheimat, den Berliner Bezirk Wedding.
Wie Frau und Kinder: Tiere gehören für Heiko Werning zur Familie dazu. Derzeit leben in seiner Wohnung verschiedene Amphibien und Reptilien, darunter Kröten, australische Laubfrösche, und auch eine Wasserschildkröte. "Und natürlich meine Wüstenleguane, die mir besonders ans Herz gewachsen sind“, erzählt Werning.

Jeder kann Artenschützer sein

Über 20 Jahre lang hatte der Reptilienforscher und Autor sogar eine eigene Wohnung für seine Gebirgsleguane angemietet. Das sei aber eine kleine Wohnung gewesen, betont er. „Die leben, wie der Name schon sagt, oben im Gebirge. Und da wird es sehr kalt in der Nacht. Das war mir in der eigenen Wohnung suspekt.“ Die Heizung in der Nebenwohnung schaltete er nie an.
Zugegeben, das klingt alles ein wenig skurril. Doch wenn Werning die Hintergründe solcher Geschichten schildert, wird klar: Hier steckt mehr als nur eine kuriose Leidenschaft dahinter.
Die Sache mit den Gebirgsleguanen sei beispielsweise ein Forschungsprojekt zusammen mit der chilenischen Regierung gewesen, berichtet er. Das Umweltministerium in Santiago de Chile habe sich für bedrohte einheimische Arten interessiert. Nur wenig sei über diese Tiere bekannt gewesen, leben sie doch in einer Höhe von über 4000 Metern. Kein Ort also, um sie monatelang zu beobachten. Unter "Laborbedingungen", im Terrarium, habe das aber funktioniert, so Werning.
Mit Kollegen hat der Reptilienforscher die Organistation „Citizen Conservation" gegründet. Denn jeder, so Werning, könne Artenschützer sein. Das sei eigentlich eine Aufgabe der Zoos, aber die würden das allein nicht mehr leisten können. „Es gibt wirklich eine erschreckende Vielzahl an gefährdeten Arten, die nur noch durch Erhaltungszucht zu retten sein werden.“

Der Wutbürger unter den Tieren

Viele Arten hätten für Zoos auch „keinen großen Schauwert“. Gerade kleinere Tiere, die sich meist versteckten. „Aber die kann man natürlich ganz problemlos in privater Haltung, wenn man weiß, was man tut, halten und vermehren. Und wenn man zusammenarbeitet, kann man eine ganze Menge zusätzlicher Arten retten, die sonst wahrscheinlich keine Chance hätten.“
Das brachte Werning auch auf die Idee zu seinem neuen Buch über aussterbende Arten: „Von Okapi, Scharnierschildkröte und Schnilch. Ein prekäres Bestiarium“.
Cover des Buchs "Von Okapi, Scharnierschildkröte und Schnilch. Ein prekäres Bestiarium".
Stellt ausgestorbene oder stark gefährdete Tierarten vor: "Von Okapi, Scharnierschildkröte und Schnilch. Ein prekäres Bestiarium".© Deutschlandradio / Galiani
Besonders die Scharnierschildkröte hat es ihm angetan. Sie kann ihren Panzer komplett schließen und sich so vor Fressfeinden schützen: „Sie macht total dicht, ist die Meisterin des Social Distancing.“
Auch der Tasmanische Beutelteufel taucht ins Wernings Band auf. „Das ist ein bisschen der Wutbürger unter den Tieren. Ein übellauniges, schlecht riechendes Tier, das immer gleich auf Angriffsmodus schaltet.“ Stark im Bestand dezimiert mache dem Beutelteufel derzeit auch noch ein Virus zu schaffen.
Es sind genau diese Arten, die den Autor besonders faszinieren. Gern dürfen sie Schuppen tragen und glitschig sein. „Tatsächlich finde ich Tiere interessant, die auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich wirken, und wo es dann umso spannendere Dinge in der Biologie zu entdecken gibt. Ekel ist bei Tieren keine Kategorie.“

Ein Schwein an der Leine

Als Wahlberliner und Autor beschäftigt sich Werning auch immer wieder mit dem Bezirk Wedding. Hier wohnt der gebürtige Westfale seit 1991. Gern besucht er den arabischen Imbiss mit dem wohlklingenden Namen „Verwöhn dein Bäuchlein“.
Auch hier hat er schon tierische Erfahrungen gemacht: So führt eine regelmäßige Kundin ein Schwein an der Leine. Und in der Tegeler Straße im Wedding hänge ein Automat, aus dem man lebende Maden ziehen kann. Nicht nur zum Brandenburger Tor gehen, auch in den Wedding kommen: Das ist Wernings Tipp für Berlinbesucher.
(ful)
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