Resilienz in der Wirtschaftskrise
Resilienz heißt Widerstandsfähigkeit und ist in Krisenzeiten besonders wichtig. Seine individuelle Resilienz kann man in Seminaren steigern. In solchen Seminaren sitzt eine Schar von fleißigen, aber unzufriedenen Teilnehmern und lernt von einer Trainerin. Die muntere Dame erläutert, dass Glaubenssätze, die seit der Kindheit in Jedem dümpeln, den beruflichen Erfolg und das schöne Leben sehr beinträchtigen können.
"Streng Dich jetzt mal tüchtig an", hämmert das Gefühl zum Beispiel angesichts einer aufziehenden Wirtschaftskrise. Da soll man sich, sagt die Trainerin, vorstellen, wer diesen Satz gehört hat. – Meistens ist es ein "kleines Ich", fünf Jahre alt, das gesagt bekam: "Streng Dich jetzt mal tüchtig an!" Diese kleine Person lässt man nun auf Empfehlung der Trainerin im Sessel sitzen, stellt sich selbst groß daneben und beginnt neu nachzudenken: Das "große Ich" stellt unbeirrt von Leistungsdruck und Versagensängsten die Frage: Wie kann ich die Wirtschaftskrise mit möglichst wenig Aufwand wuppen? Genauer gesagt heißt die Frage: Wie komme ich auch in der Finanzkrise schneller und leichter zu Geld?
An diese Frage, so die Trainerin, pirscht man sich näher heran. Man bestimmt seinen Standort und lässt von dort aus die Gedanken frei schweifen. Dann prüft man die möglichen Lösungen auf ihre Realisierbarkeit. Gesagt, getan: Der Standort? Wir leben in der besten aller möglichen Welten. Jetzt verteilt sogar die Regierung Geld wie Heu. "Rettungspakete". Das Problem: Wie wird man Empfänger eines Rettungspakets? Wie kann man mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel teilhaben? Also: Geld abbekommen.
Inzwischen haben alle kleinen Ichs einen Chor gebildet und greinen den Glaubenssatz: "Uns schenkt keiner was – und Geld schon gar nicht!" Recht hat der Chor. Nicht einmal Gutscheine bekommen die kleinen Ichs. Widerstandsfähigkeit, Resilienz, ist jetzt gefragt.
Die großen Ich's stehen also neben den kleinen Ichs und lassen ihre Gedanken frei schweifen: Wie kommt man an das Regierungsgeld ran? Selber Regierung werden? Oder zur Bank mutieren? Manager werden – bei Opel oder Mercedes vielleicht? Dagegen spricht die Vernunft: Das dauert alles viel zu lang!
An diesem Punkt schwillt der Chorgesang der kleinen Ichs zu einem durchdringenden Heulen an: "Die Regierung hat uns nicht lieb! Sie gibt uns gar nichts. Wir geben ihr immer, aber sie? Sie liebt uns überhaupt nicht so wie wir sie..." – "Dann gehen wir eben fremd!", erwidern die großen Ichs. Sie sind eindeutig erfolgsorientierte Lebenskünstler. Sie wägen ab: Lotterie, Wetten, Spielbank, Onlinepoker, Onlinebrokerage ... alles sehr prickelnd. Flaschensammeln? Mühsam, unergiebig, ärmlich. Klauen? Geldtransporter? Entführung, Lösegeld? Gute Ideen – doch sehr risikoreich.
"Wir haben Angst", jaulen die kleinen Ichs, und es ist zum Gotterbarmen. "Wir wollen nicht kriminell werden. Wir wollen lieb sein. Fleißig sein. Wir scheuen keine Arbeit." - "Ruhe da!", befehlen die großen Lebenskünstler und denken fieberhaft nach. Aus ihrem Nachdenken wird ein Forschen. Ein Forschen auf den Nachdenkseiten der www-Welt: Dort finden sie einen Antrag.
"Antrag auf Ausschüttung meines Anteils am 500 Milliarden Euro-Rettungspaket für Banken". www.nachdenkseiten.de rechnet vor: Der Anteil eines jeden Bundesbürgers wäre 6097 Euro, und die Ausschüttung sei ein patriotischer Akt. Die großen und die kleinen Ichs beraten diesen Vorschlag. An wen richtet sich der Antrag? An den Bundesfinanzminister. SPD. Okay. Das müsste gehen, das glauben sogar die kleinen Ichs. Sie schluchzen zwar noch ein bisschen weiter, aber die großen Ichs tippen schon den Brief:
"Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister Steinbrück, Resilienz heißt unter widrigen Umständen gut takten. Wir sind der Überzeugung, dass die Bundesregierung das kann. Wir möchten allerdings vorschlagen, dass gerade Sie, sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, das Volk dabei einbeziehen und damit noch besser takten. Sie haben uns Steueridentifikationsnummern gegeben, nun geben Sie uns bitte auch Geld dazu. Wir sind das Volk. Wir geben gerne Geld aus. Wir essen und trinken, wir rauchen und reisen, wir zeugen und erziehen Kinder. Wir stützen damit die Wirtschaft. 6097 Euro wollen wir heute. Morgen sehen wir weiter.
Mit freundlicher Hochachtung..."
Dr. Sibylle Hoffmann wurde 1951 in Berlin (West) geboren, studierte Soziologie und Philosophie in Marburg und unterrichtete Sozialpädagogik. In dem Buch "Ich schaff das schon" veröffentlichte sie Protokolle von jugendlichen Müttern. Sie arbeitet als Autorin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
An diese Frage, so die Trainerin, pirscht man sich näher heran. Man bestimmt seinen Standort und lässt von dort aus die Gedanken frei schweifen. Dann prüft man die möglichen Lösungen auf ihre Realisierbarkeit. Gesagt, getan: Der Standort? Wir leben in der besten aller möglichen Welten. Jetzt verteilt sogar die Regierung Geld wie Heu. "Rettungspakete". Das Problem: Wie wird man Empfänger eines Rettungspakets? Wie kann man mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel teilhaben? Also: Geld abbekommen.
Inzwischen haben alle kleinen Ichs einen Chor gebildet und greinen den Glaubenssatz: "Uns schenkt keiner was – und Geld schon gar nicht!" Recht hat der Chor. Nicht einmal Gutscheine bekommen die kleinen Ichs. Widerstandsfähigkeit, Resilienz, ist jetzt gefragt.
Die großen Ich's stehen also neben den kleinen Ichs und lassen ihre Gedanken frei schweifen: Wie kommt man an das Regierungsgeld ran? Selber Regierung werden? Oder zur Bank mutieren? Manager werden – bei Opel oder Mercedes vielleicht? Dagegen spricht die Vernunft: Das dauert alles viel zu lang!
An diesem Punkt schwillt der Chorgesang der kleinen Ichs zu einem durchdringenden Heulen an: "Die Regierung hat uns nicht lieb! Sie gibt uns gar nichts. Wir geben ihr immer, aber sie? Sie liebt uns überhaupt nicht so wie wir sie..." – "Dann gehen wir eben fremd!", erwidern die großen Ichs. Sie sind eindeutig erfolgsorientierte Lebenskünstler. Sie wägen ab: Lotterie, Wetten, Spielbank, Onlinepoker, Onlinebrokerage ... alles sehr prickelnd. Flaschensammeln? Mühsam, unergiebig, ärmlich. Klauen? Geldtransporter? Entführung, Lösegeld? Gute Ideen – doch sehr risikoreich.
"Wir haben Angst", jaulen die kleinen Ichs, und es ist zum Gotterbarmen. "Wir wollen nicht kriminell werden. Wir wollen lieb sein. Fleißig sein. Wir scheuen keine Arbeit." - "Ruhe da!", befehlen die großen Lebenskünstler und denken fieberhaft nach. Aus ihrem Nachdenken wird ein Forschen. Ein Forschen auf den Nachdenkseiten der www-Welt: Dort finden sie einen Antrag.
"Antrag auf Ausschüttung meines Anteils am 500 Milliarden Euro-Rettungspaket für Banken". www.nachdenkseiten.de rechnet vor: Der Anteil eines jeden Bundesbürgers wäre 6097 Euro, und die Ausschüttung sei ein patriotischer Akt. Die großen und die kleinen Ichs beraten diesen Vorschlag. An wen richtet sich der Antrag? An den Bundesfinanzminister. SPD. Okay. Das müsste gehen, das glauben sogar die kleinen Ichs. Sie schluchzen zwar noch ein bisschen weiter, aber die großen Ichs tippen schon den Brief:
"Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister Steinbrück, Resilienz heißt unter widrigen Umständen gut takten. Wir sind der Überzeugung, dass die Bundesregierung das kann. Wir möchten allerdings vorschlagen, dass gerade Sie, sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, das Volk dabei einbeziehen und damit noch besser takten. Sie haben uns Steueridentifikationsnummern gegeben, nun geben Sie uns bitte auch Geld dazu. Wir sind das Volk. Wir geben gerne Geld aus. Wir essen und trinken, wir rauchen und reisen, wir zeugen und erziehen Kinder. Wir stützen damit die Wirtschaft. 6097 Euro wollen wir heute. Morgen sehen wir weiter.
Mit freundlicher Hochachtung..."
Dr. Sibylle Hoffmann wurde 1951 in Berlin (West) geboren, studierte Soziologie und Philosophie in Marburg und unterrichtete Sozialpädagogik. In dem Buch "Ich schaff das schon" veröffentlichte sie Protokolle von jugendlichen Müttern. Sie arbeitet als Autorin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.