"Resist! Die Kunst des Widerstands" in Köln

Die Vielfalt des antikolonialen Kampfes

05:38 Minuten
„O Sacudimento da Maison des Esclaves em Gorée, Diptych Video” von Ayrson Heràclito.
"O Sacudimento da Maison des Esclaves em Gorée", ein Diptych-Video von Ayrson Heràclito. © Ayrson Heràclito
Von Christian Werthschulte |
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Vom bewaffneten Kampf bis zum Schreiben der eigenen Geschichte: Der Widerstand gegen Kolonialismus kennt viele Formen. Die Ausstellung "Resist!" in Köln versucht, diese Facetten zu zeigen und sich zugleich für die postkoloniale Gegenwart zu öffnen.
Es gibt viele Arten, die 500-jährige Geschichte des Kolonialismus zu erzählen. DJ Rokia Bamba aus Brüssel hat sich für die Musik entschieden. "Musik ist Erbe und Gedächtnis. Für mich ist sie ein Archiv. Meine Heimatländer Mali und die Elfenbeinküste sind Länder mit mündlicher Überlieferung. Und die Überlieferung geschieht durch die Musik und die Songs der Griots", sagt Bamba.
Bei ihren Auftritten mixt Rokia Bamba die Musik der afrikanischen Diaspora zusammen: von Hip-Hop aus New York über Naija Pop aus Lagos bis zu Gqom aus Durban. Mit einem virtuellen DJ-Set eröffnet sie am Wochenende die Ausstellung "Resist! Die Kunst des Widerstands" im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.

Der kolonialen Unterdrückung trotzen

Darin will das ethnologische Museum die verschiedenen Formen des Widerstands gegen die Kolonialherrschaft dokumentieren. Museumsdirektorin Nanette Snoep erklärt: "Man hat natürlich bewaffneten Widerstand, aber man hat auch subversiven Widerstand. Weigerung ist eine Form von Widerstand. Widerstand ist auch, seine eigene Geschichte zu schreiben. Oder Widerstand ist natürlich auch das Überleben, dass man trotz 500 Jahren kolonialer Unterdrückung immer noch den Mut hat, Widerstand zu leisten."
"Resist!" zeigt die Vielfalt dieses Widerstands. Auf einem Foto sieht man, wie ein Kongolese im Jahr 1960 bei einem Staatsbesuch den Degen des belgischen König Baudouin vor aller Augen an sich reißt.
Oder die Singh Twins aus Nordengland: Sie zeigen ein Triptychon im Stil klassischer indischer Malerei über das Massaker von Amritsar, wo britische Kolonialtruppen im Jahr 1919 379 Menschen ermordet haben. Die Ausstellung beleuchtet auch den Alltagswiderstand in den Kolonien: Wie zum Teil wertloser Schund an ahnungslose Kolonisatoren verkauft wurde, die ihn für seltene Sammlerstücke hielten.

Der Schmerz ist noch da

Das Besondere an Resist! sind vier Ausstellungsteile, die von Gastkuratorinnen und -kuratoren gestaltet worden sind. Die Aktivistinnen Ida Hoffmann und Esther Muinjangue thematisieren hier ein Stück deutscher Kolonialgeschichte: den Genozid an Herero und Nama im Jahr 1904.
"Wir sind die Stimmen der Menschen, die 1904 gestorben sind. Wir sprechen als Vertreter ihrer Totenschädel, die noch in Deutschland sind. Den Schmerz, den unser Volk vor 117 Jahren gefühlt hat, fühlen wir noch heute. Denn wir leben in Armut, weil die Deutschen uns unser Land und unser Vieh genommen haben", sagt Muinjangue.
Aus der Serie: Are You Calling Me a Dog? von Nura Qureshi.
Aus der Serie: Are You Calling Me a Dog?© Nura Qureshi
Als Vorsitzende der "Ovaherero Genocide Foundation" war Esther Muinjangue an der Rückführung von Totenschädeln nach Namibia beteiligt. In "Resist!" zeigt sie Dokumentarfilme von den Protesten, die die Verhandlungen begleitet haben. Ihnen stellt sie Agitprop-Plakate gegenüber, auf denen abgemagerte Herero in Ketten zu sehen sind.

Eine Lücke im kulturellen Gedächtnis

Subtiler geht dagegen die nigerianische Künstlerin Peju Layiwola vor. Sie arbeitet mit den Benin-Bronzen, die 1897 bei einer Strafexpedition der Briten im heutigen Nigeria geraubt wurden. Die Familie des Kölner Museumsgründers Eugen Rautenstrauch in London hat sie kurz darauf in London gekauft. Peju Layiwola erzählt in ihrer Arbeit die Geschichte dieser Bronzen. In Nigeria spielen sie als Träger des kulturellen Gedächtnis eine wichtige Rolle und Layiwola macht auf die Lücke aufmerksam, die ihr Raub hinterlassen hat.
"Restitutionsforderungen und der Kampf für Restitution sind auch eine Form des postkolonialen Widerstands. Das thematisieren wir hier im Museum, um auch die Besucher dafür zu sensibilisieren, was es für Nigerianer bedeutet, dass diese Sammlung sich hier in Köln befindet und nicht in Benin City", sagt Museumsdirektorin Nanette Snoep.
Sie selbst unterstützt die Forderung nach einer Rückgabe der Bronzen, aber die Entscheidung müsse die Politik fällen. Mit der Ausstellung "Resist!" verfolgt sie aber noch ein anderes Anliegen: Sie möchte sie nutzen, um das weiße Kölner Bildungsbürgertum in den Dialog mit People-of-Color-Communitys der Stadt zu bringen und gemeinsam die Ausstellung weiterentwickeln.

Öffnen für die postkoloniale Gegenwart

Diese ohnehin nicht einfache Aufgabe wird durch die Corona-Pandemie erschwert. Der Dialog muss in den virtuellen Raum ausweichen, in die Videotalks und Diskussionen, die das Museum ab nächster Woche veranstaltet. Für das Kölner Ethnologiemuseum ist dieser Prozess ein wichtiger Schritt, um sich für die postkoloniale Gegenwart zu öffnen.
DJ Rokia Bamba hofft, dass dieser Aufbruch nicht nur im virtuellen Raum stattfinden wird: "I want to feel that again and make some noise."
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