Respekt, Ehrlichkeit, Autonomie

Der wichtigste Wert sind Beziehungen, sagt Wilhelm Schmid.
Der wichtigste Wert sind Beziehungen, sagt Wilhelm Schmid. © Jan-Martin Altgeld
Zu Gast: Wilhelm Schmid und Dagmar Borchers |
Respekt, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit - fragt man die Bundesbürger nach ihren Werten, kommt regelmäßig eine ähnliche Reihenfolge heraus, dicht gefolgt von der Freiheit und Toleranz. Soweit die Theorie. Aber leben wir diese Werte auch oder stellen wir sie nicht auch schnell hintan, wenn es um den eigenen Vorteil geht? Gibt es neue Werte, die die traditionellen verdrängen?
Welche Werte sind uns wichtig?

"Der wichtigste Wert sind Beziehungen, sie sind ein Wert an sich", sagt der Philosoph Wilhelm Schmid. "Sie müssen nur alle Eltern fragen, wie wichtig ihnen die Beziehung zu ihren Kindern ist. Gesellschaftliche Werte wie Respekt und Gerechtigkeit sind in aller Regel proklamierte Werte. Viele geben sie in Befragungen an, aber sie tun nichts dafür oder achten nicht darauf. Das ist ein großes Problem unseres modernen Lebens." Das Glück und die Lebenskunst sind die Hauptthemen der Bücher des außerplanmäßigen Professors für Philosophie an der Universität Erfurt; beide seien ohne Wertmaßstäbe nicht zu denken. Viele Werte konkurrierten aber auch miteinander: "Welcher Wert soll im Zweifelsfall Vorrang haben, wenn etwa zwischen Freiheit und Bindung, Risiko und Sicherheit, Konsequenz und Nachgiebigkeit zu wählen ist?"

Neben die traditionellen Werte seien neue, eher materielle Werte getreten.

"Geld spielt eine große Rolle, aber auch reisen zu können, biologisch einkaufen zu können. Aber ich kenne nicht einen Menschen, der nur materielle Werte schätzt. Insofern ist es ein gutes Gemisch von Werten. Die meisten ziehen ihre Werte nicht mehr aus der Religion, nicht mehr aus der Tradition." Heute seien es "autonome Werte ". Wichtig bei allem sei aber, "dass die Menschen, die sie wählen, sie realisieren und nicht nur proklamieren."

"Was für mich ganz wichtig ist, ist Aufrichtigkeit und Authentizität und gleich dahinter so etwas wie Demut und Bescheidenheit", sagt Dagmar Borchers, Professorin für Angewandte Philosophie an der Universität Bremen. "Ich finde, dieses Leben lehrt uns, dass wir auf dünnem Eis wandeln." Gerechtigkeit sei eine der zentralen Tugend gesellschaftlichen Zusammenlebens. "Sie ist ein wichtiges Fundament. Wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, wo wir selbst oder andere diskriminiert werden."

Doch gerade Werte wie Gerechtigkeit und Respekt würden allzu schnell vergessen, wenn es um den eigenen Vorteil gehe. "Diese Ambivalenz tragen wir selbst in uns: Rein abstrakt haben wir den Wert der Gerechtigkeit, aber in Bezug auf uns und unsere Familie machen wir dann ungerechte Sachen."

Dies zeige sich auch angesichts der Finanzkrise: "Sie zeigt, wie wichtig moralische Grundlagen sind. Es gab ein ziemliches Entsetzen, darüber, dass sich in unserer die Gesellschaft moralfreie Zonen entwickelt haben. Und ich wundere mich, dass dies wieder in Vergessenheit geraten ist, und dass nicht mehr darüber diskutiert wird, welche Regeln für die Kapitalmärkte gelten sollen. Die Leute haben festgestellt, dass man für Geld nicht alles kaufen kann."

Nach dieser Erfahrung stelle sich einmal mehr die Frage: "Nach welchen Regeln soll unsere Gesellschaft funktionieren?"


Welche Werte sind uns wichtig?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:05 bis 11 Uhr mit Dagmar Borchers und Wilhelm Schmid. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800-22542254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:
Über Prof. Dr. Dagmar Borchers
Über Prof. Dr. Wilhelm Schmid