Im Untergeschoss vor den Toiletten hängt das skandalöse Plakat des
Restaurants "Schmock" in München: „Deutsche, esst bei Juden“. Daneben heißt es unter einer 17-armigen Menora: „Chanukka verlängert, jetzt noch schnell Jude werden“. Auch die Jutetaschen mit der Aufschrift „Judebeutel“ gibt es wieder.
Jüdisches Essen muss nicht religiös sein
Oben im Gastraum serviert das israelisch-bayerisch-arabische "Schmock"-Team orientalische Spezialitäten. Neben den Tellern liegen Gabeln, deren Stiele gedreht sind wie Pejes. Das sind die gewundenen Schläfenlocken der frommen chassidischen Juden.
Das Judentum ist Wirt Florian Gleibs wichtig. Allzu ernst nimmt er es allerdings nicht.
„Jeder soll daran glauben, was er will. Ich bin in erster Linie mal wirklich pro Israel, weil meine Familie in Israel lebt. Aber ich bin nicht der religiöseste Mensch auf der Welt. Deswegen sage ich, mir geht es um Israel, um die Sache, egal in welcher Religion, das ist mir jetzt nicht so wichtig!“
Florian Gleibs, Gastronom
Aufreißen am Flughafen
Schon die Geschichte seiner Eltern zeigt, wie weit man mit der richtigen Mischung aus Chuzpe, Charme und Humor kommen kann.
„Meine Mutter ist in Europa herumgereist. Sie war in Berlin, da war sie Anfang 20, und als sie am Berliner Flughafen war - mein Vater hat da gearbeitet… der hat sie mit folgendem Satz aufgerissen: ‚I can show you Berlin.‘ Es würde heutzutage gar nicht mehr funktionieren, weil jeder denkt, er wird verschleppt. Aber scheinbar hat es 1967 funktioniert.“
Florian Gleibs, Gastronom
Gleibs Mutter ist Israelin mit irakischen Wurzeln, sein Vater Deutscher, Sohn Florian Münchner mit einem Bein in Israel. Sein Restaurant "Schmock" führte er bis 2016 in der damals wenig belebten Augustenstraße zwischen Schwabing und der Innenstadt.
Hassgewalt freien Lauf gelassen
Nach dem Gazakrieg 2014 blieben die Gäste aus. Viele kamen nicht mehr, weil sie Angst vor Anschlägen hatten. Andere wollten nichts mehr mit dem vermeintlichen Aggressor Israel zu tun haben. Manche bedrohten Wirt und Angestellte. Antisemitismus gibt es auch in München.
„Ich glaube mittlerweile, dass es sichtbarer geworden ist. Durch dieses Anti-Israel-Bashing kann man sich ein bisschen freier ausleben.“
Florian Gleibs, Gastronom
Gleibs, ein lockerer, jungenhafter Typ um die 50 mit hellem Haar und blauen Augen, gab auf.
„Also es ist schon so, ich wollte das nie mehr machen. Ich habe gesagt: ‚Ich verkaufe keine Falafel mehr, lieber Frühlingsrollen!‘“
Florian Gleibs, Gastronom
Von Frühlingsrollen ins Schlachthausviertel
Er wollte ein unverfängliches asiatisches Lokal aufmachen. Fünf Jahre später lud ihn der Intendant des Münchner Volkstheaters Christian Stückl ein, am neuen Theaterstandort im Schlachthofviertel das "Schmock" wieder zu eröffnen. Gleibs sagte zu.
„Christian Stückl ist ein großer Freund der Sache und war früher auch sowieso viel im 'Schmock'. Und da ich mit dem sehr gut harmoniere, war es eigentlich irgendwie klar, dass das so passiert.“
Florian Gleibs, Gastronom
Willkommen im Theater
Im top-modernen Theaterneubau fühlt sich der Wirt willkommen und sicher.
„Wir kochen natürlich auch fürs Volkstheater selber mit: für die ganzen Schauspieler, für die Techniker. Die kommen rüber zu uns und es wird gegessen und getrunken nach den Vorstellungen. Natürlich kommen die ganzen Theatergäste auch zu uns. Das gehört schon alles zusammen.“
Florian Gleibs, Gastronom
"Am Ende des Tages essen wir genau dasselbe"
Auch das israelisch-arabische Team in der Küche hält zusammen. Koch Ibrahim ist Palästinenser. Er spricht wie sein Chef hebräisch.
„Ich habe acht Jahre in Israel gearbeitet, in Rishon LeZion und in Tel Aviv. Das war gut und hier ist es auch gut. Alles passt!“
Ibrahim, Koch
Über seinen Koch sagt der Wirt: „Wenn er nicht in Israel gearbeitet hätte… am Ende des Tages essen wir genau dasselbe. Er weiß genau, was gegessen wird. Aus dem FF haut er das raus.“
Ein familiäres Geben und Nehmen
Ibrahims ägyptischen Kollegen Sabry stellt der Chef so vor: „Früher haben wir für die gearbeitet. Wir haben die Pyramiden gebaut. Jetzt arbeitet er für uns.“ Schon in Scharm El-Scheich hat der Koch viele israelische Gäste bewirtet. Für ihn ist das kein Problem.
„This politic outside - we are all the same family! And in Egypt, too, we have a lot of friends from Israel and we live together without any problem.We have from Palestine or from Pakistan. We’re family here. One person from Sudan and another from Algeria.”
Sabry, Koch
Sabry bezeichnet das "Schmock"-Team als seine Familie.
Fusion aus Currywurst und Hummus
Bunt wie die Mitarbeiterschaft ist die Küche des "Schmock": ein Mix aus israelisch-arabischen, deutschen und anderen Gerichten. Neben Currywurst-Schranke, Faröer-Lachs, Cheese- und Hummus-Burger finden sich israelische und arabische Leckereien auf der Karte - gerne auch mit bayerischem Einschlag wie die Mekka-Liesl: geschmortes Ofengemüse mit arabischem Reis „Schel Safta“ - (hebräisch "meine Oma") dazu Rosinen. Die Crême Brulé „Bdalek“ bekommt hier eine israelisch-arabische Kardamom-Note und die Schokotarte „Ugat“ (hebräisch "Kuchen") einen Minzgeschmack.
Im Restaurant "Schmock" trifft arabische auf israelische Küche gemixt mit bayrischer Currywurst.© picture alliance / Robert B. Fishman
Der Wirt empfiehlt: „Wir haben dieses Schawarma-Ramat-Gan-Rote-Beete, Hummus mit Tehina, S‘chuk und Hähnchen-Schawarma. Das schmeckt schon sehr lecker.“
Omas Rezepte unterm Kopfkissen
Doch bei Florian Gleibs weiß man nie so genau, was er ernst meint und was nicht, zum Beispiel wenn er die Quelle seiner ausgefallenen Rezepte verrät:
„Die habe ich von meiner Oma. Sie hat sie jahrelang unter dem Kopfkissen versteckt und jetzt habe ich sie wiedergefunden und habe sie übersetzt aus dem Arabischen ins Hochdeutsche.“
Florian Gleibs, Gastronom
Wer stört sich an Judenhumor?
Und wie ist er auf die provokanten Plakate mit Sprüchen in Frakturschrift wie „Deutsche, trinkt bei Juden“ oder die „Judebeutel“ gekommen?
„Als wir das 'Schmock' aufgemacht haben, kamen natürlich ganz viele kreative Leute, weil die das natürlich immer lustig fanden. Das Thema ist ja auch sehr ergiebig. Alles, was ums Judentum geht und dadurch, dass man ja Juden auch nachsagt, dass sie sehr viel Humor haben, haben wir viel rumgealbert. Über die Jahre hat jeder mal eine blöde Idee gehabt."
Florian Gleibs, Gastronom
Menschen aus angeblich verfeindeten Kulturen können sich bei israelischem Wein und guten Essen gegenseitig inspirieren.