Im Einsatz für die Kulturgüter der Welt
Gefährdete Altertümer, Archive und Kunstschätze retten: Die Restauratoren ohne Grenzen sind ein internationales Netzwerk, das sich im Aufbau befindet. Stefan May hat mit Patricia Engel gesprochen, die den Verein gegründet hat.
Vor drei Jahren hatte der Leiter des Diözesanarchivs Sankt Pölten eine Anfrage aus dem Irak erhalten und Patricia Engel um Hilfe gebeten. Bücher waren vor dem Islamischen Staat gerettet worden, und er sollte nun als Archivar helfen. Patricia Engel hatte damals schon die Idee gehabt, eine internationale Vereinigung von Restauratoren zu gründen.
Nun lud das Diözesanarchiv Sankt Pölten Iraker nach Österreich ein, die sich um die Rettung der wertvollen Archivalien in ihrer Heimat sorgten. Und umgekehrt wurde ein Restaurator in den Irak geschickt, erzählt Patricia Engel:
"Und der hat vor Ort auf der einen Seite ein Gerät zum Digitalisieren aufgebaut und gezeigt, wie man das bedient, und auf der anderen Seite hat er selbstständig, das muss natürlich ein erfahrener Kollege sein, konservatorische Erstmaßnahmen eingeleitet. Und Teil dieser Initiative war es auch, Flüchtlingen, die im Land geflohen sind, zumindest vorübergehend eine Beschäftigung, eine sinnvolle Beschäftigung anzubieten, dass nämlich Menschen, die Interesse hatten, dort auch kleine konservatorische Aufgaben übernehmen konnten. Und das hat auch der Kollege angeleitet."
Ein Restaurator aus Griechenland. So entstanden in der praktischen Arbeit die Restauratoren ohne Grenzen. Anfang 2016 gründete Patricia Engel einen Verein unter diesem Namen in Krems an der Donau, wo sie an der dortigen Donau-Universität unterrichtet.
Abenteuerliche Rettung der Handschriften
Zu ihrer Arbeit in den Konfliktgebieten gehört nicht nur fachliche Qualifikation, sondern mitunter auch Risikobereitschaft, Vorsicht und Diskretion – etwa bei der Aktion im Irak:
"Es ist halt auch Teil unserer Politik, dass wir nicht alles sagen, zum Beispiel auch nicht die Namen der involvierten Kolleginnen und Kollegen. Es war ein Kloster, es waren allesamt christliche Handschriften. Und es waren sehr frühe Handschriften, also 5., 6. Jahrhundert. Und es waren die Patres involviert, die eben wussten, was sie nehmen. Sehr viel war es nicht, weil das große Problem war, dass da eine innerstaatliche Grenze war, wo der Lastwagen mit den Handschriften nicht passieren durfte, und daher wurden die dann den Flüchtlingen, die zu Fuß unterwegs waren, einzeln in die Hand gedrückt mit der Bitte, sie über die Grenze zu nehmen. Also, es muss eine sehr dramatische Rettung gewesen sein dort. Und dadurch hat man nur eine relativ kleine Zahl. Aber es ist trotzdem ziemlich viel. Also, das sind mehrere Regale voll, mehrere Räume, die jetzt katalogisiert und auch konserviert werden."
Mittlerweile hat der Verein Restauratoren ohne Grenzen von Unternehmen Material und Sachspenden erhalten, die im Irak zur Rettung der Schriften benötigt werden. Immer neue Hilferufe erreichen die Organisation, nicht nur aus Kriegs- oder Bürgerkriegsgebieten. Bei einem Ersuchen aus Äthiopien geht es um alte christliche Handschriften. Sie sind verstreut aufbewahrt und vernachlässigt.
Anfragen von Äthiopien bis Indonesien
Zwei italienische Restauratoren sind mit der Rettung der alten Schriften beschäftigt, während Patricia Engel derzeit an der Wiederherstellung eines wertvollen Bildes in Indonesien arbeitet, das unter dem tropischen Klima gelitten hat:
"Dort gibt es einen unglaublichen Kampf gegen Mikroorganismen und Insekten, Termiten. Die haben einfach eine ganz andere Geschwindigkeit in ihrer zerstörerischen Tätigkeit, als das bei uns der Fall ist. Es ist eigentlich ein Kämpfen gegen Windmühlen: Man restauriert, und dann restauriert man das Nächste. Und wenn man fertig ist, fängt man wieder an. In dem konkreten Fall ist es eine sehr, sehr große Gouache. Und die wird gereinigt, die Risse geschlossen, die Fehlstellen geschlossen. Das ist eigentlich eine ziemlich klassische Restaurierung."
Der Verein Restauratoren ohne Grenzen will museale Schätze vor der Vernichtung retten, sie frühzeitig vor Beschädigungen bewahren. Im Ausland, aber auch im Inland, erklärt Patricia Engel:
"Als allererste Frage, wenn jemand sich interessiert zeigt, dann sage ich: Sie haben fünf Minuten, ein Buch herauszuholen. Wissen Sie, welches Sie rausholen? Und manche sagen dann: Ah, gute Frage. Das ist ganz was Einfaches. Das kann sich jeder zwischendurch überlegen. Das ist schon einmal ein erster Schritt. Und dann muss man sich gemeinsam anschauen: Wo liegt das Archiv? Zum Beispiel: Liegt es an einem Fluss? Dann überlegen: Wann war die letzte Überschwemmung, wie ist das abgelaufen? Viele Bibliotheken und Archive liegen sehr hoch. Eventuell liegen sie direkt unter dem Dach. Und wenn dort der Wind das Dach abdeckt, dann muss man schauen: Wie ist dort die Konstruktion, kann da das Wasser hereinkommen?"
Die großen Gefahren: Feuer und Wasser
Zwei große Katastrophen für Archivbestände sind auch in Deutschland unvergessen: der Brand in der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek in Weimar 2004 und der Einsturz des Kölner Stadtarchivs fünf Jahre später.
Feuer und Wasser sind der Alptraum für Archivare, so Patricia Engel:
"Beim Wasser ist natürlich die Gefahr, dass sich das Papier völlig auflöst, vor allem, wenn das mit einem gewissen Druck kommt, das Wasser. Und wenn da Dinge herumschwimmen und auch mit einer gewissen Geschwindigkeit herumschwimmen. Man kann sich ja das erst vorstellen, wenn man das einmal gesehen hat. Und wir haben den Schlamm. Aber es ist immer noch nicht so schnell, das ist auch der zweite Faktor: Also, Feuer ist sehr schnell, und Wasser etwas langsamer. Löschwasser, das ist ja sauberer als bei einer Überschwemmung, wo ich eben den Kanalinhalt dabei habe. Also, es ist etwas anderes, aber es ist beides eine Katastrophe."
Noch steckt der Verein Restauratoren ohne Grenzen in den Kinderschuhen, das internationale Netzwerk ist im Aufbau. Ein Grieche, zwei Italiener, ein knappes Dutzend Österreicher, aber die Zahl der Helfer wächst. Nicht alle sind ausgebildete Restauratoren. Diese Mitglieder helfen bei den Vorbereitungen, beim Akquirieren und Verpacken von Hilfsgütern. Patricia Engel und ihr Verein arbeiten ehrenamtlich. Das Geld für Flüge und Material wird, wie sie es nennt, "zusammengebettelt".