Rétif de la Bretonne: "Monsieur Nicolas oder Das enthüllte Menschenherz"
Ausgewählt, aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Reinhard Kaiser
Galiani Verlag, Berlin 2017
720 Seiten, 38 Euro
Selbstentblößung im 18. Jahrhundert
Reinhard Kaiser hat die Autobiografie von Rétif de la Bretonne für den deutschen Markt aufbereitet. Der Verlag sieht in dem französischen Schriftsteller den "Knausgård des 18. Jahrhunderts" - und was die schonungslose Offenheit angeht, könnte das sogar stimmen.
Der "Knausgård des 18. Jahrhunderts" soll Rétif de la Bretonne sein. Soweit die Werbung.
Der Schriftsteller Reinhard Kaiser, der die Autobiografie von Rétif de la Bretonne übersetzt und aufbereitet hat, kann dazu wenig sagen - denn er hat die Knausgårdsche Selbstentblößung nicht verfolgt, wie er in einem Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur berichtet.
Klar ist aber: Auch der Franzose hatte es raus, Tausende von Seiten über sein Leben zu schreiben und dabei außergewöhnlich offen zu sein.
Das Original hat 5000 Seiten
Fünftausend Seiten hat das französische Original, Kaiser hat "Monsieur Nicolas oder Das enthüllte Menschenherz" auf 720 Seiten eingedampft. Rétif de la Bretonne sei ein Schnellschreiber gewesen - allerdings mit qualitativ sehr unterschiedlichen Ergebnissen, sagt Kaiser.
Am Ende seiner Karriere schrieb der Franzose dann über sich selbst, mit einem hehren Ziel, das er in der Vorrede des Buches formuliert:
"Ich gehe daran, Ihnen hier das ganze Leben eines Ihrer Mitmenschen vorzulegen, ohne etwas zu verschleiern, weder von seinen Gedanken, noch von seinen Taten. Der Mensch, dessen Seele ich hier anatomieren werde, konnte allerdings kein anderer sein als ich selbst."
Frauen und Schreiben - mehr war nicht
Unverschleiert schildert Rétif de la Bretonne sein Leben, von der Jugend auf dem Land bis zum Schriftstellerdasein in Paris. In seiner Autobiografie dreht sich laut Kaiser alles nur um zwei Dinge:
"Er teilt sein Leben ein in seine Leidenschaft und seine Liebe zu den Frauen und in seine Liebe zum Schreiben. Und mehr Platz ist da auch nicht."
An einem sozialen Leben sei Rétif de la Bretonne nicht interessiert gewesen - und habe dafür auch gar keine Zeit gehabt, so Kaiser - so sehr war er mit den Frauen und dem Schreiben beschäftigt.
Auf "unpornografische Weise" formuliert
Was nun seine Liebesbeziehungen angeht, lässt Rétif de la Bretonne "nichts aus" - er formuliere aber auf "unpornografische Art und Weise". Für Kaiser sind die literarischen Lebenserinnerungen des Adligen eine "wirkliche Fundgrube". (ahe)