Retrospektive für den Malerfürst
Es ist Markus Lüpertz' bislang größte Retrospektive: Die Bundeskunsthalle in Bonn hat 150 Bilder und Skulpturen des Düsseldorfer Künstlers versammelt. Eine Überblicksschau, die neben Museumsleihgaben aus aller Welt auch nie gezeigte Stücke aus Privatsammlungen zeigt.
Heute ist Sonntag. Jedenfalls für Markus Lüpertz, der im ersten Saal seiner Ausstellung in der Bundeskunsthalle steht und den Blick über großformatige, aber durchaus locker gehängte, in satten Farben glühende Leinwände schweifen lassen kann.
"Ich sehe ja die Bilder, die ich gemalt habe, nicht immer, und solche Ausstellungen sind Anlass, dass man seine 'Kinder', die Bilder, wiedersieht. Und diese Art Familienzusammenkünfte fanden ja meistens sonntags statt, bei Kaffee und Kuchen, und für mich sehe ich dann die Bilder, die ich lange nicht sehe, in einem andern Kontext, schön präsentiert, das ist für mich Sonntag."
Der Betrachter begegnet zunächst dem neuesten Werk, erst in diesem Jahr entstanden. Wie eine Art asymmetrisches Triptychon reihen sich die Bilder aneinander, insgesamt ist die Szenenfolge mehr als acht Meter lang. "Heiliger Samariter" heißt das Mittelstück, und vielleicht steht das biblische Gleichnis im Hintergrund des Ganzen. Markus Lüpertz will seine Bilder nicht deuten oder über Inhalte reden, die Interpretationen überlässt er dem Betrachter. Ihm sind seine Arbeiten in erster Linie Malerei, Farbkompositionen. Auch da, wo sie Figuren, oder eigentlich eher Statuen, Abbilder von Menschen zeigen oder wiedererkennbare Gegenstände, wirken sie dennoch abstrakt.
"Farbe ist das Metier des Malers, und solang man malt, hat die Farbe eine tragende Rolle, alles lebt davon, selbst meine Skulpturen werden mit Farben gefasst, für mich ist das einfach Lebenselixier, Atem."
Dieser vitale Elan im Umgang mit der Farbe bestimmt die ganze Schau, die nicht die chronologische Entwicklung, sondern die thematischen Leitlinien herausarbeiten will. So begegnen dem Betrachter immer wieder die Motive, die der Maler über die Jahrzehnte in vielen Bilderfolgen, Serien, malerischen Momentaufnahmen gestaltet hat: der Helm, die Ähre, der Totenschädel. Die Skulpturen, die Lüpertz seit den 80er-Jahren als quasi ins Dreidimensionale erweiterte Malerei geschaffen hat, haben die Ausstellungsmacher dabei in einen direkten Dialog mit den Bildern gebracht. Man verfolgt "Hauptwege und Nebenwege" - so der Titel der Schau. Projektleiterin Susanne Kleine:
"Dieses assoziative Umgehen mit seinem Werk entspricht wiederum seinem Werk, weil er selbst mit Assoziationen arbeitet, mit Rückbezügen. Und das Spannende ist, dass es nicht nur einen Weg gibt, den er beschreitet, ein Thema, das er gefunden und variiert hat, sondern er hat immer wieder ein Thema, das er intensiv bearbeitet, und dieser eine Hauptweg ist lange Zeit sein Weg, dann kommt ein neues Interesse, ein neuer Weg. Das heißt, die Pluralität seines Werkes versuchten wir in diesem Titel zu spiegeln."
Für den Betrachter ist dieser Ansatz nicht leicht nachzuvollziehen. Er fühlt sich streckenweise, als würde er in einem Labyrinth umherirren. Vielleicht beschäftigt man sich deshalb besonders gern mit den klaren, kraftvollen, in der Formensprache und Farbigkeit stark reduzierten Arbeiten aus den Anfangsjahren des Künstlers. Es sind die Bilder, die er "dithyrambisch" nannte, weil sie einen stark vereinfachten und überhöhten Gegenstand emphatisch beschwören. Am berühmtesten sind wohl die Helme geworden.
In den 60er-Jahren waren diese Darstellungen natürlich noch stark politisch aufgeladen als Auseinandersetzung mit Krieg und Faschismus. Damit wurde Lüpertz bekannt, das polarisierte das Publikum. Dieser politische Ansatz tritt aber in den Hintergrund in der Bonner Ausstellung. Die Kuratoren Robert Fleck und Susanne Kleine interessieren sich weitaus mehr für die Auseinandersetzung mit der Malerei selbst, die Lüpertz in seinen Bildern führt. Sie sind der Meinung, ...
"... dass Lüpertz mit 'schwarz rot gold' oder einem Bild über die Helme keine politische Aussage wirklich treffen wollte. Ihm geht es um die Form, um die Suche nach einer Vollendung der Form, und diese Suche nach dem bestmöglichen Bild führte bei ihm dazu, dass er über die Jahrzehnte hinweg immer wieder geschaut hat, wie haben die anderen Maler gearbeitet, und was ist für mich als heutiger Maler heute noch aktuell."
Diesen Dialog mit Künstlern wie Poussin, Marees, Goya, natürlich Picasso und auch mit Paul Klee, bei dem der Titel der Ausstellung entlehnt ist, hat Lüpertz mit bohrender Neugierde, großem Scharfsinn, mit Lust am Experiment und nicht theoretisch verkopft, sondern immer anschaulich, mit Form und Farbe geführt. Ein Maler im Dialog mit Malern und in der Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten seiner Kunst. Das ist ein faszinierendes Thema, virtuos entfaltet, und man kann ihm in Bonn in vielen Variationen begegnen. So weist die Schau Markus Lüpertz seinen Platz zu als Wegbereiter der Postmoderne, der mit hoch entwickeltem Problembewusstsein darangeht, neue Fragen für alte Antworten zu formulieren.
Kein einfaches Konzept für eine Ausstellung. Und je mehr man über die Kunstgeschichte weiß, umso mehr wird man sehen in Bonn. Leider gibt die Präsentation dazu nicht viele Anhaltspunkte. Diese Schau hätte "Sehhilfen" verdient, mit Texten, vor allem aber mit Vergleichsabbildungen.
"Ich sehe ja die Bilder, die ich gemalt habe, nicht immer, und solche Ausstellungen sind Anlass, dass man seine 'Kinder', die Bilder, wiedersieht. Und diese Art Familienzusammenkünfte fanden ja meistens sonntags statt, bei Kaffee und Kuchen, und für mich sehe ich dann die Bilder, die ich lange nicht sehe, in einem andern Kontext, schön präsentiert, das ist für mich Sonntag."
Der Betrachter begegnet zunächst dem neuesten Werk, erst in diesem Jahr entstanden. Wie eine Art asymmetrisches Triptychon reihen sich die Bilder aneinander, insgesamt ist die Szenenfolge mehr als acht Meter lang. "Heiliger Samariter" heißt das Mittelstück, und vielleicht steht das biblische Gleichnis im Hintergrund des Ganzen. Markus Lüpertz will seine Bilder nicht deuten oder über Inhalte reden, die Interpretationen überlässt er dem Betrachter. Ihm sind seine Arbeiten in erster Linie Malerei, Farbkompositionen. Auch da, wo sie Figuren, oder eigentlich eher Statuen, Abbilder von Menschen zeigen oder wiedererkennbare Gegenstände, wirken sie dennoch abstrakt.
"Farbe ist das Metier des Malers, und solang man malt, hat die Farbe eine tragende Rolle, alles lebt davon, selbst meine Skulpturen werden mit Farben gefasst, für mich ist das einfach Lebenselixier, Atem."
Dieser vitale Elan im Umgang mit der Farbe bestimmt die ganze Schau, die nicht die chronologische Entwicklung, sondern die thematischen Leitlinien herausarbeiten will. So begegnen dem Betrachter immer wieder die Motive, die der Maler über die Jahrzehnte in vielen Bilderfolgen, Serien, malerischen Momentaufnahmen gestaltet hat: der Helm, die Ähre, der Totenschädel. Die Skulpturen, die Lüpertz seit den 80er-Jahren als quasi ins Dreidimensionale erweiterte Malerei geschaffen hat, haben die Ausstellungsmacher dabei in einen direkten Dialog mit den Bildern gebracht. Man verfolgt "Hauptwege und Nebenwege" - so der Titel der Schau. Projektleiterin Susanne Kleine:
"Dieses assoziative Umgehen mit seinem Werk entspricht wiederum seinem Werk, weil er selbst mit Assoziationen arbeitet, mit Rückbezügen. Und das Spannende ist, dass es nicht nur einen Weg gibt, den er beschreitet, ein Thema, das er gefunden und variiert hat, sondern er hat immer wieder ein Thema, das er intensiv bearbeitet, und dieser eine Hauptweg ist lange Zeit sein Weg, dann kommt ein neues Interesse, ein neuer Weg. Das heißt, die Pluralität seines Werkes versuchten wir in diesem Titel zu spiegeln."
Für den Betrachter ist dieser Ansatz nicht leicht nachzuvollziehen. Er fühlt sich streckenweise, als würde er in einem Labyrinth umherirren. Vielleicht beschäftigt man sich deshalb besonders gern mit den klaren, kraftvollen, in der Formensprache und Farbigkeit stark reduzierten Arbeiten aus den Anfangsjahren des Künstlers. Es sind die Bilder, die er "dithyrambisch" nannte, weil sie einen stark vereinfachten und überhöhten Gegenstand emphatisch beschwören. Am berühmtesten sind wohl die Helme geworden.
In den 60er-Jahren waren diese Darstellungen natürlich noch stark politisch aufgeladen als Auseinandersetzung mit Krieg und Faschismus. Damit wurde Lüpertz bekannt, das polarisierte das Publikum. Dieser politische Ansatz tritt aber in den Hintergrund in der Bonner Ausstellung. Die Kuratoren Robert Fleck und Susanne Kleine interessieren sich weitaus mehr für die Auseinandersetzung mit der Malerei selbst, die Lüpertz in seinen Bildern führt. Sie sind der Meinung, ...
"... dass Lüpertz mit 'schwarz rot gold' oder einem Bild über die Helme keine politische Aussage wirklich treffen wollte. Ihm geht es um die Form, um die Suche nach einer Vollendung der Form, und diese Suche nach dem bestmöglichen Bild führte bei ihm dazu, dass er über die Jahrzehnte hinweg immer wieder geschaut hat, wie haben die anderen Maler gearbeitet, und was ist für mich als heutiger Maler heute noch aktuell."
Diesen Dialog mit Künstlern wie Poussin, Marees, Goya, natürlich Picasso und auch mit Paul Klee, bei dem der Titel der Ausstellung entlehnt ist, hat Lüpertz mit bohrender Neugierde, großem Scharfsinn, mit Lust am Experiment und nicht theoretisch verkopft, sondern immer anschaulich, mit Form und Farbe geführt. Ein Maler im Dialog mit Malern und in der Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten seiner Kunst. Das ist ein faszinierendes Thema, virtuos entfaltet, und man kann ihm in Bonn in vielen Variationen begegnen. So weist die Schau Markus Lüpertz seinen Platz zu als Wegbereiter der Postmoderne, der mit hoch entwickeltem Problembewusstsein darangeht, neue Fragen für alte Antworten zu formulieren.
Kein einfaches Konzept für eine Ausstellung. Und je mehr man über die Kunstgeschichte weiß, umso mehr wird man sehen in Bonn. Leider gibt die Präsentation dazu nicht viele Anhaltspunkte. Diese Schau hätte "Sehhilfen" verdient, mit Texten, vor allem aber mit Vergleichsabbildungen.