Retrospektive

Immer wieder Baselitz

Das Haus der Kunst in München
"Oft verharrend im Selbstzitat". Das Münchner "Haus der Kunst" zeigt alte und neue Werke von Georg Baselitz © dpa / pa / Gebert
Von Astrid Mayerle |
Baselitz, der deutscheste aller deutschen Maler, geht einfach immer. Jetzt zeigt das Münchner "Haus der Kunst" die Ausstellung "Georg Baselitz - Damals, dazwischen und heute". Die Schau ist erheiternd und erhellend - und manchmal auch ein bisschen ermüdend.
Jeden Raum der Ausstellung im Haus der Kunst in München markiert mindestens eine weit überlebensgroße, schwarz patinierte Bronzeskulptur: Dadurch erhalten die Arbeiten aus allen Werkphasen immer einen Bezug zur gegenwärtigen Produktion. Riesige Füße erden die einzelnen Figuren oder Figurengruppen mit ihren kantigen Rümpfen und Gliedmaßen. Sie sind, indem Baselitz seit neuestem auf Farbe verzichtet, nicht nur Ergebnis einer radikalen Reduktion, sie erinnern auch daran, dass er ein Sammler ethnographischer Objekte und afrikanischer Skulpturen ist. Okwui Enwezor, Leiter des Hauses der Kunst:
"Für mich ist Baselitz ein wirklicher Kenner strenger Formen und der gewaltigen Präsenz von Objekten. Von hier aus kann man Verbindungen zu bestimmten Arten afrikanischer Skulptur ziehen, die diese klassische Kompaktheit entwickelt hat. Auch die raue Behandlung der Oberfläche legt nahe, dass er seit langer Zeit ein Sammler dieser Dinge ist. Aber was er damit macht, ist etwas völlig anderes, denn die meisten afrikanischen Skulpturen haben nicht diese Monumentalität wie bei Baselitz."
Neue Skulpturen - wohlbekannte Themen
Inhaltlich spinnen die Skulpturen die bekannten Themen weiter - die deutsche Geschichte, Baselitz' eigene Geschichte und beider Verflechtung: "BDM", also Bund Deutscher Mädel, heißt eine dreiteilige Figurengruppe, die auf die Familiengeschichte des Künstlers anspielt: seine Schwester war Mitglied dieses Teils der Hitlerjugend. Ulrich Wilmes, Kurator der Ausstellung:
"Er ist im Dritten Reich geboren, er ist in der DDR aufgewachsen und dann Ende der 50er Jahre nach Westdeutschland gekommen. Es waren drei völlig unterschiedliche politische Systeme, in denen er aufgewachsen ist. Das hat seinen ganzen Lebensweg geprägt."
Und all das prägt auch diese Ausstellung, die eigentlich eine Retrospektive ist und auf eine Art untypisch für Okwui Enwezor, der sonst wirkliche Entdeckungen präsentiert. Oder wenn er einem bekannten Künstler wie etwa Matthew Barney Raum bietet, dann unter einem pointierten Aspekt mit ausschließlich neuen Werken.
Zeichen eines Richtungswechsel im Haus der Kunst?
Warum jetzt Baselitz, das Urgestein der deutschen Malerei, im Haus der Kunst? Im Vorfeld der Schau spekulierten verschiedene Medien, ob sich damit vielleicht ein Richtungswechsel ankündigen könnte. Versucht Okwui Enwezor jetzt mit dem populären Altmeister dem Haus einen großen Auftritt zu verschaffen, nachdem ein wichtiger Sponsor abgesprungen ist - die Schörghuber-Unternehmensgruppe, die das Haus jährlich mit einer halben Million förderte? Eines ist sicher: in München hat Baselitz eine große Fangemeinde.
"Das ist wirklich lächerlich, man zieht nicht einfach eine Ausstellung dieser Größenordnung aus der Tasche, weil man einen Sponsor verliert."
"Auf heitere Art" erhellende Rückblicke
Oft verharrt Baselitz im Selbstzitat. Das ist nach unzähligen flatternd fallend, stürzend sich sträubenden, zersaust das Bild zerfetzenden Adlern etwas ermüdend. Dennoch: einige Rückblicke in die eigene Vergangenheit sind auf heitere Art erhellend und parodieren auch die politische Seite der Nachkriegs-Kunstgeschichte, etwa, wenn ein Titel lautet "Der vergessene 2. Kongress der 3. Kommunistischen Internationalen in Moskau 1920. Rechts im Bild Penck, daneben Jörg":
"1977 zur "documenta" waren er, Penck und Gerhard Richter unter viel anderen eingeladen und dann hat Manfred Schneckenburger, der ist in die DDR gereist und hat Sitte,Tübke, Mattheuer und Heisig eingeladen zur Documenta. Die sind dann gekommen und haben gesagt, aber Penck muss raus, denn Penck hat zu der Zeit noch in der DDR gelebt und da gab's eine starke Opposition gegen ihn aufgrund seiner Westkontakte mit Immendorf. Und dann hat die Documentaleitung entschieden, Penck abzuhängen, um diese vier DDR-Künstler zu zeigen und daraufhin sind dann Baselitz und Richter hingegangen und haben die Documenta boykottiert."
Ob das Haus der Kunst für Baselitz der richtige Ort in München ist, bleibt fraglich. Nachdem ihm die Pinakothek der Moderne in den vergangenen zehn Jahren allein drei Einzel-Ausstellungen gewidmet hat, sollten sich die Häuser in München doch klarer voneinander abgrenzen und an ihrem jeweils eigenen Profil feilen.
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