Rettung in letzter Minute
Die Suche nach einem neuen Standort für die Galerie C/O Berlin ist beendet: Die international renommierte Fotogalerie zieht vom Postfuhramt an der Oranienburger Straße in das Amerika-Haus in Charlottenburg.
Diesmal scheint der Umzug also zu klappen: Die international renommierte und größtenteils privat finanzierte Fotogalerie C/O Berlin hat ein neues und vor allem dauerhaftes Zuhause gefunden: das Amerika-Haus direkt neben dem Bahnhof Zoo in der West-Berliner City.
Das Amerika-Haus wurde 1957 zur Internationalen Bauausstellung als amerikanisches Kulturzentrum errichtet, wurde 2006 an die Stadt Berlin übergeben und sollte zuletzt meistbietend verkauft werden. Doch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit intervenierte, Berlin bleibt Eigentümer und vermietet jetzt gut 2000 Quadratmeter an die C/O Berlin, sagt Vorstand Stephan Erfurt:
"Wir haben am 12.12. einen Vertrag unterschrieben für das Amerika-Haus - für 16 Jahre. 16 Jahre beginnend ab dem 1.9.13. Und es war 5 vor 12."
Denn die private Fotogalerie, die keine dauerhafte Förderung erhält und vor allem von Ticketpreisen und Katalogverkäufen lebt, hat turbulente Zeiten hinter sich: Der langjährige Standort, das gründerzeitliche Postfuhramt im galerien- und touristengeschwängerten Bezirk Mitte nahe dem Hackeschen Markt, wurde von einem Investor gekauft, der den Mietvertrag kündigte und angeblich jedes Gespräch verweigert. Rettung schien vom Bezirksamt Mitte zu kommen.
Einstimmig beschlossen die Lokalpolitiker, Ateliergebäude schräg gegenüber im schmucken Monbijou-Park an die C/O-Galerie zu vermieten. Schon damals kurz vor der Landtagswahl gab es eine euphorische Pressekonferenz, doch der Bezirk hatte übersehen, dass der Bebauungsplan des Parks keine Umbauten zulässt, Änderungen des Bebauungsplans lehnt der Bezirk ab, die C/O-Galerie stand wieder bei Null und nicht nur der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz war fassungslos:
"Das muss ich an der Stelle einfach noch mal sagen, weil so was habe ich echt noch nicht erlebt, obwohl ich seit elf Jahren in der Politik bin. Ein Bezirk, der sich so verhält, das hat mich wirklich zum allergrößten Erstaunen gebracht."
"Ich habe immer gesagt, wir sind ein Kind von Mitte. Ein Kind von Mitte."
... fügt C/O-Berlin-Macher Stephan Erfurt hinzu:
"Aber irgendwann werden die Kinder erwachsen und irgendwann verstehen die ihre Eltern vielleicht auch nicht mehr. Wir haben den Bezirk Mitte zum Schluss überhaupt nicht mehr verstanden."
Der Umzug birgt Risiken: 170.000 Besucher im Jahr - das gelang C/O-Berlin mit Starfotografen wie Annie Leibovitz, aber auch wegen des Touristen- und Kultur-Zentrums Berlin Mitte. Ob die Massen auch ans andere Ende der Stadt zum Bahnhof Zoo in die lange als verwittert und kunstarm geltende City West streben werden, ist offen.
Die Verkehrsanbindung sei durch den Bahnhof Zoo jetzt sogar besser, entgegnet C/O-Macher Stephan Erfurt. Auch werde die Ausstellungsfläche gleich bleiben. Die Galeristen verstehen sich als Pioniere: In Mitte heizten sie den Galerieboom an, jetzt ist eben die verschnarchte City West dran:
"Wir finden das Amerika-Haus einen wunderbaren Standort. Es ist bescheiden, wir können viel machen hier. Vor allen Dingen sind zwei andere Foto-Institutionen um uns herum. Die Newton-Foundation und das Museum für Fotografie. Und wir glauben, dass wir zusammen hier vielleicht ein einzigartiges Zentrum für Bilder-Schauen in Berlin entwickeln können."
Lokalpolitiker in der City West wollen mit zahlreichen Neubauten das Image des Kiezes um den Bahnhof Zoo aufmöbeln und hätten nach sechs Minuten auf E-Mails geantwortet, sagt C/O-Galerist Erfurt. Das hätte er in Mitte nie erlebt. Burkhard Kieker von VisitBerlin vermarktet die Hauptstadt:
"Mit eurem Umzug hierhin entsteht das, was wir uns immer wünschen, nämlich eine kritische Masse an Ausstellungsorten. Das ist auch wichtig für uns für die Zukunft. Wir wissen, dass wir auf 15 Millionen Besucher pro Jahr zugehen. Wir müssen diese Hotspots in der Stadt entzerren. Das gelingt hiermit auch. Es ist eine deutliche Aufwertung der City West. Hier gibt es auch noch einiges zu tun."
In der Tat, bis zum offiziellen Einzug am 1. September 2013 muss noch einiges passieren: Das Land Berlin will das helle, schmucke und denkmalgeschützte, aber etwas modrige Amerika-Haus sanieren: Abgehängte Decken weg, die alten Fußböden freilegen, neue Elektrik und Heizung - all das wird das Land Berlin nach Angaben eines direkt Verantwortlichen rund 2,5 Millionen Euro kosten.
Selbst wenn das alles rechtzeitig fertig wird - wie sie das Dreivierteljahr bis dahin überbrücken soll, ist den Machern der C/O-Galerie nicht klar. Der jetzige Vermieter will die Galerie noch vor Weihnachten aus dem Postfuhramt haben. Die Galerie hat dagegen Rechtsmittel eingelegt, glaubt mit Blick in den Mietvertrag erst zum Ende März 2013 raus zu müssen.
Und was passiert zwischen März und dem Umzug im September? Galerie-Macher Erfurt plant eine große Retrospektive des legendären Magnum-Fotografen René Burri. Der Mann ist 80 Jahre und Galerist Erfurt betont:
"Dass es vielleicht seine letzte große Retrospektive wird, mindestens in Berlin, und dass wir alles dran setzen wollen, diese Ausstellung im April, Mai, Juni bei uns zu machen. Wir können es aber nicht versprechen, weil wir dann offiziell illegal sind. Wir wissen nicht, was wir da machen sollen. Sollen wir noch drei Monate drin bleiben? Oder wir schlüpfen irgendwo unter?"
Auch wenn die nächsten neun Monate noch unruhig werden könnten - mit dem schmucken Amerika-Haus in West-Berlin hat eine der wichtigsten Berliner Kunsteinrichtungen ein neues Zuhause gefunden.
Das Amerika-Haus wurde 1957 zur Internationalen Bauausstellung als amerikanisches Kulturzentrum errichtet, wurde 2006 an die Stadt Berlin übergeben und sollte zuletzt meistbietend verkauft werden. Doch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit intervenierte, Berlin bleibt Eigentümer und vermietet jetzt gut 2000 Quadratmeter an die C/O Berlin, sagt Vorstand Stephan Erfurt:
"Wir haben am 12.12. einen Vertrag unterschrieben für das Amerika-Haus - für 16 Jahre. 16 Jahre beginnend ab dem 1.9.13. Und es war 5 vor 12."
Denn die private Fotogalerie, die keine dauerhafte Förderung erhält und vor allem von Ticketpreisen und Katalogverkäufen lebt, hat turbulente Zeiten hinter sich: Der langjährige Standort, das gründerzeitliche Postfuhramt im galerien- und touristengeschwängerten Bezirk Mitte nahe dem Hackeschen Markt, wurde von einem Investor gekauft, der den Mietvertrag kündigte und angeblich jedes Gespräch verweigert. Rettung schien vom Bezirksamt Mitte zu kommen.
Einstimmig beschlossen die Lokalpolitiker, Ateliergebäude schräg gegenüber im schmucken Monbijou-Park an die C/O-Galerie zu vermieten. Schon damals kurz vor der Landtagswahl gab es eine euphorische Pressekonferenz, doch der Bezirk hatte übersehen, dass der Bebauungsplan des Parks keine Umbauten zulässt, Änderungen des Bebauungsplans lehnt der Bezirk ab, die C/O-Galerie stand wieder bei Null und nicht nur der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz war fassungslos:
"Das muss ich an der Stelle einfach noch mal sagen, weil so was habe ich echt noch nicht erlebt, obwohl ich seit elf Jahren in der Politik bin. Ein Bezirk, der sich so verhält, das hat mich wirklich zum allergrößten Erstaunen gebracht."
"Ich habe immer gesagt, wir sind ein Kind von Mitte. Ein Kind von Mitte."
... fügt C/O-Berlin-Macher Stephan Erfurt hinzu:
"Aber irgendwann werden die Kinder erwachsen und irgendwann verstehen die ihre Eltern vielleicht auch nicht mehr. Wir haben den Bezirk Mitte zum Schluss überhaupt nicht mehr verstanden."
Der Umzug birgt Risiken: 170.000 Besucher im Jahr - das gelang C/O-Berlin mit Starfotografen wie Annie Leibovitz, aber auch wegen des Touristen- und Kultur-Zentrums Berlin Mitte. Ob die Massen auch ans andere Ende der Stadt zum Bahnhof Zoo in die lange als verwittert und kunstarm geltende City West streben werden, ist offen.
Die Verkehrsanbindung sei durch den Bahnhof Zoo jetzt sogar besser, entgegnet C/O-Macher Stephan Erfurt. Auch werde die Ausstellungsfläche gleich bleiben. Die Galeristen verstehen sich als Pioniere: In Mitte heizten sie den Galerieboom an, jetzt ist eben die verschnarchte City West dran:
"Wir finden das Amerika-Haus einen wunderbaren Standort. Es ist bescheiden, wir können viel machen hier. Vor allen Dingen sind zwei andere Foto-Institutionen um uns herum. Die Newton-Foundation und das Museum für Fotografie. Und wir glauben, dass wir zusammen hier vielleicht ein einzigartiges Zentrum für Bilder-Schauen in Berlin entwickeln können."
Lokalpolitiker in der City West wollen mit zahlreichen Neubauten das Image des Kiezes um den Bahnhof Zoo aufmöbeln und hätten nach sechs Minuten auf E-Mails geantwortet, sagt C/O-Galerist Erfurt. Das hätte er in Mitte nie erlebt. Burkhard Kieker von VisitBerlin vermarktet die Hauptstadt:
"Mit eurem Umzug hierhin entsteht das, was wir uns immer wünschen, nämlich eine kritische Masse an Ausstellungsorten. Das ist auch wichtig für uns für die Zukunft. Wir wissen, dass wir auf 15 Millionen Besucher pro Jahr zugehen. Wir müssen diese Hotspots in der Stadt entzerren. Das gelingt hiermit auch. Es ist eine deutliche Aufwertung der City West. Hier gibt es auch noch einiges zu tun."
In der Tat, bis zum offiziellen Einzug am 1. September 2013 muss noch einiges passieren: Das Land Berlin will das helle, schmucke und denkmalgeschützte, aber etwas modrige Amerika-Haus sanieren: Abgehängte Decken weg, die alten Fußböden freilegen, neue Elektrik und Heizung - all das wird das Land Berlin nach Angaben eines direkt Verantwortlichen rund 2,5 Millionen Euro kosten.
Selbst wenn das alles rechtzeitig fertig wird - wie sie das Dreivierteljahr bis dahin überbrücken soll, ist den Machern der C/O-Galerie nicht klar. Der jetzige Vermieter will die Galerie noch vor Weihnachten aus dem Postfuhramt haben. Die Galerie hat dagegen Rechtsmittel eingelegt, glaubt mit Blick in den Mietvertrag erst zum Ende März 2013 raus zu müssen.
Und was passiert zwischen März und dem Umzug im September? Galerie-Macher Erfurt plant eine große Retrospektive des legendären Magnum-Fotografen René Burri. Der Mann ist 80 Jahre und Galerist Erfurt betont:
"Dass es vielleicht seine letzte große Retrospektive wird, mindestens in Berlin, und dass wir alles dran setzen wollen, diese Ausstellung im April, Mai, Juni bei uns zu machen. Wir können es aber nicht versprechen, weil wir dann offiziell illegal sind. Wir wissen nicht, was wir da machen sollen. Sollen wir noch drei Monate drin bleiben? Oder wir schlüpfen irgendwo unter?"
Auch wenn die nächsten neun Monate noch unruhig werden könnten - mit dem schmucken Amerika-Haus in West-Berlin hat eine der wichtigsten Berliner Kunsteinrichtungen ein neues Zuhause gefunden.