"Return to Sender" in Basel

Ein Waffenorchester aus Mexiko

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Zu sehen ist die Installation Diarm Music Box von Pedro Reyes. Ein Xylophon, dessen Klöppel auf abgesägte Gewehrläufe schlagen.
Die Disarm Music Box von Pedro Reyes besteht aus Messing und Waffenteilen. © Installationsansicht Museum Tinguely / Daniel Spehr © ​​für das Werk: Pedro Reyes
Von Rudolf Schmitz |
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Der mexikanische Künstler Pedro Reyes erschafft aus Waffen, die im Drogenkrieg konfisziert wurden, ein Perpetuum mobile, das in Basel zu erleben ist. Reyes verwandelt Instrumente des Todes in Werkzeuge der Kommunikation – und klagt die Rüstungsindustrie an.
Ein Xylophon, dessen Klöppel auf abgesägte Gewehrläufe schlagen. Ein spinnenartig ausgreifendes Gewächs, dessen Knotenpunkte Magazinpistolen sind und das eruptive Töne von sich gibt. Ein harfenähnliches Konstrukt mit Bögen aus Magazinteilen und Pistolenfüßen, die sich in den Boden krallen.
Und alle diese Skulpturen aus Mordinstrumenten räsonnieren leise oder auftrumpfend vor sich hin, fügen sich ein in ein Waffenorchester, eine zehnstündige Komposition, die wenig Momente von Ruhe lässt und wie ein Perpetuum mobile vor sich hin werkelt.
Das hat eine klare Beziehung zur Installation von Jean Tinguely im Nebenraum, dem "Mengele Totentanz", die, in Gang gesetzt, ebenfalls eine makabre Geräuschkulisse entfaltet.
"Und dann gibt es über das Moment des Totentanzes einfach mal eine starke Verbindung, die für beide Werke wichtig ist", sagt Museumsdirektor Roland Wetzel:
"Der Totentanz ist ja aus den Pestepedemien heraus entstanden, wo man gemerkt hat oder sich bewusst wurde: Wenn es ums Sterben geht, dann sind alle gleich."

Schaufeln anstelle von Pistolen

Und gestorben wird in Mexiko aufgrund der Drogenrevierkämpfe ziemlich häufig. Doch zu Beginn dieser Werkgruppe mit umgeschmolzenen, zerhackten und transformierten Schusswaffen stand zunächst eine andere Idee: "Palas por Pistolas", Schaufeln anstelle von Pistolen.
Diese Arbeit, die Pedro Reyes mit internationaler Aufmerksamkeit 2008 anging, "hat er so realisiert, dass er einen Aufruf gemacht hat, ein Inserat in Mexiko-City, um Waffen zu erhalten, für die er den Leuten, die die abgegeben haben, Lebensmittelgutscheine gab. Er hat dann 1.500 Waffen zusammenbekommen, hat diese eingeschmolzen und daraus Schaufeln hergestellt, mit denen man Bäume pflanzen kann."
An der Wand des Ausstellungsraums hängt denn auch eine dieser Schaufeln. Und, nicht verwunderlich: Man denkt sofort an Joseph Beuys. Ist der 1972 geborene Pedro Reyes also ein mexikanischer Wiedergänger "Sozialer Plastik"?
"Er ist ein Künstler, der in Mexiko sehr bekannt ist, und das rührt nicht zuletzt daher, dass er tatsächlich auch immer mit den Leuten zusammenarbeitet. Das Wort 'Soziale Plastik', für sein Werk insgesamt verwendet, ist nicht falsch. Es ist ihm ein großes Anliegen, nicht nur Waffen als Musikspieldosen zu zeigen, sondern auch einen gesellschaftlichen Impuls zu geben, Transformationsprozesse anzuregen."

Das Verursacherprinzip anwenden

Dem Künstler selbst, der per Videoschalte Auskunft über sein Werk gibt, ist es wichtig, das Thema "Waffengewalt" als globales Problem darzustellen. Mit seiner Ausstellung "Return to Sender" möchte er die Waffenindustrie unter Anklage stellen, ihr die Verantwortung fürs Morden zurückgeben:
"We cannot solve the problem alone. I believe there has to be a cultural change, where the industries, that manufacture weapons, are held responsible for the pain and suffering they cause all around the world."
Das höre sich vielleicht radikal oder auch naiv an, aber radikale Probleme bräuchten nun einmal radikale Lösungen.
Porträt von Pedro Reyes im Profil vor einer roten Wand.
Waffengewalt als globales Problem: der Künstler Pedro Reyes.© Pedro Reyes
Eine radikal pazifistische Botschaft, die Pedro Reyes da unter die Leute bringt. Und der kulturelle Wandel sei bitter nötig, 64 Prozent aller weltweit produzierten Schusswaffen würden zum Beispiel von Privatpersonen in den USA gekauft, erklärt der Künstler noch.
Das Verursacher-Prinzip auf die Waffenindustrie anzuwenden, ist ein entwaffnender Gedanke, wie ihn vielleicht nur ein Künstler denken kann. Die Installation "Return to Sender" jedenfalls macht eines ganz deutlich – die spinnenartig fortkriechende Logik von Gewalt und Blutvergießen.
Pedro Reyes‘ Werkgruppe liefert den absurden atonalen Soundtrack zur globalen Misere.

Museum Tinguely Basel: Pedro Reyes. Return to Sender. Die Ausstellung ist vom 24. Juni bis 15. November 2020 zu sehen.

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