Revolutionär mit Feder und Skalpell
Der Dramatiker, Mediziner und Revolutionär Georg Büchner wurde von seinen Zeitgenossen gehasst. Germanisten gilt er als Liebling. Der nach dem Multitalent benannte Büchnerpreis ist der bedeutendste Literaturpreis Deutschlands.
"Offen gesagt, dieser Büchner war uns nicht sympathisch. Er trug einen hohen Zylinderhut, der ihm immer tief unten im Nacken saß, machte beständig ein Gesicht wie eine Katze, wenn’s donnert, hielt sich gänzlich abseits … Seine Zurückgezogenheit wurde für Hochmut ausgelegt … Sein schroffes, in sich abgeschlossenes Wesen stieß uns immer wieder ab."
Von heute aus betrachtet ist Georg Büchners Gießener Kommilitone Carl Vogt hoffnungslos in der Minderheit. Zylinderhut hin oder her – Büchner ist der große Geliebte der Germanisten, Lehrer, Schüler, Theaterleute; Namenspatron des wichtigsten Literaturpreises der Bundesrepublik. Und er hat es verstanden, trotz seines kurzen Lebens noch jedem ein Interpretationszipfelchen zu lassen: als Revolutionär, Nihilist, Fatalist, Existenzialist, Materialist, Melancholiker und neuerdings als Christenmensch mit Wiedergutmachungsdrang für Jugendsünden. Doch auch der Verfasser der jüngsten Büchnerbiografie, Hermann Kurzke bekennt: "Mit Büchner wird man nicht fertig. Er hält es aus, dass man sich Jahre und Jahrzehnte mit ihm beschäftigt."
Sagen wir doch gleich: Jahrhunderte. Am 17. Oktober 1813 – in Leipzig war die Völkerschlacht noch nicht entschieden – kam Georg Büchner als ältester Sohn eines wohl wenig revolutionsinfizierten Arztes in Goddelau bei Darmstadt zur Welt und war gerade einmal 23 Jahre alt, als er am 19. Februar 1837 im Exil in Zürich starb, am Beginn einer vielversprechenden wissenschaftlichen Karriere. Zwei Jahre zuvor hatte er das Drama über die Französische Revolution geliefert, "Dantons Tod".
"Wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab ... Das Laster muss bestraft werden, die Tugend muss durch den Schrecken herrschen."
Fürderhin werden die Theater in ihrer ausschweifenden Gerechtigkeit den "Blutmessias", den fantasielosen Tugendterroristen Robespierre hassen und den Müßiggänger Danton lieben, den der Dramatiker selbst doch auch zu den "Banditen der Revolution" zählte. Empört schrieb Büchner, nachdem das Stück zunächst stark entschärft erschienen war: "Manchmal ist der Sinn ganz entstellt oder ganz und gar weg, und fast platter Unsinn steht an der Stelle."
"Wir sind das Volk"
Nicht nur das Theater, auch noch jede Demo verdankt dem "Danton" die schönsten Sprüche: "Wir sind das Volk", "Die Revolution frisst ihre Kinder" oder "Die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen". Seinen dramatischen "Erstling" hatte Büchner Anfang 1835, gestützt auf historische Quellen, nach eigenem Bekunden in "höchstens fünf Wochen" niedergeschrieben. Die Polizei saß ihm wegen des "Hessischen Landboten" im Nacken, jene Flugschrift mit dem auch nicht eben selten weiterverwerteten Titel "Friede den Hütten, Krieg den Palästen", verfasst als Brandbrief gegen die Metternichrestauration. Büchner floh nach Straßburg; dort hatte er ja schon 1831 ein Medizinstudium aufgenommen und sich heimlich verlobt, bevor er im Herbst 1833 an die Medizinische Fakultät der Universität Gießen wechselte und die Protagonisten der hessischen Opposition kennen lernte.
Im Straßburger Exil nun kommt nach der Politik die Wissenschaft zu ihrem Recht. Büchner seziert Fische und wird – in Abwesenheit - für seine "Abhandlung über das Nervensystem der Barbe" in Zürich promoviert, wohin er bald, im Oktober 1836 übersiedelt. Burghard Dedner leitet die Forschungsstelle Georg Büchner in Marburg:"Er selbst hat sich beruflich als Naturforscher verstanden und hat auf jeden Fall Angebote, hauptberuflich Dichter zu werden oder Journalist zu werden, abgelehnt."
"Woyzeck" basiert auf realen Kriminalfällen
Aber Büchner seziert auch "das Leben", wobei nicht zu fragen sei, "ob es schön, ob es hässlich ist". Über den unglücklichen Sturm-und-Drang-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz schreibt er eine tieftraurige Novelle, um gleich darauf mit "Leonce und Lena" in völlig entgegengesetztem Ton und Sprachstil die Kleinstaaterei und die monarchistische Verachtung für die kleinen Leute aufs Sarkastischste durch den Wolf zu drehen. Doch mit heiligem Ernst schuf Büchner, der Menschenfreund, der gegen alle idealistische Verklärung zeigen wollte, "was ist" eine der unsterblichen Bühnengestalten: Den Barbier, Soldaten und Psychopathen Woyzeck. Als Erbsen futterndes Versuchskaninchen missbraucht, tötet er stellvertretend für alle erlittenen Erniedrigungen die Mutter seines Sohnes.
"Wir arme Leut. _ Sehn Sie , Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat – Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in die Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt."
Der auf realen Kriminalfällen basierende "Woyzeck" blieb Fragment, an dessen Lesarten sich die Nachwelt bis heute abmüht. Wie eben auch an Georg Büchner selbst, dessen Wort vom "grässlichen Fatalismus der Geschichte" der allzu frühe Typhus-Tod so tragisch bestätigte
Von heute aus betrachtet ist Georg Büchners Gießener Kommilitone Carl Vogt hoffnungslos in der Minderheit. Zylinderhut hin oder her – Büchner ist der große Geliebte der Germanisten, Lehrer, Schüler, Theaterleute; Namenspatron des wichtigsten Literaturpreises der Bundesrepublik. Und er hat es verstanden, trotz seines kurzen Lebens noch jedem ein Interpretationszipfelchen zu lassen: als Revolutionär, Nihilist, Fatalist, Existenzialist, Materialist, Melancholiker und neuerdings als Christenmensch mit Wiedergutmachungsdrang für Jugendsünden. Doch auch der Verfasser der jüngsten Büchnerbiografie, Hermann Kurzke bekennt: "Mit Büchner wird man nicht fertig. Er hält es aus, dass man sich Jahre und Jahrzehnte mit ihm beschäftigt."
Sagen wir doch gleich: Jahrhunderte. Am 17. Oktober 1813 – in Leipzig war die Völkerschlacht noch nicht entschieden – kam Georg Büchner als ältester Sohn eines wohl wenig revolutionsinfizierten Arztes in Goddelau bei Darmstadt zur Welt und war gerade einmal 23 Jahre alt, als er am 19. Februar 1837 im Exil in Zürich starb, am Beginn einer vielversprechenden wissenschaftlichen Karriere. Zwei Jahre zuvor hatte er das Drama über die Französische Revolution geliefert, "Dantons Tod".
"Wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab ... Das Laster muss bestraft werden, die Tugend muss durch den Schrecken herrschen."
Fürderhin werden die Theater in ihrer ausschweifenden Gerechtigkeit den "Blutmessias", den fantasielosen Tugendterroristen Robespierre hassen und den Müßiggänger Danton lieben, den der Dramatiker selbst doch auch zu den "Banditen der Revolution" zählte. Empört schrieb Büchner, nachdem das Stück zunächst stark entschärft erschienen war: "Manchmal ist der Sinn ganz entstellt oder ganz und gar weg, und fast platter Unsinn steht an der Stelle."
"Wir sind das Volk"
Nicht nur das Theater, auch noch jede Demo verdankt dem "Danton" die schönsten Sprüche: "Wir sind das Volk", "Die Revolution frisst ihre Kinder" oder "Die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen". Seinen dramatischen "Erstling" hatte Büchner Anfang 1835, gestützt auf historische Quellen, nach eigenem Bekunden in "höchstens fünf Wochen" niedergeschrieben. Die Polizei saß ihm wegen des "Hessischen Landboten" im Nacken, jene Flugschrift mit dem auch nicht eben selten weiterverwerteten Titel "Friede den Hütten, Krieg den Palästen", verfasst als Brandbrief gegen die Metternichrestauration. Büchner floh nach Straßburg; dort hatte er ja schon 1831 ein Medizinstudium aufgenommen und sich heimlich verlobt, bevor er im Herbst 1833 an die Medizinische Fakultät der Universität Gießen wechselte und die Protagonisten der hessischen Opposition kennen lernte.
Im Straßburger Exil nun kommt nach der Politik die Wissenschaft zu ihrem Recht. Büchner seziert Fische und wird – in Abwesenheit - für seine "Abhandlung über das Nervensystem der Barbe" in Zürich promoviert, wohin er bald, im Oktober 1836 übersiedelt. Burghard Dedner leitet die Forschungsstelle Georg Büchner in Marburg:"Er selbst hat sich beruflich als Naturforscher verstanden und hat auf jeden Fall Angebote, hauptberuflich Dichter zu werden oder Journalist zu werden, abgelehnt."
"Woyzeck" basiert auf realen Kriminalfällen
Aber Büchner seziert auch "das Leben", wobei nicht zu fragen sei, "ob es schön, ob es hässlich ist". Über den unglücklichen Sturm-und-Drang-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz schreibt er eine tieftraurige Novelle, um gleich darauf mit "Leonce und Lena" in völlig entgegengesetztem Ton und Sprachstil die Kleinstaaterei und die monarchistische Verachtung für die kleinen Leute aufs Sarkastischste durch den Wolf zu drehen. Doch mit heiligem Ernst schuf Büchner, der Menschenfreund, der gegen alle idealistische Verklärung zeigen wollte, "was ist" eine der unsterblichen Bühnengestalten: Den Barbier, Soldaten und Psychopathen Woyzeck. Als Erbsen futterndes Versuchskaninchen missbraucht, tötet er stellvertretend für alle erlittenen Erniedrigungen die Mutter seines Sohnes.
"Wir arme Leut. _ Sehn Sie , Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat – Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in die Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt."
Der auf realen Kriminalfällen basierende "Woyzeck" blieb Fragment, an dessen Lesarten sich die Nachwelt bis heute abmüht. Wie eben auch an Georg Büchner selbst, dessen Wort vom "grässlichen Fatalismus der Geschichte" der allzu frühe Typhus-Tod so tragisch bestätigte