"Boomer gegen Zoomer"

Generationendialog ohne Tiefe

07:21 Minuten
Cover des Buchs "Boomer gegen Zoomer"
© Berlin Verlag

Daniel Goffart, Angelika Melcher

Boomer gegen Zoomer. Der neue Generationenkonflikt und wie wir uns besser verstehen könnenBerlin Verlag, Berlin 2024

224 Seiten

22,00 Euro

Von Ralph Gerstenberg |
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Die Babyboomer gehen langsam in Rente. Was für eine Welt hinterlassen sie den Nachgeborenen, der Generation Z? In ihrem Buch „Boomer gegen Zoomer“ beleuchten Boomer Daniel Goffart und Zoomerin Angelika Melcher den Generationenkonflikt.
Generationenkonflikte gibt es vermutlich seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte. Berechtigterweise sind Nachgeborene nicht gewillt, politische Ansichten, moralische Grundsätze und Lebenseinstellungen der Elterngeneration einfach zu übernehmen. Andererseits verweisen die Älteren mit ebenso gutem Grund auf das Geschaffene und Erreichte, von dem die Jüngeren selbstverständlich profitieren.
Mit dem Klimawandel und der Ressourcenknappheit hat sich dieser Konflikt jedoch verschärft. Die Generation Z, die in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre bis 2010 geboren wurde, auch Zoomer genannt, beklagt sich nun lautstark, dass die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer, die zwischen 1955 und 1969 das Licht der Welt erblickten, auf ihre Kosten gelebt und ihnen eine kaputte Welt hinterlassen hätten.

Es geht darum, sich besser zu verstehen

So argumentiert die Journalistin Angelika Melcher, Jahrgang 1997, in dem gemeinsam mit ihrem 1961 geborenen Kollegen Daniel Goffart verfassten Buch „Boomer gegen Zoomer“:

Klimaschutz ist nun einmal das Generationenthema schlechthin […] Eine Umfrage aus dem Jahr 2021 ergab, dass weltweit 40 Prozent der 16- bis 25-Jährigen wegen der Klimakrise unsicher sind, ob sie Kinder haben wollen. Stell‘ dir das in seiner ganzen Konsequenz vor! Wir leben in einer kollektiven Angst vor unserer Zukunft. Außerdem wurde der Klimaschutz nicht nur in den letzten Jahrzehnten versäumt. Auch heute noch bemühen sich Politik und Wirtschaft, übrigens alle mit Boomer-Männern an der Spitze, teilweise nur wenig um Klimagerechtigkeit.

Angelika Melcher

„Der neue Generationenkonflikt und wie wir uns besser verstehen können“, heißt das Buch der Zoomerin Angelika Melcher und des Boomers Daniel Goffart im Untertitel. Nach einem Einleitungsteil, in dem Sozialisation und Prägungen beider Generationen grob skizziert werden, treten Autorin und Autor in einen Dialog, in dem es weniger um Konfrontation, sondern vor allem darum gehen soll, einander zu verstehen.

Rechtfertigen, erklären und onkelhaftes Bemühen

Im ersten Kapitel setzt sich das Autorenduo folgerichtig mit dem heißesten Eisen, dem Klimawandel, auseinander. Doch anstatt die Argumente der Jüngeren erst einmal an sich heranzulassen, beginnt Daniel Goffart in bester (oder besser: schlechtester) Boomermanier, seiner Mitautorin einen Rechtfertigungsvortrag zu halten, in dem er deren Vorwürfe bereits antizipiert:

Wir hätten, so die Vorwürfe, bedenkenlos konsumiert und damit die Zukunft der Jüngeren schon jetzt zerstört. Und wir hätten damit auch das Recht zur Mitsprache verwirkt […] In dieser Haltung steckt viel Hybris, ja stellenweise auch Anmaßung. Das Thema Klimaschutz begegnet mir und anderen Menschen meines Alters nämlich schon seit Jahrzehnten, lange bevor Fridays for Future gegründet wurde. Heute gehöre ich als sogenannter Babyboomer zwar zur älteren Generation, aber über Umweltschutz wurde schon gesprochen und auch gestritten, als ich gerade volljährig wurde, das war Ende der 1970er-Jahre.

Daniel Goffart

Okay, Boomer! In Passagen wie diesen versteht man die schulterzuckende Reaktion der Generation Z auf das Erklärbär- und Besserwissergesülze der geburtenstarken Jahrgänge. Das sagt einer, der sich selbst zu dieser Alterskohorte zählen muss. Die Ausführungen von Daniel Goffart, auch in anderen Kapiteln, in denen es um Emanzipation, Liebe und Partnerschaft, Neue Medien, Demografie oder Konsum geht, sind vor allem durch Rechtfertigungsbestrebungen und das onkelhafte Bemühen um Verständnis für die „jungen Leute“ geprägt.

Rollentausch der Generationen

Jemand, der zugibt, dass die Klimaziele immer wieder gerissen werden, aber auf die Freiheit, ein Auto zu fahren, nicht verzichten will, ist gewiss typisch für seine Generation, sollte Forderungen der Jüngeren nach konsequenterem Handeln aber nicht als „zu radikal“ abtun. Diese durch Relativierungsgirlanden verhangene Inkonsequenz führt am Ende eines Kapitels zu einem Stoßseufzer der Zoomerin Angelika Melcher: „Okay, let’s agree to disagree.”
Im Laufe des Gesprächs wird ein weiteres Phänomen des gegenwärtigen Generationenkonflikts deutlich, eine Art Rollentausch: Während früher die Eltern ihren Kindern moralische Vorhaltungen gemacht haben, konfrontieren nun die Jüngeren die Älteren damit, dass ihr Verhalten weder gerecht und sozial noch vernünftig oder gar nachhaltig ist.
Wobei Angelika Melcher als Vertreterin der Generation Z eher eine moderate Rolle einnimmt. Wenn Boomer Goffart meint, seine Generation hätte eine Menge für die Gleichberechtigung getan und der Anteil von Frauen in Führungspositionen würde doch bereits zunehmen, entgegnet sie nur:

Natürlich kann die Generation Z Gleichberechtigung nicht für sich beanspruchen, wir sind ganz bestimmt nicht die einzige Generation, die sich dafür einsetzt […] Trotzdem sind Gleichberechtigung und Feminismus zwei große Aspekte […] Insbesondere, weil nicht die gesamte Generation mit Feminismus sympathisiert – sonst könnten wir uns zurücklehnen und darauf warten, dass wir die Führungspositionen in Unternehmen übernehmen und aktiv Politik gestalten.

Angelika Melcher

Angelika Melcher und Daniel Goffart gelingt es zwar, Generationenunterschiede - zum Beispiel in der Bewertung von Monogamie und Ehe - deutlich zu machen, doch ihr Dialog wirkt oft eher so, als würde eine ältere, konservative Position auf eine jüngere, progressivere treffen. Zwei Stimmen als irgendwie exemplarisch für eine ganze Generation zu behaupten, ist keine gute Idee, das merken die beiden auch selbst, wenn sie an der einen oder anderen Stelle feststellen, dass dieser oder jener Standpunkt nicht unbedingt generationentypisch sei.
Auch fehlt es dem Gespräch an Tiefenschärfe. Der Blick auf die Babyboomer-Generation erreicht bei Weitem nicht das Reflexionsniveau der Bücher von Heinz Bude und Thomas E. Schmidt zu diesem Thema. So ist der streckenweise dahinplätschernde Dialog von Angelika Melcher und Daniel Goffart bestenfalls ein teilweise geglückter Versuch zweier Angehöriger unterschiedlicher Generationen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Mehr aber nicht.
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