Mary Paulson-Ellis: "Die andere Mrs. Walker"
© Ariadne im Argument Verlag
Die Spur der Mandarinenkerne
04:17 Minuten
Mary Paulson-Ellis
Übersetzt von Kathrin Bielfeldt
Die andere Mrs. WalkerAriadne im Argument Verlag, Hamburg 2022442 Seiten
23,00 Euro
Zwischen Armut und Gewalt: Mary Paulson-Ellis spürt in ihrem Krimidebüt „Die andere Mrs. Walker“ den Geheimnissen einer ganz normalen englischen Familie im 20. Jahrhundert nach.
Margaret Penny kehrt 2011 nach Edinburgh zurück, im zweitkältesten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Sie weiß, dass ihre Mutter nicht gerade froh darüber ist, aber Margaret musste aus vielerlei Gründen aus London weg und hat sich mit ihren 47 Jahren „vorübergehend“ – wie ihre Mutter stets betont – in der Abstellkammer der mütterlichen Wohnung eingerichtet.
Durch einen Zufall bekommt sie die Gelegenheit, ein wenig Geld für einen Neuanfang zu verdienen: Im Auftrag der Stadtverwaltung soll sie herausfinden, ob die kürzlich verstorbene Mrs. Walker – Vorname unbekannt – Angehörige hat, die ihr Begräbnis bezahlen könnten.
Wiederkehrende Motive
Auf verschiedenen Zeitebenen entfaltet sich in Mary Paulson-Ellis‘ Krimidebüt „Die andere Mrs. Walker“ die Geschichte der Frauen der Familie Walker zwischen 1929 und 2011. In diesen Jahren sterben Kinder oder werden ihren Eltern weggenommen, verschwinden Menschen oder werden wahnsinnig, es kommt zu Mord und sexualisierter Gewalt.
Verbunden sind die einzelnen Kapitel durch wiederkehrende Motive und Symbole: Mandarinenkerne in einer Manteltasche, ein "Coronation Penny" oder auch ein Bild, von dem nur ein Staubrand geblieben ist. Mitunter ist das etwas überladen – die Verbindungen und auch die falschen Fähren sind bisweilen überdeutlich, manche Symbole werden überstrapaziert.
Aber Paulson-Ellis setzt diesem Überbordenden das nüchterne Selbstverständnis entgegen, dass all das, was in diesem Buch geschieht, tatsächlich einer einzigen Familie geschehen konnte. Eine Deutung, die noch dadurch unterstützt wird, dass sich auf der Webseite der Autorin Fotos von den wichtigsten Gegenständen und Familienmitgliedern mitsamt ihrer fiktiven Kurzbiografien finden.
Bestechende Eigentümlichkeit
Durch diese erzählerische Anlage entsteht in diesem Buch eine bestechende, bedrückende und aufrichtige Eigentümlichkeit. Dazu sind Geschichten von Frauen, die zwischen den Weltkriegen in eine arme Familie geboren wurden und ein Leben fernab von Berühmtheit geführt haben, selten Krimistoff.
In „Die andere Mrs. Walker“ gibt es gleich eine ganze Reihe dieser Frauen, die irgendwie durchs Leben kommen wollen. Sie sind bösartig und bitter, sie sind mitreißend-leichtsinnig, sie sind kühl und unehrlich, sie manipulieren und werden manipuliert. Sympathisch ist keine von ihnen, aber dennoch wünscht man ihnen wenigstens ein kleines bisschen Zufriedenheit innerhalb der beengten Möglichkeiten, die das Leben ihnen bietet.