Claudia Goldin: "Karriere und Familie"

Weg mit der „gierigen Arbeit“

"Karriere und Politik" von Claudia Goldin
© Propyläen

Claudia Goldin

Aus dem Englischen von Marlene Fleißig, Rita Gravert, Sigrid Schmid und Caroline Weißbach

Karriere und Familie. Der jahrhundertelange Weg der Frauen zu mehr GleichberechtigungPropyläen, Berlin 2024

400 Seiten

28,00 Euro

Von Katharina Teutsch |
Die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Goldin sieht die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern als Resultat einer Karrierelücke bei den Frauen - und weiß auch, was man dagegen tun könnte.
Der Wirtschaftswissenschaftlerin und Nobelpreisträgerin Claudia Goldin geht es darum, die Gerechtigkeitslücke zwischen männlichen und weiblichen Erwerbsbiografien über Generationen hinweg zu beleuchten. Ihre Studie beginnt mit dem Geburtsjahrgang 1878 und endet mit jenem von 1958.

Schwangerschaften als Kündigungsgrund

Noch bis in die 1940er-Jahre war in den USA die Beschäftigung verheirateter Frauen durch allerlei Gesetze und Unternehmensgrundsätze eingeschränkt. Schwangerschaften wurden später zum Einstellungshindernis oder gar zum Kündigungsgrund. Unternehmen schlossen die Einstellung von Frauen mit kleinen Kindern kategorisch aus. Das führte dazu, dass die Pionierinnen der akademischen Karriere, auf die Goldin sich konzentriert, oft ein Leben lang unverheiratet blieben und auf Familie verzichteten.
Schon die nächsten Jahrgänge versuchten, Job und Familie zu entzerren, indem sie den Zeitpunkt für beides durch späte Heirat und/oder Geburtenkontrolle auseinanderzogen. Die letzte von Goldin untersuchte Gruppe möchte Karriere und Familie wieder vereinen. Hier stehen wir heute.

Debatten über Karriere und Familie

Die Feministin Betty Friednan schrieb Anfang der 1960er-Jahre, das Phänomen der frustrierten Ehefrau sei ein „Problem ohne Namen“. Das hat sich inzwischen gründlich geändert. Denn über Karriere und Familie wird breitenwirksam diskutiert. Der Lockdown hat weltweit gezeigt, wie sehr Frauen noch immer zwischen Sorgepflichten, Selbstwirksamkeit und ökonomischem Druck zerrieben werden.
Der Gender Pay Gap, so Goldin, habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar kontinuierlich verringert. Viele Frauen hätten heute sehr ähnliche Möglichkeiten wie Männer, träfen aber andere Entscheidungen, durch die anfänglich ein leichtes Einkommensgefälle entstehe. Das Übel unserer Geschlechterdifferenzen sei somit das ubiquitäre Konzept der „gierigen Arbeit“ („greedy work“): Die bestbezahlte Arbeit ist immer jene, die den Arbeitnehmer vereinnahmt.

Das Kind fällt von der Schaukel

Fehlen bei wichtigen Meetings, Präsentationen oder Dienstreisen – das alles ist in bestimmten Positionen schlicht unmöglich. Da aber jemand auf Abruf da sein muss, falls das Kind im Kindergarten von der Schaukel fällt, entscheiden die meisten Paare intuitiv, dass Mütter eher die flexibleren, weniger „gierigen“ Jobs annehmen.
„Die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern ist das Resultat einer Karrierelücke, die wiederum die Grundlage für die Ungleichheit in Paarbeziehungen ist“, schreibt Goldin. Wer die Einkommenslücke also überwinden will, muss nicht für noch härtere Arbeitsbedingungen jetzt auch für Frauen kämpfen, sondern das Gratifizierungssystem der „gierigen Arbeit“ abschaffen.

Wir brauchen ein anderes Arbeitsdesign

Goldins Buch liest sich jenseits des gegenwartsanalytischen Teils recht trocken. Viel Statistik deckt auf, was wir schon lange wissen: Die Emanzipation der Frauen ist ohne die Emanzipation der Männer nicht zu denken. Und da die Wirtschaftswelt eine von Männern für Männer geschaffene ist, wird erst ein anderes Arbeitsdesign die Gleichheit der Geschlechter bringen. Diese meint die Freiheit, alles wählen zu können, was ein Leben lebenswert macht.
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