Rezension

Wer ist Herbert Kickl? Aufstieg eines Rechtspopulisten

06:53 Minuten
Buchcover "Kickl und die Zerstörung Europas"
© Hanser Literaturverlage

Robert Treichler, Gernot Bauer

Kickl und die Zerstörung EuropasZsolnay Verlag, 2024

254 Seiten

25,00 Euro

Günter Kaindlstorfer |
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Herbert Kickl zählt zu den erfolgreichsten Rechtspopulisten Europas. Einst Redenschreiber für Heinz-Christian Strache, ist er heute als FPÖ-Parteichef selbst an der Spitze und sorgt als autoritärer Scharfmacher für Aufsehen. Wer ist dieser Mann?
„Wir haben schon einige hohe Berge miteinander bezwungen: Denkt’s an die Abschaffung der Impfpflicht, denkt’s daran, wie wir dieses Corona-Regime gebrochen haben. Das war ein großer Gipfelerfolg", betonte der rechtspopulistische FPÖ-Chef Herbert Kickl stolz die Erfolge seiner Partei bei einer Veranstaltung.
Seine Gegner halten ihn für einen der gefährlichsten Politiker Europas, für einen autoritären Scharfmacher, der – so bekennt er selbst – „Fahndungslisten“ für politische Gegner ausarbeiten lässt und Österreich zu einer Festung gegen die sogenannte „Asylantenflut“ ausbauen möchte. Herbert Kickl hat aber auch Fans, viele Fans, die ihre Wut auf das politische Establishment in seinen Reden aggressiv artikuliert finden:
„Er hat kein besonders einnehmendes Wesen, aber er verströmt mit allem, was er tut und sagt, diese Verachtung gegenüber den Eliten, gegenüber dem ,System‘, gegenüber allem, was wir bisher in der Politik erlebt haben. Er ist nicht der Politiker, der Konsens finden kann, er ist ein Politiker der Abgrenzung", sagt der "Profil"-Journalist Robert Treichler.

Über den FPÖ-Chef Kickl war bisher wenig bekannt

Gemeinsam mit seinem Kollegen Gernot Bauer zeichnet er den Lebensweg Herbert Kickls in einer lesenswerten Biografie nach. Vor allem über die frühen Jahre des FPÖ-Chefs war bisher wenig bekannt.
„Herbert Kickl kommt aus bescheidenen Verhältnissen, aus einer kleinen Gemeinde in Kärnten – aus Radenthein – und aus einem sehr sozialdemokratischen Umfeld. Radenthein ist geprägt von einem Industriebetrieb, einem Magnesitwerk, und in der Siedlung, in der Herbert Kickl aufgewachsen ist, waren die meisten Leute in diesem Magnesitwerk angestellt. Und wenn man dort angestellt war, war man auch automatisch bei der Gewerkschaft und bei der SPÖ", sagt Treichler.

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Für Kickls Eltern galt das nicht. Politisch waren sie „Blutgruppe null“, wie es die Nachbarn in Radenthein ausdrückten, ganz und gar unpolitisch. Sohn Herbert scheint ein aufgeweckter Knabe gewesen zu sein, sportbegeistert und wissbegierig. Als eines von nur drei Kindern aus seiner Volksschulklasse durfte Herbert das Gymnasium in der nächstgelegenen Bezirksstadt Spittal an der Drau besuchen.

Linke Politik fand der junge Kickl "langweilig"

„Kickl war schon früh ein Widerspruchsgeist. Er war ein begabter Schüler und hat Freude an der Widerrede gegenüber den Lehrern gefunden. Die meisten Lehrer hat er, so sagt er selbst, als links, aber auf eine billige Art als links empfunden. Das war für ihn ein langweiliges politisches Milieu, diese Sozialdemokratie. Und damals aufmüpfig zu sein, bedeutete, dass man rasch auf jemanden gestoßen ist, der damals als der aufregende, aufmüpfige Politiker in Österreich galt – und das war Jörg Haider, der spätere FPÖ-Chef. Den fand Kickl schon sehr früh toll", so Treichler.
Nachdem Herbert Kickl paar Semester Philosophie und Geschichte studiert hatte, abgestoßen vom „linken Zeitgeist“ an der Wiener Universität, wie er später erklärte, heuerte er bei just diesem Jörg Haider an. Als Mitarbeiter des Freiheitlichen Bildungsinstituts erlernte er das politische Handwerk – und erwarb sich die Achtung seines Chefs, indem er Reden für ihn schrieb, die verlässlich für zustimmendes Gejohle in den Bierzelten der Republik sorgten.
Ein Beispiel von vielen: Über den Präsidenten der „Israelitischen Kultusgemeinde“ in Wien, Ariel Muzicant, ließen sich Haider und sein Redenschreiber im Jahr 2001 in einer sogenannten Aschermittwochsrede mit den Worten aus: „Wie kann einer, der ,Ariel‘ heißt, so viel Dreck am Stecken haben“. Später erfand Kickl für Haiders Nachfolger Heinz-Christian Strache migrationsfeindliche Plakat-Slogans wie „Daham statt Islam“ oder „Wiener Blut – Zu viel Fremdes tut niemand gut.“

Kickl steht weiter rechts als seine Vorgänger

Lange Zeit ackerte sich Herbert Kickl als Nummer zwei in der FPÖ durchs tagespolitische Geschäft. Eine gewisse zwänglerische Verkrampftheit gehörte dabei zu seinem Habitus. Auch heute noch wird der FPÖ-Chef von vielen als „Komplexler“ wahrgenommen, als einer, der sich auf dem gesellschaftlichen Parkett nicht wirklich ungezwungen zu bewegen weiß.
Robert Treichler erzählt: „Es war bisher relativ wenig bekannt über Herbert Kickl, da er ein misstrauischer und sehr zurückgezogener Mensch ist. Dazu eine Anekdote: Als er geheiratet hat, hat er das getan ohne einen einzigen Hochzeitsgast. Es war kein Trauzeuge da, er hat niemanden eingeladen. Das ist Herbert Kickl. Und wir haben uns die Aufgabe gestellt, so viel wie möglich über sein Leben herauszufinden, über seinen politischen Werdegang."
Kickls Vorgänger Haider und Strache waren Hedonisten, so Robert Treichler, Genussmenschen, die coole Sprüche, harte Drinks und schnelle Autos liebten. Herbert Kickl dagegen, mehrfacher Teilnehmer an Extrem-Triathlons, ist das Inbild eines Asketen. Politisch steht er deutlich weiter rechts als seine Vorgänger.

FPÖ-Chef Kickl steht den Identitären sehr nah

„Jörg Haider war ein singuläres Phänomen damals in Europa. Er war sehr weit rechts, Rechtspopulist und sehr erfolgreich. Aber damit war er ziemlich alleine", erklärt Treichler. "Kickl dagegen ist Teil einer immer größer werdenden politischen Gruppierung, und er steht da eher am rechten Rand dieser Gruppierung. Er hat auch keine Berührungsängste gegenüber den Identitären, die er immer noch als ,NGO‘ bezeichnet, so, als wäre das der World-Wildlife-Fund.“
Robert Treichler und Gernot Bauer haben akkurat recherchiert für ihr Buch. In ihrer Biografie zeichnen die beiden das Porträt eines begabten Demagogen, der immer irgendwie „anti“ war. Und der im vierten Jahrzehnt seiner politischen Karriere keine Differenzen zum organisierten Rechtsextremismus erkennen lässt. Demnächst will Herbert Kickl „Volkskanzler“ der Republik Österreich werden. Man darf sich fürchten.

Gernot Bauer wurde 1970 in Salzburg geboren, studierte an der WU Wien und absolvierte den Redaktionslehrgang Magazinjournalismus beim profil, wo er seit 1998 als innenpolitischer Redakteur tätig ist.

Robert Treichler wurde 1968 in Graz geboren, studierte Französisch und Philosophie und ist seit 1997 Journalist beim Nachrichtenmagazin profil, seit 2021 in der Funktion des stellvertretenden Chefredakteurs.

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