Buch "Angriff auf Deutschland"

Wie der Aufstieg der AfD das Land bedroht

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Buchcover Dirk Laabs & Michael Kraske: „Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD“
© C.H. Beck

Dirk Laabs, Michael Kraske

Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfDC. H. Beck, München 2024

350 Seiten

18,00 Euro

Von Nils Schniederjann |
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Die AfD gibt sich demokratisch. Zwei Journalisten behaupten jedoch, dass die Partei in Wahrheit einen Angriff auf die Demokratie plant und mit extremistischen Kräften arbeitet. In ihrem Buch plädieren sie für ein Parteiverbot.
Seit mehr als zehn Jahren gehören die Parolen und Skandale der AfD zum demokratischen Diskurs der Bundesrepublik. Manch einer könnte sich langsam an sie gewöhnt haben. Nicht so die Journalisten Dirk Laabs und Michael Kraske. Sie haben all jene Fälle zusammengetragen, die ein beunruhigendes Bild von der Entwicklung der AfD zeichnen:
„Die noch junge Parteiengeschichte der AfD ist durchzogen von Ermächtigungsfantasien und autoritären Rufen nach dem ‚Jagen‘ von Gegnern, dem […] ‚Ausmisten‘ des politischen Saustalls. Eine verhängnisvolle Fehleinschätzung lautet: Die meinen das doch gar nicht so. Nun steht die AfD vor den Türen der Macht, und es ist höchste Zeit zu erkennen: Doch, die meinen, was sie sagen. Nehmen wir sie beim Wort!“

AfD eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie

Wenn man das tut, müsse man die Partei als eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie verstehen. Die Autoren begründen das nicht argumentativ, etwa indem sie zeigen würden, dass sich die Ziele führender Politiker grundlegend von denen unterscheiden, die man am rechten Rand konservativer Parteien findet. Vielmehr versuchen sie, eine so erdrückende Beweislast zusammenzutragen, dass sich aus der Masse der Vorfälle die Demokratiefeindlichkeit der Partei ergibt. Ein Schwerpunkt des Buches liegt auf der Zusammenarbeit der AfD mit extremistischen Gruppen.
„Den Kampf auf der Straße führt die Partei Schulter an Schulter mit extremistischen Kräften aus der Neonazi-Szene. Politische Komplizen der AfD verfügen zum Teil über Vorstrafen, verwenden ritualisiert eine NS-Parole, haben öffentlich eine Vernichtungsfantasie geäußert und propagieren die Überwindung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. All das führt seitens der AfD nicht zum Kontaktabbruch. Im Gegenteil: Man teilt sich bei Kundgebungen das Rednerpult.“

AfD-Abgeordnete beschäftigen neonazistische Mitarbeiter in Parlamenten

Laabs und Kraske zeigen unter anderem auf, dass die AfD gewalttätige Mitglieder und Funktionäre hat; dass sie neonazistische Kader als Mitarbeiter in Parlamenten beschäftigt und dass sie enge Beziehungen zu autokratischen Machthabern anderer Länder unterhält. Das funktioniert als Gruselgeschichte. Problematisch wird es, wenn sie die Vorhaben der AfD auch inhaltlich skandalisieren wollen. Dabei machen sie es sich manchmal zu einfach. So wird ein einzelnes Wahlplakat zum Beleg für ein „völkisch-rassistisches Projekt".
„Wie sich die AfD ihr Deutschland vorstellt, offenbart sich in einem einzigen Bild: jenem Wahlplakat aus dem Jahr 2017 nämlich, auf dem eine Frau mit Babybauch auf dem Rücken liegt. Dazu der Text: ‚Neue Deutsche? Machen wir selber.‘ Der unausgesprochene Subtext lautet: Deutscher wird man nicht durch Einbürgerung, sondern durch Geburt. Wobei Kinderkriegen dann keine Privatsache von Eltern mehr ist, sondern zu einem völkisch-rassistischen Projekt eines kollektiven deutschen ‘Wir‘ erklärt wird – um ‚neue Deutsche‘ zu produzieren.“

Migrationspolitik wird instrumentalisiert - nicht nur von rechts

Statt dieser breiten Interpretation eines Plakats wäre eine Analyse der tatsächlichen familienpolitischen Ziele wohl hilfreicher gewesen. Auch hinsichtlich der Migrationspolitik der Partei bleiben die Autoren eine differenzierte Analyse schuldig. Wenn die AfD etwa von einer zunehmenden "Einwanderung in die Sozialsysteme" spricht, zeigen sie nicht mit Zahlen und Belegen, dass das nicht stimmt. Stattdessen betonen sie, dass Deutschland dringend mehr Migranten etwa für die Arbeit in Altenheimen und der Gastronomie brauche. Das ist eine instrumentelle Sicht auf die Zuwanderung von Menschen, deren Verbreitung im schlimmsten Fall selbst etwas mit dem Aufstieg rechtsradikaler Parteien zu tun haben könnte.
Auch an anderen Stellen zeigt sich, dass die Autoren wenig Interesse an der Kritik des politischen Systems haben, das eine solche Partei hervorbringt. So bemängeln sie, dass die AfD immer die gleiche Problemanalyse präsentiere – es gäbe zu viele Migranten – ohne zu beantworten, wie dieses Problem ohne Gewalt gelöst werden könne. Dass aber auch die „demokratischen Parteien“ nicht ohne Gewalt auskommen, wenn sie Migration mit Abschiebungen und Grenzschutz steuern, davon schreiben die Autoren nichts. Stattdessen gibt es eine Lobeshymne auf die Bundesrepublik:
„Dieses Land ist ganz sicher nicht perfekt. Es muss und kann besser regiert werden, als es die Großen Koalitionen und die Ampelregierung oft getan haben – aber es ist das beste Deutschland, das es je gab. Dieses Deutschland will die AfD abschaffen und es durch einen Albtraum ersetzen, den wir schon einmal erlebt haben. Das dürfen wir nicht zulassen.“

Parteiverbot der AfD "längst überfällig"

Viele dürften der Einschätzung widersprechen, dass dieses Deutschland das „beste“ sei. Manche aus den falschen, viele hingegen aus nachvollziehbaren Gründen. All diese Menschen dürften sich von dem Aufruf zum Schulterschluss gegen die AfD nicht überzeugen lassen. Für Laabs und Kraske scheint das nicht zentral zu sein. Sie schreiben, dass ein erheblicher Teil derer, die sich von der Demokratie abgewandt haben, für rationale Argumente ohnehin nicht erreichbar sei. Ihre Lösung ist daher nicht, etwas an der Politik zu ändern, sondern ein Verbot der AfD.
„Ein Antrag auf ein Verbot der AfD ist kein Allheilmittel, aber er ist folgerichtig, notwendig und längst überfällig. Je eher das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsfeindlichkeit der Partei überprüft und zu einem rechtsstaatlichen Urteil kommt, desto besser. Die wehrhafte Demokratie erweist sich nicht in Sonntagsreden an Gedenktagen, sondern in einer politischen Praxis, die mutig gelebt wird.“

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Zweifellos gibt es gute Argumente für ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Eine ganze Reihe davon haben die Autoren mit ihrer ausführlichen Dokumentation der Radikalität der Partei geliefert. Bei ihren politischen Schlussfolgerungen muss man aber nicht mitgehen. Ein Blick in ihre umfangreiche Materialsammlung hilft dennoch, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie weit der Prozess der Radikalisierung bereits fortgeschritten ist.
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