Rezept für die Unsterblichkeit
Der verschrobene Kommissar Adamsberg stößt bei seinen Ermittlungen auf ein altes Rezept für Unsterblichkeit. Eine der Zutaten dafür: drei Jungfrauen! Der französischen Kriminalautorin Fred Vargas ist mit "Die dritte Jungfrau" wieder ein vorzüglicher Roman mit dem aus ihren anderen Büchern bekannten Kommissar gelungen.
In "Die dritte Jungfrau" geht es zunächst um die Morde an zwei jungen Männern an der Porte de la Chapelle, einer Drogengegend in Paris. Aber Kommissar Adamsberg findet ein merkwürdiges Detail: Die beiden Ermordeten haben Erde unter den Fingernägeln; das passt nicht zu Drogenhändlern in einer Hochhaussiedlung. Nur - wonach haben sie gegraben? Adamsberg bemüht sich, die Ermittlungen über die beiden Toten nicht der Drogenfahndung zu überlassen. Mit seiner berühmten Intuition spürt er, dass etwas anderes als ein gewöhnlicher Mord im Drogenmilieu dahinter steckt.
Während er noch nach einer Erklärung sucht, kommt es zu den Verkettungen, die Adamsberg auch in den anderen Büchern der französischen Krimiautorin Fred Vargas immer wieder begegnen, und für die er zu Recht den Ruf eines sensiblen und auf eigenwilligen Wegen wandelnden Kommissars erworben hat. Für ihn fühlt es sich an, als würde sich ein Schatten über die Leichen beugen. Er trifft in der Normandie einige Bauern, die hoch erregt sind über den Mord an einem Hirschen. Er versteht plötzlich, wonach die beiden Jungen gegraben haben. Und schließlich stößt er auf eine alte Reliquie, die mit einem Rezept verbunden ist, wie man unsterblich wird, und für dieses Rezept braucht es unter anderem drei Jungfrauen. Richtig gefährlich wird das alles durch eine persönlichkeitsgestörte Krankenschwester, die schon viele Morde auf dem Gewissen hat.
Wie immer geht Adamsberg unkonventionell und assoziativ vor, manchmal ist es fast nicht erklärlich, wie er auf einen neuen Punkt der Ermittlung stößt. Aber das Bezaubernde an Vargas’ Krims ist eben, dass gerade diese verwickelten und verworrenen Wege für die Leserin vollkommen zwingend und überzeugend sind. Adamsberg kann man sich nicht in einem dieser modernen Ermittlungsteams vorstellen, in denen Forensiker irgendein Partikel entdecken, das am Ende zwangsläufig auf den Mörder verweist – Adamsberg ist demgegenüber ein höchst lebendiger Anachronismus. Ein Wolkenschaufler eben, wie Vargas ihn nennt, der einen feinen Sinn für die Untertöne, für die unwahrscheinlichen Zusammenhänge und die erstaunlichen Zufälle hat.
Fred Vargas ist schon lange bekannt als herausragend gute Schriftstellerin. In zwölf Büchern hat sie ihre Kunst bewiesen, poetisch eine hintergründige, fast mythische Kriminalgeschichte zu erzählen. (Und hat zum Glück mit Julia Schoch eine kongeniale Übersetzerin gefunden). Dennoch ist es kaum zu glauben, dass es ihr mit jedem neuen Buch gelingt, einen vorzüglichen Roman vorzulegen – obwohl man doch schon beim vorherigen Buch gedacht hatte, besser ginge es nicht. Nach dem absoluten Höhepunkt "Der vierzehnte Stein" ist auch "Die dritte Jungfrau" ein mitreißender Krimi mit erstaunlich poetischen, zärtlichen, verrückten Seiten. Dem man auch das eher schwach Ende lächelnd verzeiht.
Adamsberg ist ein Glücksfall von einer Romanfigur, schillernd, ungewöhnlich, verschroben und genial. Ohne ihn wären die Romane der Fred Vargas nicht denkbar. Andererseits braucht er seine Brigade all der anderen ungewöhnlichen Personen, damit er arbeiten und überhaupt funktionieren kann. Denn gerade dieser gesprächsfaule und bindungsunfähige Mann braucht Menschen um sich herum, die mehr tun als ihm bei der Routinearbeit zu helfen, die ihm auch Gegenüber sind, mit deren Hilfe er seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zum menschlichen Miteinander trotz seiner Kontaktschwierigkeiten leben kann. Erst alle zusammen werden zu einer erfolgreichen Polizei-Brigade. Das ist eine Form der persönlichen Charakterisierung der Hauptperson, an der sich viele Krimis, die uns mit zu vielen privaten Geschichten über ihre Kommissare langweilen, ein Beispiel nehmen könnten.
Rezensiert von Andrea Fischer
Fred Vargas: "Die dritte Jungfrau", aus dem Französischen von Julia Schoch, Aufbau Verlag: 2007, 480 Seiten, 19,95 Euro
Während er noch nach einer Erklärung sucht, kommt es zu den Verkettungen, die Adamsberg auch in den anderen Büchern der französischen Krimiautorin Fred Vargas immer wieder begegnen, und für die er zu Recht den Ruf eines sensiblen und auf eigenwilligen Wegen wandelnden Kommissars erworben hat. Für ihn fühlt es sich an, als würde sich ein Schatten über die Leichen beugen. Er trifft in der Normandie einige Bauern, die hoch erregt sind über den Mord an einem Hirschen. Er versteht plötzlich, wonach die beiden Jungen gegraben haben. Und schließlich stößt er auf eine alte Reliquie, die mit einem Rezept verbunden ist, wie man unsterblich wird, und für dieses Rezept braucht es unter anderem drei Jungfrauen. Richtig gefährlich wird das alles durch eine persönlichkeitsgestörte Krankenschwester, die schon viele Morde auf dem Gewissen hat.
Wie immer geht Adamsberg unkonventionell und assoziativ vor, manchmal ist es fast nicht erklärlich, wie er auf einen neuen Punkt der Ermittlung stößt. Aber das Bezaubernde an Vargas’ Krims ist eben, dass gerade diese verwickelten und verworrenen Wege für die Leserin vollkommen zwingend und überzeugend sind. Adamsberg kann man sich nicht in einem dieser modernen Ermittlungsteams vorstellen, in denen Forensiker irgendein Partikel entdecken, das am Ende zwangsläufig auf den Mörder verweist – Adamsberg ist demgegenüber ein höchst lebendiger Anachronismus. Ein Wolkenschaufler eben, wie Vargas ihn nennt, der einen feinen Sinn für die Untertöne, für die unwahrscheinlichen Zusammenhänge und die erstaunlichen Zufälle hat.
Fred Vargas ist schon lange bekannt als herausragend gute Schriftstellerin. In zwölf Büchern hat sie ihre Kunst bewiesen, poetisch eine hintergründige, fast mythische Kriminalgeschichte zu erzählen. (Und hat zum Glück mit Julia Schoch eine kongeniale Übersetzerin gefunden). Dennoch ist es kaum zu glauben, dass es ihr mit jedem neuen Buch gelingt, einen vorzüglichen Roman vorzulegen – obwohl man doch schon beim vorherigen Buch gedacht hatte, besser ginge es nicht. Nach dem absoluten Höhepunkt "Der vierzehnte Stein" ist auch "Die dritte Jungfrau" ein mitreißender Krimi mit erstaunlich poetischen, zärtlichen, verrückten Seiten. Dem man auch das eher schwach Ende lächelnd verzeiht.
Adamsberg ist ein Glücksfall von einer Romanfigur, schillernd, ungewöhnlich, verschroben und genial. Ohne ihn wären die Romane der Fred Vargas nicht denkbar. Andererseits braucht er seine Brigade all der anderen ungewöhnlichen Personen, damit er arbeiten und überhaupt funktionieren kann. Denn gerade dieser gesprächsfaule und bindungsunfähige Mann braucht Menschen um sich herum, die mehr tun als ihm bei der Routinearbeit zu helfen, die ihm auch Gegenüber sind, mit deren Hilfe er seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zum menschlichen Miteinander trotz seiner Kontaktschwierigkeiten leben kann. Erst alle zusammen werden zu einer erfolgreichen Polizei-Brigade. Das ist eine Form der persönlichen Charakterisierung der Hauptperson, an der sich viele Krimis, die uns mit zu vielen privaten Geschichten über ihre Kommissare langweilen, ein Beispiel nehmen könnten.
Rezensiert von Andrea Fischer
Fred Vargas: "Die dritte Jungfrau", aus dem Französischen von Julia Schoch, Aufbau Verlag: 2007, 480 Seiten, 19,95 Euro