Rezepte gegen den Klimawandel
Ist die Klimakatastrophe noch abzuwenden? - Eindeutig: Ja. Das zumindest sagen Toralf Staud und Nick Reimer in ihrem Buch "Wir Klimaretter". Sie geben praktische Tipps für ein umweltschonendes Verhalten, ohne Abstriche bei der Lebensqualität machen zu müssen.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein solches Buch erscheinen würde. Nach den dramatischen UN-Klimaberichten vom Frühjahr dieses Jahres, sowie den darauf folgenden Weltuntergangsschlagzeilen und -Szenarien wartet die Welt auf die ersehnte Rettung aus dem Kohlendioxid-Stau. Und ganz unbescheiden versprechen die beiden Autoren, Toralf Staud und Nick Reimer, das Patentrezept für die Klimawende verfasst zu haben: Wenn alle ihre Tipps befolgen werden, so behaupten sie, könne der deutsche Ausstoß an Kohlendioxid bis zum Jahr 2020 halbiert werden. Ein bisschen Träumerei ist hier dabei, gibt Toralf Staud zu, schön wäre schon mal, ein Problembewusstsein zu schaffen:
Staud: "Das ist der Anfang, dass man überhaupt erst mal begreift, wie viel man selbst zum Klimawandel beiträgt. Jeder Deutsche verursacht pro Jahr mehr als zehn Tonnen Kohlendioxid. Das ist mehr als der europäische Durchschnitt, das ist ungefähr vier Mal so viel wie ein Chinese verursacht und ein Vielfaches dessen, was ein Afrikaner verursacht. Also sich erst einmal bewusst zu werden, womit verursache ich das Klimagift Kohlendioxid, durch Autofahren, durch Fliegen, das Wichtigste ist Fliegen, Heizen, Stromverbrauch, Ernährung, also sich erst mal bewusst zu werden, womit mache ich welchen Schaden ist der erste Schritt, und dann kann man drangehen zu überlegen, wie schränke ich das ein, wie werde ich zum Klimaretter."
Die deutsche Regierung geht mit schlechtem Beispiel nicht voran, so sehen es die Autoren. Bundeskanzlerin Merkel legt im vergangenen Jahr einen Grundstein für ein neues Braunkohlekraftwerk, dem größten Klimakiller schlechthin.
Staud: "Die deutsche Regierung gefällt sich immer sehr darin zu sagen, wir sind die Größten im Klimaschutz. Wenn man sich aber mal genau anschaut, woher die Treibhausgasreduzierungen in Deutschland hergekommen sind in den letzten zehn, fünfzehn Jahren, dann war das vor allem der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft und nur zu einem sehr, sehr kleinen Teil wirkliche Klimaschutzanstrengungen der westdeutschen Industrie. Angela Merkel interessanterweise hat auf europäischer Ebene einen größeren Klimaehrgeiz als auf deutscher Ebene und vom Umweltminister muss man sagen, er gibt viele Ziele aus, aber er hat in den fast zwei Jahren seiner Amtszeit noch nicht ein einziges wirkliches Klimaschutzgesetz verabschiedet. Viele Pläne liegen nach wie vor im Bundestag, liegen nach wie vor in den Schubladen. Wirklich praktisch zum Klimaschutz ist in Deutschland in den letzten Jahren nicht wirklich etwas passiert."
Die deutsche Bundeskanzlerin lässt sich seit neuestem in Sachen Klimaschutz von Vattenfall-Chef Josefsson beraten. Vattenfall, Eon, RWE und EnBW – die Stromlobby, die Deutschland fest im Griff hat.
"Das ist hierzulande eines der größten Probleme für den Klimaschutz: Diese vier Konzerne besitzen nicht nur 80 Prozent der deutschen Stromproduktion, sondern auch 99 Prozent des Stromnetzes. Sie bestimmen also, welcher Strom wann in die Badewanne eingelassen wird. Sie produzieren selbst gigantische Mengen an klimakillendem Braunkohle- oder Steinkohlestrom. Deshalb haben sie keinerlei Interesse, dass Strom aus Windkraftanlagen oder Doppelkraftwerken ins Netz eingespeist wird."
Doch die Autoren verharren nicht in Wehklagen über schreckliche Zustände, sondern der weitaus größere Teil des Buches beschäftigt sich mit Lösungen. Genaue Vorschläge, was in den nächsten zwölf Monaten passieren muss zur Klimarettung stehen hier am Ende jedes der elf Kapitel. Da findet sich das Kohlendioxid-Konto eines jeden Bürgers neben der Aufforderung auf Öko-Strom umzusteigen oder der Hinweis auf eine effizientere Heizungspumpe. Die Lösung im Kleinen geht Hand in Hand mit der für die Welt: ein europäisches Supernetz für sauberen Strom von der Nordsee bis zur Sahara wird eingeklagt:
"So also sieht die klimaschonende Energieversorgung der Zukunft für Deutschland, Europa und Nordafrika aus: Statt in wenigen, großen Atom- und Kohlekraftwerken wird künftig Strom in kleinen Anlagen und wo immer möglich erzeugt – aus Wind- und Wasserkraft, aus Biogas und Sonnenenergie, aus Erdwärme- oder Wellenkraftwerken. Ergänzt werden diese dezentralen Strukturen durch die Off-shore-Parks des Nordsee, aus Windfarmen und Parabolrinnenkraftwerken rund ums Mittelmeer, die über ein Netz neuer Hochspannungskabel mit den Verbrauchszentren Europas verbunden werden."
Die "Gemeinsam-Packen-Wirs-an"-Einstellung der Klimaretter stößt allerdings bei einem Punkt an ihre natürlichen Grenzen:
Staud: "Fliegen ist der einzige Punkt, an dem wir in dem Buch keine gute Laune verbreiten können. Wir haben zu fast allen Bereichen Lösungen gefunden, die keine Einschränkungen erfordern. Man kann mit einem kleineren Auto trotzdem klimaschonend fahren, in einem Niedrigenergiehaus kann man bequem wohnen und trotzdem das Klima schützen. Das Einzige, wo wir keine Lösung haben ist das Fliegen. Fliegen ist ganz einfach unglaublich energieintensiv und die Abgase werden in den hohen Schichten der Atmosphäre ausgebracht, wo sie besonders viel Schaden anrichten. Wer das Klima schützen will darf ganz einfach nicht mehr fliegen oder zumindest so selten wie möglich."
Man kann sich bisweilen am auffordernden Charakter des Buches stören, doch rechtfertigen mag das sein Gegenstand, der keinen Aufschub duldet. Auf jeden Fall handelt es sich um ein mit knapp über 300 Seiten gut lesbares Taschenbuch, penibel recherchiert mit vielen Beispielen, das den Leser auf den aktuellen Stand der Klimadebatte bringt und ihn zugleich die Leichen im eigenen Keller suchen lässt. Unserem Klima wird es zugute kommen.
Toralf Staud / Nick Reimer: Wir Klimaretter
So ist die Wende noch zu schaffen
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007
Staud: "Das ist der Anfang, dass man überhaupt erst mal begreift, wie viel man selbst zum Klimawandel beiträgt. Jeder Deutsche verursacht pro Jahr mehr als zehn Tonnen Kohlendioxid. Das ist mehr als der europäische Durchschnitt, das ist ungefähr vier Mal so viel wie ein Chinese verursacht und ein Vielfaches dessen, was ein Afrikaner verursacht. Also sich erst einmal bewusst zu werden, womit verursache ich das Klimagift Kohlendioxid, durch Autofahren, durch Fliegen, das Wichtigste ist Fliegen, Heizen, Stromverbrauch, Ernährung, also sich erst mal bewusst zu werden, womit mache ich welchen Schaden ist der erste Schritt, und dann kann man drangehen zu überlegen, wie schränke ich das ein, wie werde ich zum Klimaretter."
Die deutsche Regierung geht mit schlechtem Beispiel nicht voran, so sehen es die Autoren. Bundeskanzlerin Merkel legt im vergangenen Jahr einen Grundstein für ein neues Braunkohlekraftwerk, dem größten Klimakiller schlechthin.
Staud: "Die deutsche Regierung gefällt sich immer sehr darin zu sagen, wir sind die Größten im Klimaschutz. Wenn man sich aber mal genau anschaut, woher die Treibhausgasreduzierungen in Deutschland hergekommen sind in den letzten zehn, fünfzehn Jahren, dann war das vor allem der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft und nur zu einem sehr, sehr kleinen Teil wirkliche Klimaschutzanstrengungen der westdeutschen Industrie. Angela Merkel interessanterweise hat auf europäischer Ebene einen größeren Klimaehrgeiz als auf deutscher Ebene und vom Umweltminister muss man sagen, er gibt viele Ziele aus, aber er hat in den fast zwei Jahren seiner Amtszeit noch nicht ein einziges wirkliches Klimaschutzgesetz verabschiedet. Viele Pläne liegen nach wie vor im Bundestag, liegen nach wie vor in den Schubladen. Wirklich praktisch zum Klimaschutz ist in Deutschland in den letzten Jahren nicht wirklich etwas passiert."
Die deutsche Bundeskanzlerin lässt sich seit neuestem in Sachen Klimaschutz von Vattenfall-Chef Josefsson beraten. Vattenfall, Eon, RWE und EnBW – die Stromlobby, die Deutschland fest im Griff hat.
"Das ist hierzulande eines der größten Probleme für den Klimaschutz: Diese vier Konzerne besitzen nicht nur 80 Prozent der deutschen Stromproduktion, sondern auch 99 Prozent des Stromnetzes. Sie bestimmen also, welcher Strom wann in die Badewanne eingelassen wird. Sie produzieren selbst gigantische Mengen an klimakillendem Braunkohle- oder Steinkohlestrom. Deshalb haben sie keinerlei Interesse, dass Strom aus Windkraftanlagen oder Doppelkraftwerken ins Netz eingespeist wird."
Doch die Autoren verharren nicht in Wehklagen über schreckliche Zustände, sondern der weitaus größere Teil des Buches beschäftigt sich mit Lösungen. Genaue Vorschläge, was in den nächsten zwölf Monaten passieren muss zur Klimarettung stehen hier am Ende jedes der elf Kapitel. Da findet sich das Kohlendioxid-Konto eines jeden Bürgers neben der Aufforderung auf Öko-Strom umzusteigen oder der Hinweis auf eine effizientere Heizungspumpe. Die Lösung im Kleinen geht Hand in Hand mit der für die Welt: ein europäisches Supernetz für sauberen Strom von der Nordsee bis zur Sahara wird eingeklagt:
"So also sieht die klimaschonende Energieversorgung der Zukunft für Deutschland, Europa und Nordafrika aus: Statt in wenigen, großen Atom- und Kohlekraftwerken wird künftig Strom in kleinen Anlagen und wo immer möglich erzeugt – aus Wind- und Wasserkraft, aus Biogas und Sonnenenergie, aus Erdwärme- oder Wellenkraftwerken. Ergänzt werden diese dezentralen Strukturen durch die Off-shore-Parks des Nordsee, aus Windfarmen und Parabolrinnenkraftwerken rund ums Mittelmeer, die über ein Netz neuer Hochspannungskabel mit den Verbrauchszentren Europas verbunden werden."
Die "Gemeinsam-Packen-Wirs-an"-Einstellung der Klimaretter stößt allerdings bei einem Punkt an ihre natürlichen Grenzen:
Staud: "Fliegen ist der einzige Punkt, an dem wir in dem Buch keine gute Laune verbreiten können. Wir haben zu fast allen Bereichen Lösungen gefunden, die keine Einschränkungen erfordern. Man kann mit einem kleineren Auto trotzdem klimaschonend fahren, in einem Niedrigenergiehaus kann man bequem wohnen und trotzdem das Klima schützen. Das Einzige, wo wir keine Lösung haben ist das Fliegen. Fliegen ist ganz einfach unglaublich energieintensiv und die Abgase werden in den hohen Schichten der Atmosphäre ausgebracht, wo sie besonders viel Schaden anrichten. Wer das Klima schützen will darf ganz einfach nicht mehr fliegen oder zumindest so selten wie möglich."
Man kann sich bisweilen am auffordernden Charakter des Buches stören, doch rechtfertigen mag das sein Gegenstand, der keinen Aufschub duldet. Auf jeden Fall handelt es sich um ein mit knapp über 300 Seiten gut lesbares Taschenbuch, penibel recherchiert mit vielen Beispielen, das den Leser auf den aktuellen Stand der Klimadebatte bringt und ihn zugleich die Leichen im eigenen Keller suchen lässt. Unserem Klima wird es zugute kommen.
Toralf Staud / Nick Reimer: Wir Klimaretter
So ist die Wende noch zu schaffen
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007