Rezepte gegen Flugangst
Was tun gegen Flugangst? Anhand von vier praktischen Beispielen beschreibt der Arzt und Psychotherapeut Tobias Conrad, wie sich die Panik vorm Abheben in den Griff bekomen lässt. Dabei setzt Conrad auf die Möglichkeiten von Hypnose und Trance.
Sie wollen einsteigen und plötzlich bekommen Sie einen Schweißausbruch. Nichts geht mehr. Die Füße wollen nicht mehr vorwärts laufen. Panik umklammert die Brust: Wer weiß, was passiert? Vielleicht stürzen wir ab. Sie haben Flugangst.
Statistisch gesehen ist sie unbegründet. Die Gefahr, auf dem Weg zum Flughafen in einen Unfall zu geraten, ist viel größer, schreibt Tobias Conrad in seinem Buch über die Therapie der Flugangst. Aber Angst hält sich nicht an ein rational überprüfbares Risiko.
Conrads Buch richtet sich zwar an Therapeuten, ist aber auch für Betroffene leicht zu lesen. Denn was er schildert, ist sehr praktisch. Betroffene können sich daher bei der Lektüre an die Hand genommen fühlen. Der Autor verbreitet in dem Buch die Atmosphäre eines beruhigenden Stewards - er ist beruflich Arzt und Psychotherapeut und Mitglied eines Krisenteams der Deutschen Lufthansa.
In seinem Text gibt er dem ängstlichen Fluggast das Gefühl, dass man gegen die Angst ankommen kann. Wie man das schafft, wird anhand vieler Beispiele praktisch gezeigt.
Conrad unterscheidet zwei Klassen von Flugängsten. Einmal geht es um Flugangst, der traumatische Erlebnisse zugrunde liegen, das können frühere schlimme Flugerlebnisse sein, aber auch andere Traumata. Oder aber es geht um Flugangst, die ihren Grund eher in Schwierigkeiten hat, Kontrolle über eine Situation abzugeben oder sich in engen geschlossenen Räumen aufzuhalten (Klaustrophobie).
Psychotherapeuten rechnen die Flugangst zu den Phobien. Das sind Ängste, die gezielt gegenüber Situationen oder Objekten auftreten, zum Beispiel einem öffentlichen Platz oder einer Spinne. Patienten mit einer Flugphobie haben meistens noch eine weitere Phobie. Und deren Behandlung sieht ähnlich aus.
Das Standardverfahren der Psychotherapie ist, sich den ängstigenden Situationen oder Objekten mit Hilfe eines Therapeuten so lange auszusetzen, bis die Angst vergeht. Bei der Flugphobie wäre das unpraktisch und teuer, schreibt Tobias Conrad: Man müsste gemeinsam in den Flieger steigen und lange Zeit fliegen. Der Königsweg für die Behandlung der Flugphobie ist daher für ihn die klinische Hypnose, die Arbeit in der Trance.
Das entspricht einem allgemeinen Trend in der Behandlung der Flugangst. Auf vorliegende wissenschaftliche Untersuchungen aber geht Conrad nicht ein. Sein Buch bleibt pragmatisch. Anschaulich und gespickt mit kleinen Falldarstellungen schildert er, wie er in der Praxis bei Flugangstpatienten vorgeht. Nach organmedizinischer Untersuchung erhebt er ein Angstprotokoll: Wann taucht die Angst wie genau auf?
Dann versetzt er die Patienten in leichte hypnotische Trance und lässt sie zunächst einmal in eine angenehme innere Erlebniswelt eintauchen. In der Trance sollen sie eigene Möglichkeiten entdecken, die ängstigende Situation zu meistern. Denn darum geht es Conrad und nicht darum, mögliche Gründe für die Angst zu beseitigen. Über Atem- und Entspannungsübungen werden die Patienten angeleitet, Kontrolle über ihren Körper zurückzugewinnen.
Dann gehen sie in Trance die Situation Schritt für Schritt von der Fahrt zum Flughafen bis zum Flug durch. Sie holen sich dabei in der Fantasie zum Beispiel eine helfende Person hinzu oder zapfen die Kräfte eines Talismans an, den sie später mitnehmen. So sollen sie innere Ressourcen finden, die ihnen die Gewissheit geben, ihre Spannungen loslassen und den Flug bewältigen zu können. Das erleben sie in der Vorstellung in einem ruhigen inneren Zustand.
Man darf an dieses Buch nicht mit einem alten Bild von Hypnose herangehen, wo ein Hypnotiseur dem Patienten Aufträge gibt. Conrad vertritt ein modernes Verständnis von Hypnose, demzufolge Patienten in einem veränderten Bewusstseinszustand, der Trance, Lösungen aus ihrem eigenen Unbewussten heraus finden.
Anders sieht die Behandlung bei Patienten aus, bei denen traumatische Erfahrungen Ursache ihrer Flugphobie sind. Das kann ein Beinahe-Absturz sein, aber auch ein altes traumatisches Erlebnis als Kind, oder eine Verbindung von beidem. Conrad schildert den Fall einer Frau, die einmal bei einer Notbremsung eines Flugzeugs am Boden mit dem Kopf gegen den Sitz vor ihr flog.
In der Praxis ließ sie in Trance ihr Leben rückwärts ablaufen. Als sie sich vorstellte drei Jahre alt zu sein, erfasste sie eine Panik. Von ihrer Mutter erfuhr sie, dass sie damals an einem verschluckten Knopf fast erstickt wäre. In einem solchen Fall sei es wichtig, eine innere Hilfe für das Kind von damals zu finden, um so die alte Angst zu lösen und die Gewissheit zu festigen, dass die Patientin überleben konnte und kann.
Conrad rundet sein Buch mit einem langen Glossar hypnotherapeutischer und flugtechnischer Begriffe ab. Das passt zu diesem Buch, das für all jene Betroffene einfache wie wirksame Tipps und Techniken zur Bewältigung der Flugphobie anbietet.
Rezensiert von Ulfried Geuter
Tobias Conrad: Ich flieg dann mal. Praxiswissen und Behandlungsmethoden für die Therapie von Flugangst
Heidelberg 2008, Carl Auer
189 Seiten, 19,95 Euro
Statistisch gesehen ist sie unbegründet. Die Gefahr, auf dem Weg zum Flughafen in einen Unfall zu geraten, ist viel größer, schreibt Tobias Conrad in seinem Buch über die Therapie der Flugangst. Aber Angst hält sich nicht an ein rational überprüfbares Risiko.
Conrads Buch richtet sich zwar an Therapeuten, ist aber auch für Betroffene leicht zu lesen. Denn was er schildert, ist sehr praktisch. Betroffene können sich daher bei der Lektüre an die Hand genommen fühlen. Der Autor verbreitet in dem Buch die Atmosphäre eines beruhigenden Stewards - er ist beruflich Arzt und Psychotherapeut und Mitglied eines Krisenteams der Deutschen Lufthansa.
In seinem Text gibt er dem ängstlichen Fluggast das Gefühl, dass man gegen die Angst ankommen kann. Wie man das schafft, wird anhand vieler Beispiele praktisch gezeigt.
Conrad unterscheidet zwei Klassen von Flugängsten. Einmal geht es um Flugangst, der traumatische Erlebnisse zugrunde liegen, das können frühere schlimme Flugerlebnisse sein, aber auch andere Traumata. Oder aber es geht um Flugangst, die ihren Grund eher in Schwierigkeiten hat, Kontrolle über eine Situation abzugeben oder sich in engen geschlossenen Räumen aufzuhalten (Klaustrophobie).
Psychotherapeuten rechnen die Flugangst zu den Phobien. Das sind Ängste, die gezielt gegenüber Situationen oder Objekten auftreten, zum Beispiel einem öffentlichen Platz oder einer Spinne. Patienten mit einer Flugphobie haben meistens noch eine weitere Phobie. Und deren Behandlung sieht ähnlich aus.
Das Standardverfahren der Psychotherapie ist, sich den ängstigenden Situationen oder Objekten mit Hilfe eines Therapeuten so lange auszusetzen, bis die Angst vergeht. Bei der Flugphobie wäre das unpraktisch und teuer, schreibt Tobias Conrad: Man müsste gemeinsam in den Flieger steigen und lange Zeit fliegen. Der Königsweg für die Behandlung der Flugphobie ist daher für ihn die klinische Hypnose, die Arbeit in der Trance.
Das entspricht einem allgemeinen Trend in der Behandlung der Flugangst. Auf vorliegende wissenschaftliche Untersuchungen aber geht Conrad nicht ein. Sein Buch bleibt pragmatisch. Anschaulich und gespickt mit kleinen Falldarstellungen schildert er, wie er in der Praxis bei Flugangstpatienten vorgeht. Nach organmedizinischer Untersuchung erhebt er ein Angstprotokoll: Wann taucht die Angst wie genau auf?
Dann versetzt er die Patienten in leichte hypnotische Trance und lässt sie zunächst einmal in eine angenehme innere Erlebniswelt eintauchen. In der Trance sollen sie eigene Möglichkeiten entdecken, die ängstigende Situation zu meistern. Denn darum geht es Conrad und nicht darum, mögliche Gründe für die Angst zu beseitigen. Über Atem- und Entspannungsübungen werden die Patienten angeleitet, Kontrolle über ihren Körper zurückzugewinnen.
Dann gehen sie in Trance die Situation Schritt für Schritt von der Fahrt zum Flughafen bis zum Flug durch. Sie holen sich dabei in der Fantasie zum Beispiel eine helfende Person hinzu oder zapfen die Kräfte eines Talismans an, den sie später mitnehmen. So sollen sie innere Ressourcen finden, die ihnen die Gewissheit geben, ihre Spannungen loslassen und den Flug bewältigen zu können. Das erleben sie in der Vorstellung in einem ruhigen inneren Zustand.
Man darf an dieses Buch nicht mit einem alten Bild von Hypnose herangehen, wo ein Hypnotiseur dem Patienten Aufträge gibt. Conrad vertritt ein modernes Verständnis von Hypnose, demzufolge Patienten in einem veränderten Bewusstseinszustand, der Trance, Lösungen aus ihrem eigenen Unbewussten heraus finden.
Anders sieht die Behandlung bei Patienten aus, bei denen traumatische Erfahrungen Ursache ihrer Flugphobie sind. Das kann ein Beinahe-Absturz sein, aber auch ein altes traumatisches Erlebnis als Kind, oder eine Verbindung von beidem. Conrad schildert den Fall einer Frau, die einmal bei einer Notbremsung eines Flugzeugs am Boden mit dem Kopf gegen den Sitz vor ihr flog.
In der Praxis ließ sie in Trance ihr Leben rückwärts ablaufen. Als sie sich vorstellte drei Jahre alt zu sein, erfasste sie eine Panik. Von ihrer Mutter erfuhr sie, dass sie damals an einem verschluckten Knopf fast erstickt wäre. In einem solchen Fall sei es wichtig, eine innere Hilfe für das Kind von damals zu finden, um so die alte Angst zu lösen und die Gewissheit zu festigen, dass die Patientin überleben konnte und kann.
Conrad rundet sein Buch mit einem langen Glossar hypnotherapeutischer und flugtechnischer Begriffe ab. Das passt zu diesem Buch, das für all jene Betroffene einfache wie wirksame Tipps und Techniken zur Bewältigung der Flugphobie anbietet.
Rezensiert von Ulfried Geuter
Tobias Conrad: Ich flieg dann mal. Praxiswissen und Behandlungsmethoden für die Therapie von Flugangst
Heidelberg 2008, Carl Auer
189 Seiten, 19,95 Euro