Rhabarber, Rhabarber

Rharbarber ist eine Pflanze, die es in sich hat: Wurzelstock und Blätter sind hochgiftig. In ihnen steckt in hoher Dosierung Oxalsäure, die Nieren und Leber schädigt. Die zu Kompott verarbeiteten Stängel enthalten die Säure nur in geringem Maß.
Anlass: Vitaminreich und kalorienarm soll er sein, der Rhabarber. Egal ob als Rhabarbersuppe oder Rhabarberkuchen, er ist vor allem eins: sauer. Einmal im Garten, wächst er wie Unkraut. Es ist wohl unser einziges Gemüse, dessen Wurzelstock auch kalte Winter unbeschadet übersteht und das sehr schnell im Frühjahr wieder treibt. Man könnte glatt meinen, er sei seit alters her ein einheimisches Gemüse. Aber dem ist nicht so.

Woher stammt der Rhabarber? Er kommt aus Asien. Es ist eine Gebirgspflanze, deren verschiedene Arten vom Kaukasus aus über das Pamirgebirge bis in den Himalaya heimisch sind. Von dort aus erstreckt sich das Verbreitungsgebiet über Zentralchina und die Mongolei bis nach Sibirien. Als Gemüsepflanze ist er in Europa und Nordamerika aber ziemlich neu. Er datiert aus dem 19. Jahrhundert. Denn da erst konnte er sich etablieren, als der Zucker so billig wurde, dass man das saure Zeug als Kompott überhaupt runterkriegte. Es ist kein Wunder, dass Rhabarber zuerst in der britischen Küche Eingang fand.

Wieso sollten die Europäer eine ungenießbare Pflanze importieren und anbauen, nur weil der Zucker billiger wurde? Das klingt fast so, als sei der Rhabarber nur ein Vorwand um Zucker naschen zu können? Ganz einfach: die Pflanze war altbekannt, aber diente gänzlich anderen Zwecken. Ihr Wurzelstock ist ziemlich giftig. Er enthält Anthrachinone. Die sind so giftig, dass man das Wurzelpulver seit Jahrtausenden zur Behandlung von Darmparasiten wie Amöbenruhr und Verstopfungen verwendete. In Asien ist die Pflanze seit Urzeiten in Gebrauch. In unserem Kulturkreis war der römische Militärarzt Dioscurides, der im ersten Jahrhundert nach Christus lebte, der erste, der den Rhabarber in seinen Schriften erwähnte.

Allerdings scheint das in Vergessenheit geraten zu sein, denn die nächste Erwähnung findet sich erst im 13. Jahrhundert bei Marco Polo. Alsbald wurde das Pulver über die Seidenstraße von China nach Europa transportiert und zu abenteuerlichen Preisen verkauf. Das Pulver war teurer als Zimt oder Opium. Später übernahmen die Russen den exklusiven Vertrieb. In den Kolonien der Europäer war Rhabarberpulver unverzichtbar zur Behandlung tropischer Darmkrankheiten, in der Heimat wurde das giftige Zeug in niedrigerer Dosis vor allem als Nahrungsergänzungsmittel, als Stärkungsmittel konsumiert. Ich vermute mal als Antidot zum verstopfend wirkenden Opium.

Deshalb essen wir auch nur die Stängel und nicht die Wurzelstöcke? Und auch nicht die Blätter. Allerdings wurde das immer wieder mal versucht, weil ja Salat und Gemüse so gesund sind. So manch eine gesundheitsbewusste Naschkatze bezahlte das mit dem Leben. Und das obwohl sich die Pflanzenzüchter redlich bemühten, den Gehalt an Giftstoffen zu senken.

Besonders beliebt waren im angelsächsischen Raum Rhabarberweine. Als allerdings sich ein in Lebensmittelfragen erfahrener Chemiker und Arzt dieser Flüssigkeit annahm, kam er vor über 150 Jahren zu einem vernichtenden Ergebnis: "ein äußerst Verderben bringender Trank, dessen häufiger Konsum zu Harnsteinen führt". Das britische Parlament wurde aufgefordert, den Verkauf "eines derart gefährlichen Giftes" zu unterbinden. Anlass für dieses vernichtende Urteil waren aber nicht die Anthrachinone, sondern der hohe Gehalt an Oxalsäure.

Wie kommt die Oxalsäure in den Wein und was bewirkt sie?Sie ist ein wichtiger Inhaltsstoff der Blätter aber auch der Stängel. Die Gehalte in den Blättern sind so hoch, dass sie die Todesfälle bei Verzehr als Salat oder Gemüse hinreichend erklären. Die Säure verursacht Erbrechen, Krämpfe, Kreislaufkollaps und zu Leber- und Nierenschädigung. Die Niere ist dann voller Oxalat-Kristalle. Kleine Mengen sind harmlos, größere Mengen sind tödlich. Unsere Lebensmittel sind also nicht einfach "gesund". Im Gegenteil, man muss sie genau kennen. Dazu gehört auch, dass man weiß, dass die niedrigeren Oxalsäuregehalte in den Stängeln alles andere als "unbedenklich" sind. Sie können Nierensteine verursachen, insbesondere bei eingeschränkter Nierenfunktion.

Können wir also Rhabarberkompott essen oder nicht? Wenn Ihnen das Kompott schmeckt und Sie es mit Genuss essen, dann ist es okay. Wenn nicht, dann lassen Sie bitte die Finger davon. Nicht jeder verträgt alles. Und zwingen Sie niemals Kinder etwas aufzuessen, das ihnen widersteht. Der Appetit ist nicht ein blinder oder dummer Verführer des "schwachen Fleisches", sondern Ausdruck des sogenannten "metabolischen Sinns" - ein Sinn, der für uns genauso wichtig ist wie Sehen oder Hören.

Literatur:
Foust CM: Rhubarb: The Wondrous Drug. Oxford, Princeton University Press 1992
Khan SR et al: Dietary oxalate and calcium oxalate nephrolithiasis. Journal of Urology 2007; 178: 2191-2196
Oke OL: Oxalic acid in plants and in nutrition. World Review of Nutrition and Dietetics 1969; 10: 262-303
Roberts J: Cabbages & Kings: The Origins of Fruit & Vegetables. HarperCollins, London 2001
Lindner E: Toxikologie der Nahrungsmittel. Thieme, Stuttgart 1990