Rheingold rappen
Das nun beginnende Richard-Wagner-Jahr 2013 macht auch vor den Kleinsten nicht halt: Eine Stiftung hat einen Rap-Wettbewerb ausgerufen. Kinder und Jugendliche sollen sich durch Sprechgesang dem Komponisten und der Kunstform Oper nähern.
"Ich finde, wenn man immer Pop hört, das wird irgendwann zu schnell, und ich finde, die Musik ist sehr entspannend. Man kommt halt runter, und ich find’s auch sehr schön komponiert."
Tom ist 12. Er geht in die 6c der Birger Forell Schule in Berlin-Schöneberg. Und scheint – wie der Rest seiner Klasse – vom Wagner-Virus geradezu infiziert zu sein. Seine, weil auch Melissas Lieblingsoper: Das Rheingold.
"Also, es klingt einfach wunderschön, das gefällt mir gut. Und dann ist das alles so schön komponiert. Also, ich finde es ist auch mal was anderes, man muss ja nicht immer das Gleiche hören."
Um es gleich klarzustellen: Kein Kind wurde bestochen, kein Kind gezwungen, so etwas über Wagner zu sagen. Auf den Geschmack sind sie durch ihre Musiklehrerin Friederike Fischer gekommen, der Musik wirklich am Herzen liegt. Der Idee mittels eines Rap-Wettbewerbs Kinder und Jugendliche an die Kunstform Oper und das Werk Richards Wagners heranzuführen, steht die 42-jährige Pädagogin aber ambivalent gegenüber.
"Also, grundsätzlich bin ich immer dafür, den Kindern das Original zu zeigen, deswegen gehe ich mit all meinen Klassen regelmäßig in die Oper."
Aber:
"Die Idee, zum Beispiel einen Wagner Text zu rappen, macht auch Sinn. Weil dann manche Kinder sich überhaupt erst trauen, sich an diese Texte ranzusetzen. Und das bietet sich gerade bei Wagner an, dessen Texte von der Wortgestaltung sehr aussagekräftig sind. Insofern finde ich diese Idee nicht schlecht. Trotzdem bin ich grundsätzlich in der Tradition, dass die Kinder auf alle Fälle das Original kennen müssen."
Von Katharina Wagner, Co-Chefin der Bayreuther Festspiele und der Fairplay Stiftung, die nach eigenem Bekunden kulturelle Werte und Inhalte weitergeben wolle, werden Kinder und Jugendliche aufgefordert, einen Textabschnitt aus einem wagnerschen Werk in Form eines Rapsongs zu bearbeiten und als Bewerbungsvideo oder CD einzureichen. Die 11-jährige Charlotte, aus der Musikklasse von Friederike Fischer, lässt sich nicht lange bitten - und gibt spontan eine Kostprobe.
"Hallo, ich bin Sieglinde und hab einen Sohn, das ist der Siegfried. Mein Mann ist der Siegmund. Siegfried, der ist richtig stark, der kann alles und besiegt ein Monster. Am Ende wird er leider umgebracht."
Rap sei eine Kunstform und ein Musikstil, der es gerade jungen Menschen ermögliche, sich kreativ und spielerisch mit Wagners Texten auseinanderzusetzen, unterstreicht der studierte Musiker und Projektleiter Michael Sens. Rappen, ergänzt er noch, das könne doch irgendwie jeder.
"Wenn man das Instrument Violine erlernen will, dann muss man mit sechs Jahren anfangen und ist mit sechzig noch nicht fertig, übertrieben gesagt. Aber ein Rapper, der kann sich einfach einen Text nehmen, hört sich an, was es so auf dem Markt gibt. Und dann versucht er, seine Botschaft da reinzugießen. Und da braucht man nicht so einen unglaublichen Vorlauf, deshalb ist es bei den Jugendlichen auch so beliebt."
Wagner-PR für Kinder? Initiator Michael Sens ficht das nicht an. Und wenn, sei es auch nicht schlimm. Schließlich ginge es darum, Kinder für eine Musik zu interessieren, die ihnen in den meisten Fällen gänzlich unvertraut ist. Was auch daran liege, dass bereits viele Eltern mit der Musik nichts mehr anfangen könnten. Also müsse man mit unorthodoxen, vielleicht auch etwas schrägen Angeboten kommen.
"Die singen nun mal heutzutage keine Lieder, gezupft zur Gitarre, wie damals in den 70ern. Am Lagerfeuer. Sondern heute wird ordentlich, mit einer schiefen Mütze auf dem Kopf, und mit geilen Beats wird da gerappt, was das Zeug hält."
Ein Rap-Wettbewerb als Anstoß zum kreativen Lernen. Erinnert sei an den Dirigenten Leonard Bernstein, einen Pionier in Sachen Werbung für klassische Musik. Schon in den 1970er- und 80er-Jahren hat er dem Publikum in öffentlichen Generalproben scheinbar sperrige Werke auf sehr unterhaltsame Weise nahegebracht.
Der Sieger des Rap-Wettbewerbs gewinnt einen Workshop mit dem Hamburger Rapper Das BO, der dessen Song unter professionellen Bedingungen produzieren wird. Michael Sens, neben Katharina Wagner und FDP-Mann Wolfgang Kubicki, einer der Juroren, wünscht sich ungewöhnliche Zugänge. Einfach nur die Wagner-Texte nachzuquatschen, das reiche nicht aus.
"Ich natürlich würde mich sehr freuen, wenn das einen schrägen Ansatz hat. Also, einen humoristischen. Humor ist ja immer Wahrheit und Schmerz. Ja, wenn der wagnerische Content mal aufgebrochen wird. Und danach geschaut wird, wo es nicht passt. Dann hab ich Spaß dran."
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der politisch umstrittenen Figur Richard Wagner ist nicht beabsichtigt. Im Vordergrund soll allein die Musik stehen. Ob man jedoch auf diese Weise die Jugend tatsächlich erreicht? Brechtschüler Achim Freyer, der derzeit in Mannheim den "Ring" auf die Beine stellt, hat seine Zweifel. Und steht dem Wagnerschen Entertainment-Programm der Urenkelin skeptisch gegenüber.
"Ich glaube, kein großer Komponist hat es nötig, dass man ein Potpourri seiner Arbeit präsentiert. Nur reine Qualität und Kunst. Nichts anderes. Kein junger Mensch wird sich dem in den Weg stellen."
Gerade Jugendliche sind von Wagneropern meist total begeistert, ergänzt Regisseur Achim Freyer. Denn wenn es in den Inszenierungen blitzt und donnert, wenn Drachen, Feen und Sagengestalten vorüberziehen, dann habe das durchaus Parallelen zu Harry Potter und anderen Fantasy-Figuren. Damit sei man von der ästhetischen Wirklichkeit Jugendlicher gar nicht so weit entfernt.
"Bisher. Und bin schon fast 80 Jahre alt. Und ich fühle mich wie ein junger Mann mit ihnen zusammen."
Ein Rap-Wettbewerb, um Jugendliche an das komplexe und wuchtige Opern-Werk Wagners heranzuführen, kann also bestenfalls ein Anfang sein, denn das Live-Erlebnis, die ernsthafte Auseinandersetzung sind damit nicht zu ersetzen. Dazu sollten die Opernhäuser ihre Gralstempel den Familien öffnen. Als Wagner-Werbung im besten Sinne.
Mehr Infos zum Wagner Rap Wettbewerb unter "Wagner goes Rap"
Einsendeschluss für die Rap-Songs ist der 15. Februar. Bis heute hält sich die Resonanzen in Grenzen.
Tom ist 12. Er geht in die 6c der Birger Forell Schule in Berlin-Schöneberg. Und scheint – wie der Rest seiner Klasse – vom Wagner-Virus geradezu infiziert zu sein. Seine, weil auch Melissas Lieblingsoper: Das Rheingold.
"Also, es klingt einfach wunderschön, das gefällt mir gut. Und dann ist das alles so schön komponiert. Also, ich finde es ist auch mal was anderes, man muss ja nicht immer das Gleiche hören."
Um es gleich klarzustellen: Kein Kind wurde bestochen, kein Kind gezwungen, so etwas über Wagner zu sagen. Auf den Geschmack sind sie durch ihre Musiklehrerin Friederike Fischer gekommen, der Musik wirklich am Herzen liegt. Der Idee mittels eines Rap-Wettbewerbs Kinder und Jugendliche an die Kunstform Oper und das Werk Richards Wagners heranzuführen, steht die 42-jährige Pädagogin aber ambivalent gegenüber.
"Also, grundsätzlich bin ich immer dafür, den Kindern das Original zu zeigen, deswegen gehe ich mit all meinen Klassen regelmäßig in die Oper."
Aber:
"Die Idee, zum Beispiel einen Wagner Text zu rappen, macht auch Sinn. Weil dann manche Kinder sich überhaupt erst trauen, sich an diese Texte ranzusetzen. Und das bietet sich gerade bei Wagner an, dessen Texte von der Wortgestaltung sehr aussagekräftig sind. Insofern finde ich diese Idee nicht schlecht. Trotzdem bin ich grundsätzlich in der Tradition, dass die Kinder auf alle Fälle das Original kennen müssen."
Von Katharina Wagner, Co-Chefin der Bayreuther Festspiele und der Fairplay Stiftung, die nach eigenem Bekunden kulturelle Werte und Inhalte weitergeben wolle, werden Kinder und Jugendliche aufgefordert, einen Textabschnitt aus einem wagnerschen Werk in Form eines Rapsongs zu bearbeiten und als Bewerbungsvideo oder CD einzureichen. Die 11-jährige Charlotte, aus der Musikklasse von Friederike Fischer, lässt sich nicht lange bitten - und gibt spontan eine Kostprobe.
"Hallo, ich bin Sieglinde und hab einen Sohn, das ist der Siegfried. Mein Mann ist der Siegmund. Siegfried, der ist richtig stark, der kann alles und besiegt ein Monster. Am Ende wird er leider umgebracht."
Rap sei eine Kunstform und ein Musikstil, der es gerade jungen Menschen ermögliche, sich kreativ und spielerisch mit Wagners Texten auseinanderzusetzen, unterstreicht der studierte Musiker und Projektleiter Michael Sens. Rappen, ergänzt er noch, das könne doch irgendwie jeder.
"Wenn man das Instrument Violine erlernen will, dann muss man mit sechs Jahren anfangen und ist mit sechzig noch nicht fertig, übertrieben gesagt. Aber ein Rapper, der kann sich einfach einen Text nehmen, hört sich an, was es so auf dem Markt gibt. Und dann versucht er, seine Botschaft da reinzugießen. Und da braucht man nicht so einen unglaublichen Vorlauf, deshalb ist es bei den Jugendlichen auch so beliebt."
Wagner-PR für Kinder? Initiator Michael Sens ficht das nicht an. Und wenn, sei es auch nicht schlimm. Schließlich ginge es darum, Kinder für eine Musik zu interessieren, die ihnen in den meisten Fällen gänzlich unvertraut ist. Was auch daran liege, dass bereits viele Eltern mit der Musik nichts mehr anfangen könnten. Also müsse man mit unorthodoxen, vielleicht auch etwas schrägen Angeboten kommen.
"Die singen nun mal heutzutage keine Lieder, gezupft zur Gitarre, wie damals in den 70ern. Am Lagerfeuer. Sondern heute wird ordentlich, mit einer schiefen Mütze auf dem Kopf, und mit geilen Beats wird da gerappt, was das Zeug hält."
Ein Rap-Wettbewerb als Anstoß zum kreativen Lernen. Erinnert sei an den Dirigenten Leonard Bernstein, einen Pionier in Sachen Werbung für klassische Musik. Schon in den 1970er- und 80er-Jahren hat er dem Publikum in öffentlichen Generalproben scheinbar sperrige Werke auf sehr unterhaltsame Weise nahegebracht.
Der Sieger des Rap-Wettbewerbs gewinnt einen Workshop mit dem Hamburger Rapper Das BO, der dessen Song unter professionellen Bedingungen produzieren wird. Michael Sens, neben Katharina Wagner und FDP-Mann Wolfgang Kubicki, einer der Juroren, wünscht sich ungewöhnliche Zugänge. Einfach nur die Wagner-Texte nachzuquatschen, das reiche nicht aus.
"Ich natürlich würde mich sehr freuen, wenn das einen schrägen Ansatz hat. Also, einen humoristischen. Humor ist ja immer Wahrheit und Schmerz. Ja, wenn der wagnerische Content mal aufgebrochen wird. Und danach geschaut wird, wo es nicht passt. Dann hab ich Spaß dran."
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der politisch umstrittenen Figur Richard Wagner ist nicht beabsichtigt. Im Vordergrund soll allein die Musik stehen. Ob man jedoch auf diese Weise die Jugend tatsächlich erreicht? Brechtschüler Achim Freyer, der derzeit in Mannheim den "Ring" auf die Beine stellt, hat seine Zweifel. Und steht dem Wagnerschen Entertainment-Programm der Urenkelin skeptisch gegenüber.
"Ich glaube, kein großer Komponist hat es nötig, dass man ein Potpourri seiner Arbeit präsentiert. Nur reine Qualität und Kunst. Nichts anderes. Kein junger Mensch wird sich dem in den Weg stellen."
Gerade Jugendliche sind von Wagneropern meist total begeistert, ergänzt Regisseur Achim Freyer. Denn wenn es in den Inszenierungen blitzt und donnert, wenn Drachen, Feen und Sagengestalten vorüberziehen, dann habe das durchaus Parallelen zu Harry Potter und anderen Fantasy-Figuren. Damit sei man von der ästhetischen Wirklichkeit Jugendlicher gar nicht so weit entfernt.
"Bisher. Und bin schon fast 80 Jahre alt. Und ich fühle mich wie ein junger Mann mit ihnen zusammen."
Ein Rap-Wettbewerb, um Jugendliche an das komplexe und wuchtige Opern-Werk Wagners heranzuführen, kann also bestenfalls ein Anfang sein, denn das Live-Erlebnis, die ernsthafte Auseinandersetzung sind damit nicht zu ersetzen. Dazu sollten die Opernhäuser ihre Gralstempel den Familien öffnen. Als Wagner-Werbung im besten Sinne.
Mehr Infos zum Wagner Rap Wettbewerb unter "Wagner goes Rap"
Einsendeschluss für die Rap-Songs ist der 15. Februar. Bis heute hält sich die Resonanzen in Grenzen.