"Ich bin vor allem Lebenskünstler"
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Shahin Tivay Sadatolhosseini reiste in 600 Tagen von Deutschland in den Iran - zu Fuß und mit dem Rhönrad, einem ziemlich sperrigen Turngerät. Jetzt ist der Deutsch-Iraner erneut unterwegs, diesmal Richtung Westen.
Es war "Liebe auf den ersten Blick" - so erinnert sich Shahin Tivay Sadatolhosseini an seine erste Begegnung mit einem Rhönrad. Das gewichtige Sportgerät aus zwei Metallreifen, die durch sechs Streben miteinander verbunden sind, bestimmt seither das Leben des gebürtigen Iraners. Und seine Kunst.
Als Flüchtling war der damals 13-jährige Shahin 1985 mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Zwischen Iran und Irak tobte der erste Golfkrieg, "lebensvernichtend, jugendvernichtend, zukunftsvernichtend", so Sadatolhosseini im Rückblick. In Teheran hatte Shahin intensiv Kunstturnen betrieben, in der neuen Heimat Aachen geriet er ans Rhönrad.
Ein bisschen mehr Verrücktheit
Noch als Jugendlicher nahm er an einer Europameisterschaft teil. Rhönradturnen stelle ähnliche körperliche Anforderungen an den Sportler wie das Kunstturnen, sei aber kreativer, sagt Sadatolhosseini. Und: "Man braucht ein bisschen mehr Verrücktheit."
Der professionelle Rhönradtrainer hat inzwischen seinen Sport zur Kunst gemacht - mit ausgefeilten Choreografien. Verrücktheit brauchte er auch für ein großes Kunstprojekt, das er vor fünf Jahren im Wortsinn anging: zu Fuß mit dem Rhönrad als "Lastenfahrrad" von Aachen nach Teheran.
Das monatelange Gehen mit dem Rad war "eine sehr langgezogene Performance" und die erste Begegnung mit der alten Heimat seit 33 Jahren. Dort erlebte er - statt der befürchteten Behörden-Schikanen - die "unvorstellbare Gastfreundschaft" der Bevölkerung.
Schlafen im Rad
"Roll East" hieß das damalige Projekt, "Yavashyavash" heißt das aktuelle. Das bedeutet "langsam, langsam" auf Farsi, und in der Tat kommen Sadatolhosseini und sein Rhönrad namens Rosinante nur gemächlich voran auf ihrem Weg von Aachen in die USA; wir haben mit ihm in Belgien gesprochen.
An den Streben des Rhönrads hängen 60 Kilogramm Gepäck und ein Kameraarm, denn Sadatolhosseini filmt sein Abenteuer. Nachts spannt er eine Hängematte im Rad auf, breitet eine Plane darüber – fertig ist das Schlafquartier.
Auf seinem Blog Yavashyavash informiert Shahin Tivay Sadatolhosseini täglich über den Fortgang seiner Reise, die zwar anstrengend, aber "spottbillig" sei. Ob und wann er in den USA ankommt, weiß er nicht, aber das macht nichts: "Ich bin vor allem Lebenskünstler."
(pag)