"1984" als zeitlos aktuelles Hörspiel
George Orwells Dystopie "1984" ist nach wie vor aktuell. Der Audio Verlag hat nun eine vierzig Jahre alte Produktion des RIAS wieder veröffentlicht. Das Resultat ist alles andere als verstaubt.
"Es ist 5:30 Uhr. Guten Morgen, Parteigenossen. Wir wünschen Ihnen einen frohen Tag…"
Morgengymnastik zu beschwingtem Charleston. Über den Televisior, eine Kamera in den Privaträumen, wird das Leben im Überwachungsstaat ausgespäht und kontrolliert. "Big Brother is watching you" - der "Große Bruder" hat alles im Blick.
"1984" von George Orwell schildert die perfiden Machtmechanismen und menschenverachtenden Strukturen eines totalitären Systems so beängstigend gut, dass diese Dystopie bis heute nichts von ihrer Sogkraft verloren hat. Dabei hat Orwell dieses Meisterwerk bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben. Heute ist es Schullektüre und wurde unzählige Male inszeniert - auf Bühnen, als Film und eben auch als Hörspiel.
Kampf gegen das System
"Das Gedankenverbrechen zieht nicht den Tod nach sich. Das Gedankenverbrechen ist der Tod."
Vor dem Hintergrund einer diktatorischen Gesellschaft erzählt Orwell die Geschichte zweier sich heimlich Liebenden - von Smith Winston, 39 Jahre alt, und der 26-jährigen Julia. Beide arbeiten im "Ministerium für Wahrheit": Er passt Presseveröffentlichungen im Nachhinein an die aktuelle Parteilinie an, sie bedient eine Kompositionsmaschine für Romane. Es eint sie die verbotene Liebe und die Subversion, der Kampf gegen das System.
"Die Menschen redeten viel über Freiheit"
Smith Winston - gesprochen vom Schauspieler Ernst Jacobi, der auch schon Doc Brown in "Zurück in die Zukunft" seine Synchronstimme geliehen hat, und seine Geliebte Julia – wunderbar eingelesen von Angela Winkler - finden bei einem alten Krämer Unterschlupf: Mister Carrington erzählt von einer Zeit vor der Diktatur - zutraulich, fast schon weise gesprochen von der Regie- und Schauspiel-Legende der Nachkriegszeit Helmut Käutner.
"Die Menschen redeten viel über Freiheit, aber sie waren nicht frei. Die einen haben befohlen, die anderen mussten gehorchen. Und ein paar haben rebelliert. Heute nennt man solche Leute Ketzer, Verschwörer, Gedankenverbrecher. Damals nannte man sie Schwärmer, Idealisten, Weltverbesserer. Alles Worte, die heute ausgestorben sind."
Diese Hörspiel-Inszenierung hat Christoph Gahl vor nun genau 40 Jahren für den RIAS inszeniert. Und sie funktioniert, wie das Buch, auch noch heute.
Fernab von Effekthascherei umgesetzt
Untergehende Marschmusik im Getöse der Hubschrauber - das erinnert an den Anfang an große Antikriegs-Filmklassiker. Und trotzdem ist dieses Hörspiel fernab von Effekthascherei mit großem Bedacht umgesetzt: Sprechpausen lassen die Schwere der Geschichte sacken und erhöhen zugleich die Intensität, und kleine akustische Effekte verstärken die Grausamkeit der diktatorischen Machenschaften.
"Die Maschine versetzt ihnen Stromstöße, Winston…"
Natürlich scheitern Winston und Julia. Nach ihrer Verhaftung beginnt ihre Umerziehung unter Anwendung von Gehirnwäsche.
Das Hörspiel ist immer noch aktuell
Winston bricht unter der Folter schließlich zusammen: Er verrät Julia. Und schenkt seine ganze Liebe fortan dem System.
"Locker bleiben, Parteigenossen, Fröhlich wollen wir den Tag beginnen…"
Und obwohl die Musik vom RIAS Tanzorchester und dem Symphonischen Orchester Berlin unter der Leitung von Friedrich Scholz einen deutlichen Zeitbezug zur Entstehung des Romans herstellt, tut das der Aktualität dieses Hörspiel keinen Abbruch. Eine großartige Wiederneuauflage!
George Orwell: "1984"
Hörbuch, Der Audio Verlag, 2 CDs 16,99 Euro