RIAS Kammerchor: Die Vertreibung des Ismael

Zum Ursprung unserer Religionen

Ein Bronzedenkmal  des Künstlers Jürgen Weber, das in Braunschweig steht, zeigt einen wolkigen Himmel, der von den drei Symbolen der großen Religionen umgeben ist: Ein Mond, ein Stern und ein Kreuz.
Die Geschichte um Ismael spielt für alle drei Weltreligionen eine grundlegende Rolle. © imago / Norbert Neetz
Moderation: Ruth Jarre |
In der alttestamentarischen Erzählung um einen alten Mann, der einen seiner beiden Söhne, Ismael, vertreibt, liegt die Trennung der Menschheit in verschiedene Weltreligionen. Bis heute ist sie Thema, auch im neuen Oratorium von Jüri Reinvere.
In der Geschichte um die Vertreibung des Isamels und seiner Mutter liegt einer der frühen, tiefgreifenden Spaltungen der Menschheit. Sie wirkt bis heute, denn sie ist auch eine Geschichte über Herkunft, Kultur und Identität.

Verschiedene Auslegungen einer Geschichte

Gott sagt Abraham voraus, dass aus seinem Samen ein großer Stamm hervorgehen werde. Doch Abraham und seine Frau Sarah sind mittlerweile sehr alt geworden und kinderlos geblieben. Da bittet Sarah ihre Magd Hagar, an ihrer Stelle diesen Stammhalter auszutragen und zu gebären. So geschieht es: Ismael wird geboren. Doch dann wird Sarah doch noch schwanger. Und so vertreibt Abraham die jüngere Frau und seinen Sohn Ismael.
Eine historische Tuschezeichnung zeigt die Situation, wie Ismael und seine Mutter an einer Festtafel sitzt. Im Bild darunter ist zu sehen, wie ein Paar die Frau mit Kind aus dem Haus weisen.
In einem alten Codex aus dem 11. Jahrhundert wurde die Geschichte um Isamel mit Illustrationen versehen: erst ist die Familie vereint. Doch nach einiger Zeit wird die junge Frau mit dem Kind aus dem Haus geschickt. © Imago / KHARBINE-TAPABOR / Collection British Library
In der Bibel und im Koran wird diese Geschichte unterschiedlich ausgelegt. Klar ist aber, dass das, was als Familienkrieg beginnt, weltverändernde Konsequenzen hat. Isaak, der Sohn Abrahams und Sarahs ist nach Abraham und vor Jakob einer der drei Stammväter des Volkes Israel.
Ismael, der Sohn Abrahams und Hagars, ist in der islamischen Tradition der Stammvater aller Muslime. Hier liegt also der gemeinsame Ursprung der drei großen monotheistischen Religionen. Für Justin Doyle, Chefdirigent des RIAS Kammerchors Berlin, geht es also auch darum, zu zeigen, dass ein großer Teil unserer Gesellschaft gemeinsame Wurzeln hat.

Alte Geschichte in neuer Musik

Der estnische Komponist Jüri Reinvere hat sich für sein neues Werk an diese Urgeschichte der Menschheit gewagt. Im Auftrag des RIAS Kammerchors Berlin schrieb er ein modernes Oratorium für Soli, Chor und Streichorchester, das am 31. März in Berlin uraufgeführt wurde.
Dirigent Justin Doyle spiegelt das Werk Reinveres in der ersten Konzerthälfte, denn die drei monotheistischen Religionen sind hier musikalisch vertreten.

Musikalisches Vorprogramm

Die meisten Stücke stammen aus dem Mittelalter oder der frühen Renaissance und sollen, so Doyle, „die thematischen und weltanschaulichen Wurzeln der folgenden Uraufführung refkletieren“. Die Fragen, die dieses Konzert des RIAS Kammerchors Berlin mit dem Ensemble Resonanz stellt, sind die großen Fragen unserer Zeit: „Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?“
Aufzeichnung vom 31.03.2022 im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin

Franz Schubert
"Gesang der Geister über den Wassern" D 714

Hildegard von Bingen
"O Virtus Sapientiae"

Guillaume Dufay
"Lamentatio Sanctae Matris Ecclesiae Constantinopolitanae"

Llibre Vermell de Montserrat
"O Virgo splendens"

Alfonso El Sabio
Cantigas de Santa María:
"Santa María, Strela do día"

Traditionell Sephardisch /.Arr. Ohad Stolarz
"Cuando el rey Nimrod"
"Morenica"

Robert Ramsey
"When David heard that Absalom was slain"

Jüri Reinvere
"Die Vertreibung des Ismael" (Uraufführung des Kompositionsauftrages vom RIAS Kammerchor Berlin)

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