Richard David Precht: "Erkenne die Welt"

Wer ist Platon - und wenn ja wie viele?

Der Publizist und Philosoph Richard David Precht
Der Publizist und Philosoph Richard David Precht © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Michael Opitz |
In dem ersten Teil seiner dreibändigen Philosophiegeschichte beleuchtet Richard David Precht die Ideen antiker Philosophen. Er geht dabei auch der Frage nach, wie wir heute leben wollen. Dabei schafft er es, auf einen altklugen Stil zu verzichten.
Ein Grund, weshalb man gerade nach der von Richard David Brecht auf drei Bände konzipierten Geschichte der Philosophie greift, und keine andere lesen will, könnte darin bestehen, dass die Antwort auf die Frage, die er in seinem Buch "Wer bin ich und wenn ja wie viele?" stellt, überzeugend ausgefallen ist. Abgewandelt stellt er sie in "Erkenne die Welt" erneut. Nun lautet sie: "Wer ist Platon? Und wenn ja wie viele?"
Natürlich weiß der 1964 in Solingen geborene Precht, der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln studierte, darauf eine Antwort. Der Eindruck, es nicht nur mit einem Platon, sondern gleich mit mehreren zu tun zu haben, ergibt sich, weil in einer Ausgabe seiner Schriften Texte aus unterschiedlichen Jahren unmittelbar hintereinander stehen. Platons Werk aber ist in einem Zeitraum von fast vierzig Jahren entstanden und man charakterisiert es am besten als ein work in progress. "Eindeutigkeit und Widerspruchsfreiheit ist etwas für schlichte Gemüter; intelligentes Denken geht anders", heißt es bei Precht.
Precht ist nicht so vermessen, die Lücken schließen zu wollen, die sich in jeder noch so umfassenden Philosophiegeschichte auftuen. Er hat auch nicht den Ehrgeiz, seine drei Bände zum Standardwerk für künftige Philosophiestudenten erheben zu wollen.
Ideen aus dem zeithistorischen Kontext heraus erklären
Sein Ansatz ist bescheidener, dennoch aber anspruchsvoll. Er will so "allgemeinverständlich wie möglich und dabei eingehüllt in das Gewand einer großen Erzählung" die Geschichte der Philosophie den Lesern näher bringen, wobei die wichtigsten Philosophen und ihre Ideen aus dem zeithistorischen Kontext heraus erklärt werden sollen. Ziel des Unternehmens ist es, so den Rahmen zu vergrößern, "in dem wir denken und handeln".
Dass ihm dies überzeugend gelungen ist, liegt daran, dass Precht scharfsinnig in seinem Urteil ist und es zugleich versteht, komplizierte philosophische Probleme so zu erklären, dass man kein philosophisches Grundstudium absolviert haben muss, um zu verstehen, worum es ihm geht. "Philosophieren ist das Schärfen unserer Instrumente des Denkens in der Hoffnung, die begrenzte Zeit unseres Daseins ein wenig bewusster zu erleben."
Diesem Anspruch wird Prechts "Philosophiegeschichte" gerecht, weil er das philosophische Verständnis zu wecken weiß und anhand der antiken Philosophen immer wieder auch die Frage aufwirft, wie wir heute leben wollen. Anknüpfend an die die Seelenwanderungslehre der Orphiker diskutiert er beispielsweise die Frage nach der Ethik und wie man sich ernähren müsste.
Leben ändern und Tiere achten
Nimmt man wie die Orphiker an, dass die Seele durch die Tierwelt reist, ist das Töten von Tieren Mord. Die Seelenwanderung ernst zu nehmen bedeutet, "sein Leben zu ändern und Tiere zu achten". Precht stellt Fragen und er hinterfragt. Es ist das Fragezeichen, das in seiner Abhandlung dominiert und nicht das Ausrufezeichen.
Den Unterschied zwischen Wissen, das man besitzt und das man hat, erklärte Sokrates an einem einleuchtenden Beispiel. Wenn ich aus einem Taubenschlag, in dem sich nur Tauben befinden, die mir gehören, eine Taube herausholen will, kann es passieren, dass ich die falsche greife. Wissen, wie es geht, ist nicht gleichbedeutend mit Können. Dass Wissen und Können in diesem Buch eine gelungene Symbiose eingehen, liegt an Prechts klugem, aber nie altklugen Stil. Das Gewand, in das er seine Philosophiegeschichte gehüllt hat, macht etwas her.

Richard David Precht: Erkenne die Welt.
Eine Geschichte der Philosophie.
Goldmann Verlag. München 2015
575 Seiten. 22,99 Euro

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